17 Manuskripte für die Tonne und trotzdem weitergemacht - die Spiegel-Bestsellerliste gibt Romy Hausmann recht. Am Samstag teilte sie ihr Erfolgsrezept mit Frauen in Heilbronn.
Mit ihren Thrillern belegt sie immer wieder die ersten Ränge der Spiegel-Bestsellerliste, mittlerweile ist sie international erfolgreich. Die Serienverfilmung von "Liebes Kind" führte im September die weltweiten Netflix-Charts an. Doch der Erfolg kam nicht über Nacht. Romy Hausmann hat ihn sich hart erarbeitet. Ihre beiden Erstlingswerke floppten, Verlage wollten sie nicht mehr veröffentlichen. Und trotzdem hat die Stuttgarter Autorin weiter geschrieben. Ein Glück für ihre Leserinnen und Leser. Vom Scheitern, Versagen und Weitermachen hat sie am Samstag vor rund hundert Frauen bei den Frauenwirtschaftstagen an der Dualen Hochschule in Heilbronn gesprochen und im Anschluss im Interview mit dem SWR.
SWR: Frau Hausmann, Ihr erster Erfolgs-Thriller heißt "Liebes Kind". Würden Sie sich selbst auch als 'liebes Kind' beschreiben oder vielmehr als 'Enfant terrible'?
Romy Hausmann: Also ich würde eher sagen als 'Enfant terrible'. Aber ich habe auch sehr gute Seiten. Im Leben haben wir ja nie Schwarz und Weiß, es läuft immer so ein bisschen dazwischen.
SWR: Sie haben heute den Impulsvortrag bei den Frauenwirtschaftstagen in Heilbronn gehalten - sind Sie Feministin?
Romy Hausmann: Ich bin auf jeden Fall eine Feministin. Aber ich finde diese Diskussion immer ein bisschen schwierig. Viele Dinge, über die wir diskutieren, die müssen einfach selbstverständlich sein. Und ich glaube, wenn wir das dann immer so "auf die 12" beackern, dann wird das nicht selbstverständlich. Wir müssen das leben. Genau deswegen mache ich das! Um einfach zu zeigen, es ist gar kein Hexenwerk. Ich finde es total schlimm, wenn wir sagen: Wir sind Frauen, deswegen haben wir grundsätzlich einen Nachteil. Wir müssen einfach zeigen, dass es eben nicht so ist, anstatt den den Männern immer zu sagen: Ja, aber du kriegst mehr Geld. - Hey, Mädel, geh zu deinem Chef und sag: Ich mach den gleichen Job, ich will mehr Geld! Warte nicht darauf, dass dein Chef sagt: Weißt du was, hier kriegst du zehn Euro mehr. Das funktioniert nicht. Man muss einfach proaktiv sein.
SWR: Sie waren schon mit 24 Jahren Redaktionsleiterin einer Münchener TV-Produktionsfirma, bevor Sie dann eine Babypause gemacht und mit dem Schreiben angefangen haben. Hatten Sie auf Ihrem Karriereweg auch mal mit Sexismus zu kämpfen?
Romy Hausmann: Das kann ich gar nicht sagen. An den Punkt kam es bei mir nicht. Weil ich von vornherein, glaube ich, einfach jemand bin, der sehr grade steht und der sagt, was er möchte und wo die Grenze ist. Ich glaube, das hätte sich auch keiner getraut. Weil noch mal: Ich sehe mich ja nicht in erster Linie als Frau. Ich bin ein Mensch. Und ich habe die gleichen Rechte wie ein Jürgen und Hans und da gibt’s überhaupt keine Diskussion.
SWR: Trotzdem gibt es ja leider doch immer noch gesellschaftliche Hürden. Welche haben sich Ihnen da auf Ihrem Karriereweg gestellt?
Romy Hausmann: Ich glaube, ich bin an den Punkt gekommen, als ich mein Kind bekommen hatte und nicht mehr Vollzeit arbeiten konnte, sondern nur noch drei Tage in der Woche. Da sollte natürlich auch mein Gehalt reduziert werden, klare Sache. Aber in dem Moment bist ja Du in der Position, zu deinem Chef zu gehen und zu sagen: Nein, für drei Tage lohnt sich das nicht. Ich möchte mehr Geld! Wir verstecken uns sehr leicht. Und ich glaube, das ist schon auch so ein bisschen ein ‚weiblicher‘ Zug. Weil wir das Gefühl haben, wir verdienen das auch nicht. Und das ist der Fehler. Das haben uns leider die Männer ein wenig voraus. Die watscheln einfach zum Chef und sagen, hey, ich will das jetzt so, und der Chef sagt ja klar. Und wir Frauen, wir warten - und manchmal warten wir ein Tacken zu lang. Und ich glaube, das können wir ändern. Daran versuche ich mich auch immer zu erinnern, wenn ich das Gefühl habe, hey es wäre aber cool, wenn jetzt jemand von sich aus auf mich zukäme. Nein! Das passiert nicht. Du musst einfach gehen.
SWR: Das kostet aber doch auch sehr viel Energie und Zeit, gerade mit Kind als alleinerziehende Mutter. Sicherlich mehr als für einen berufstätigen Mann ohne diese Mehrbelastung.
Romy Hausmann: Aber genau daraus ziehe ich ja dann auch wieder meine Energie. Indem ich das mache und indem ich mir auch selbst zeige, hey du kannst das, du schaffst das. Ich habe das Gefühl, dass wir sehr oft Hürden in unserem Leben, die jeder hat, als bequemes Bett benutzen, à la: Ich hätte ja gern, aber es ging nicht. Es geht unfassbar viel! Ja, es kostet Kraft. Aber ich glaube, im Endeffekt ist es das ja auch wert. Und ich glaube, man braucht ein gutes Betreuungsnetz. Es fängt bei der Kommunikation in der Partnerschaft an. Es ist ja heute nicht mehr so, dass die Frau zu Hause bleiben muss. Wir können da ganz tolle Lösungen in den Partnerschaften finden. Wir können das Familiengefüge ausweiten, indem wir vielleicht Oma und Opa mit einbeziehen. Ich glaube, man muss sich auch einfach trauen, um Hilfe zu bitten. Frauen denken ganz oft, ich muss das jetzt hier allein durchziehen, ich habe ein Kind, also muss ich da irgendwie durch. Nein. Du hast das Kind nicht allein, das Kind ist Teil der Familie. Und ich glaube, durch Kommunikation und auch dieses Offensive: Ich brauche Rat, ich brauche Hilfe, werden ganz viele Türen aufgemacht.
SWR: Hätten Sie das gern schon früher gewusst, zu Beginn ihrer Karriere?
Romy Hausmann: Ich hätte gern ein dickeres Fell gehabt. Weil ich sehr viele Dinge immer auf mich bezogen habe. Und das war einfach ein großer Fehler. Ich habe sehr viel Ablehnung, sehr viel Diskussion immer persönlich genommen. Ich dachte in dem Moment, mit mir stimmt was nicht. Ich hätte einfach gerne, so wie ich das heute machen kann, gesagt: Weißt du was, das bin ich, das möchte ich, lass uns darüber reden und Kompromisse finden.
SWR: Sie schreiben in ihren Romanen viel über Mutter-Kind-Beziehungen und unterdrückte Frauen. Verarbeiten sie dabei bewusst oder unbewusst Fragen der Gleichberechtigung?
Romy Hausmann: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, ich schreibe ganz oft über Mutter-Kind-Beziehungen, weil ich einfach Mutter bin, weil das die stärkste Bindung ist, die du im Leben haben kannst, das ist ein Teil von dir. Und weil es mich natürlich sehr reizt, Geschichten zu erzählen, die im engsten Umfeld stattfinden. Natürlich schreibe ich die Geschichten auch, weil ich sie selbst insofern nachvollziehen kann. Ich weiß nicht, ob ich, wenn ich nicht Mutter wäre, aus der Perspektive einer Mutter schreiben könnte.
SWR: Rund hundert Berufsanfängerinnen, Karrierefrauen oder Wiedereinsteigerinnen haben Ihnen heute auf dem Heilbronner Bildungscampus gebannt gelauscht. Mit Blick aufs moderne Berufsleben, wo würden Sie sagen, stehen wir momentan, was die Gleichberechtigung angeht, wo hakt es vielleicht noch?
Romy Hausmann: Es ist ein bisschen so ein Wechselspiel. Gerade weil wir vielleicht nicht ganz so oft nach vorne preschen wie die männlichen Kollegen, haben sich eben auch Firmenchefs und ganze Firmenstrukturen darauf eingerichtet. Dieses Wechselspiel muss man durchbrechen. Die Firmen werden das von sich aus nicht tun, weil es sich sehr bequem liegt und noch funktioniert. Das bedeutet, dass wir als Frauen nach vorne gehen müssen und diese Hürden, dass Männer bevorzugt werden und es die Gender-Pay-Gap gibt, durchbrechen.
SWR: Kann das auch umschlagen, dahin, dass Frauen sich zu viel Druck machen und sich überfordern, um alle Bereiche perfekt zu meistern?
Romy Hausmann: Es gibt auf jeden Fall sicher viele Kandidatinnen, bei denen das so ist. Wir Frauen neigen, glaube ich, auch zu den Extremen. Und da kann es schon sein, dass wir uns zu viel Druck machen. Aber ich glaube, sich einfach mal hinzustellen, ganz bewusst und zu überlegen: Wer bin ich, wo stehe ich, wo will ich hin. So gehts. Und dann ein bisschen auch auf das Leben vertrauen. Das Leben kennt den richtigen Zeitpunkt.
SWR: Ihr Leben hat sie zurück aus der bayerischen Landeshauptstadt in die baden-württembergische gespült. Jetzt wohnen sie etwas abseits von Stuttgart in der Natur. Wie verbunden sind Sie mit der Region?
Romy Hausmann: Letzten Endes verbinde ich damit nur Familie. Ich bin jemand, der sagt, mein Zuhause ist da, wo es zu meiner momentanen Lebensphase passt. Ich habe mir angewöhnt, einfach sehr flexibel zu sein und meine Lebenssituation immer der entsprechenden Lebensphase anzupassen. Und momentan ist das hier. Dadurch, dass mein Sohn noch zur Schule geht und ich die familiäre Anbindung habe mit meinen Eltern. Das ist echt wichtig und jetzt ist das schön und irgendwann ist es vielleicht wieder anders. Da darf man sich, glaube ich, einfach nicht so festbeißen.
SWR: Rückschläge - und davon hatten sie einige - machen einen ja bekanntlich stärker. Wie ist es mit dem Erfolg?
Romy Hausmann: Ich glaube, es passieren immer Dinge im 'Innen' und im 'Außen'. Und im 'Innen' bin ich sehr, sehr stabil für mich selbst. Das war ja ein langer Weg. Und das sind Dinge, über die staune ich, da staune ich wirklich drüber. Weil, das hätte ich mir ja nicht ausdenken können. Und ich möchte dieses Staunen nie verlieren. Die Dinge sollen nicht selbstverständlich werden. Mir ist es wichtig, Ich zu bleiben und mich als Mensch weiterzuentwickeln. Und zwar nicht in einer Form, wo irgendwann abgehoben bin oder die Relation nicht mehr kenne und denke, alle Dinge sind selbstverständlich, das möchte ich nicht. Und das, was im 'Außen' passiert, das habe ich nicht in der Hand. Da kann ich einfach nur sehr dankbar sein, dass andere Menschen das eben auch möglich machen. Ich kann immer nur meinen Anteil tun und den versuche ich so gut wie möglich zu machen.
SWR: Erst vergangenen Monat ist die Netflix-Serie zu ihrem Erfolgsthriller „Liebes Kind“ erschienen und hat unglaublich eingeschlagen. Waren Sie zufrieden mit der Umsetzung?
Romy Hausmann: Ja, ich finde, die Serie ist ganz toll umgesetzt. Man ändert immer Dinge zwischen Buch und Bewegtbild, das ist klar, aber ich hab da auch sehr viel Glück gehabt mit der Produktion, dass man sehr drauf eingegangen ist, was ich mir wünsche und was mir wichtig ist. Und das ist eben auch so ein Ding: Kommunikation! Also sich zu äußern und zu sagen: Ich habe in dem Bereich eine Sperre oder möchte das gerne anders haben. Man wäre erstaunt, wie oft man auf offene Ohren stößt.
SWR: Wie geht es danach nun weiter für Sie?
Romy Hausmann: Ich bleibe jetzt erst einmal da, wo ich bin. Ich lebe für meine Projekte und für mein Kind. Mir geht es momentan sehr, sehr gut. Ich habe tolle Ideen und ich freue mich natürlich auch, dass ich jetzt durch die Buchveröffentlichungen eine Stimme habe. Ich versuche, diese Stimme für gute Dinge einzusetzen. Ich glaube, das muss ich einfach weiter fortführen.
SWR: Verraten Sie uns noch, an welchem Projekt Sie momentan sitzen?
Romy Hausmann: Ich habe ein künstlerisches Projekt, das sehr, sehr aus dem Herzen kommt und das Anfang des nächsten Jahres fertig werden soll. Und ich schreibe natürlich auch wieder an einem neuen Thriller.
SWR: Worum geht’s da?
Romy Hausmann: Das verrate ich noch nicht :)