Der laufende "Wollhaus-Raser-Prozess" in Heilbronn zeigt mögliche Folgen von Raserei in der Innenstadt. Statistiken der Polizei geben Hinweise, wie groß das Problem wirklich ist.
In Heilbronn ist die Poserszene bekannt, laut aufheulende Motoren sind Alltag. Der laufende Raser-Prozess um einen tödlichen Unfall vor dem Heilbronner Landgericht hat auch an diesem Montag in Erinnerung gerufen, wie schrecklich Raserei enden kann. Aber auch nach diesem Unfall Anfang 2023 wird in Heilbronn noch immer gerne beschleunigt. An Wochenenden ist die Allee immer wieder beliebte Poserstrecke. Zahlen der Polizei, die dem SWR vorliegen, zeigen, Fahrten mit überhöhter Geschwindigkeit werden im Raum Heilbronn deutlich häufiger angezeigt als in den ländlicheren Nachbarlandkreisen. Einen spürbaren Anstieg zeigen die Zahlen der vergangenen Jahre jedoch nicht.
Die Heilbronner Innenstadt ist auch "Rennstrecke"
Der tödliche Unfall in der Heilbronner Wollhausstraße beschäftigt noch immer das Heilbronner Landgericht. Der Prozess soll noch bis ins kommende Jahr andauern. Im Februar 2023 soll der junge Angeklagte mit fast 100 Kilometern pro Stunde durch die Wollhaustraße gerast sein - erlaubt sind dort 40. Bei dem Unfall starb ein Mann, seine Frau und deren Kinder wurden schwer verletzt. Der damals 20-Jährige könnte deshalb wegen Mordes verurteilt werden.
In Wiesbaden ist erst vor wenigen Tagen ein junger Mann wegen Mordes verurteilt worden, weil er in der Innenstadt von Wiesbaden mit überhöhter Geschwindigkeit einen tödlichen Unfall verursacht hat.
Landgericht Wiesbaden verurteilt Raser wegen Mordes
Heilbronner Polizei verstärkt Kontrollen
Der tödliche Unfall in Heilbronn hat zumindest bei der Polizei das Thema Rasen noch einmal in der Priorität erhöht. Nach diesem folgenschweren Unfall wurde erneut und noch intensiver auf die sogenannte Raser- und Poserszene geschaut. Die Polizei hat die Kräfte für Kontrollen verstärkt.
Polizeistatistik: Raserei ist kein ansteigender Trend
Statistiken der Polizei zeigen, in den vergangenen Jahren gab es in der Stadt Heilbronn keinen klaren Anstieg illegaler Straßenrennen oder grob rücksichtsloser Fahrten, welche unter den Paragrafen 315d "Verbotene Kraftfahrzeugrennen" des Strafgesetzbuches fallen. In den vergangenen drei Jahren wurden 28 (2020), 33 (2021) und 20 (2022) Verstöße gegen diesen Paragrafen festgestellt.
Während im Kreis Heilbronn im gleichen Zeitraum durchschnittlich knapp 21 Verstöße festgestellt wurden, waren es im Main-Tauber-Kreis und Hohenlohekreis durchschnittlich unter zehn Fällen. Ob Autorennen somit überwiegend im Raum Heilbronn stattfinden oder nur hier deutlich häufiger polizeilich registriert werden, geben die Zahlen jedoch nicht preis.
Drohende Strafen wirken wohl kaum abschreckend
Mit Videos der Raserfahrten wird im Internet geprahlt, ganze Communities bejubeln im Netz die extremen Fahrten. Teilweise kennen sich die Fahrer auch untereinander oder sind sogar verwandt. Ein weiterer Raserprozess in Heilbronn zeigt außerdem, dass zu erwartende rechtliche Konsequenzen nicht unbedingt eine abschreckende oder belehrende Wirkung zeigen. Denn nur wenige Monate vor dem tödlichen Unfall in der Wollhausstraße ist der Bruder des Angeklagten wegen eines mutmaßlichen Autorennens geschnappt und angezeigt worden. Beide Vorfälle ereigneten sich sogar im direkten Umfeld des Wollhauses.
Das Problem sind junge Männer
In den vergangenen drei Jahren ist es im Stadtgebiet Heilbronn zu durchschnittlich 15 Unfälle pro Jahr wegen überhöhter Geschwindigkeit mit und ohne Personenschaden gekommen, allerdings ist im Schnitt nur bei einem davon eine Frau gefahren. Ob es sich bei den Fahrten um Rennen gehandelt hat, geht aus der Statistik nicht hervor. Ziemlich eindeutig ist jedoch die Altersstruktur bei Raserunfällen. Bei insgesamt 23 Unfällen mit überhöhter Geschwindigkeit waren in den vergangenen drei Jahren Männer unter 25 Jahren beteiligt. Das ist rund die Hälfte der Unfälle mit überhöhter Geschwindigkeit im Heilbronner Stadtgebiet.