Bereits vor Jahrzehnten hätte auf den "Klingenäckern" in Heilbronn neuer Wohnraum entstehen sollen - doch der Baubeginn verzögert sich immer weiter. Ein Ende ist kaum in Sicht.
Siebeneinhalb Hektar, 90 Grundstücke, 124 Wohneinheiten - auf den "Klingenäckern" im Heilbronner Stadtteil Sontheim könnte jede Menge neuer Wohnraum entstehen. Wenn nicht immer wieder etwas dazwischen käme. Erst waren es alte Bunker, dann Zauneidechsen - jetzt wurden keltische und merowingische Kulturschätze gefunden. Die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer erheben schwere Vorwürfe gegen die Stadt.
Warten seit über vier Jahrzehnten
Wolfram Rudolph und seine Frau hatten sich das so schön vorgestellt. Als sie 1980 geheiratet haben, war ihnen klar: Bevor wir Kinder haben, werden wir auf den "Klingenäckern" bauen. Damals hatte die Stadt gerade die Planungen aufgenommen, das Gebiet zu erschließen. Die Kinder sind heute 35 und 40. Mittlerweile haben Rudolph und seine Frau woanders gebaut.
Auch Jasmin Schwarz ist das Warten längst satt. Sie hat ihr Grundstück von ihren Eltern. Im vergangenen Jahr hatte sie kurz Hoffnung, dass sie endlich bauen kann.
Bunker, Eidechsen und jetzt Kulturfunde
Doch der Reihe nach: Erst mussten unter dem Gebiet alte Bunker zugeschüttet werden, dann wurden seltene Zauneidechsen gefunden. Dann, nach fast 20 Jahren, hat die Stadt 2018 einen Bebauungsplan verabschiedet. Doch die Freude bei den Eigentümern war nur kurz: Jetzt sollen auch noch merowingische und keltische Funde ausgegraben werden, denn nebenan befanden sich eine Keltensiedlung und ein merowingischer Friedhof.
Der Knackpunkt: Laut Landesamt für Denkmalpflege wurde die Stadt schon 2004 darüber informiert. Warum wird erst jetzt was unternommen? Und noch etwas ärgert die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer: Sie sollen für die Ausgrabungen zahlen. Die Grundsteuer zahlen sie auch schon seit vergangenem Jahr, nur bauen dürfen sie nicht.
Kosten explodieren für viele
Dabei sah Anfang 2020 noch alles gut aus. Die Stadt sagte, nach den Sommerferien gehe es endlich los. Familie Unger hat daraufhin ihr Grundstück gekauft. Und das rächt sich jetzt: Der Kredit läuft. Die Baufirma wartet. Die Kosten explodieren.
So langsam machen sich die Ungers, beide um die 40, Sorgen, dass sie den Kredit bis zur Rente nicht abbezahlt bekommen. Denn wann es losgeht, könne ihnen niemand sagen, so Stefanie Unger.
Bürgerversammlung kann Differenzen nicht lösen
Am Dienstagabend gab es eine Bürgerversammlung im Ortsteil Sontheim mit Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD). Die Emotionen kochten hoch. Mergel appellierte, sachlich zu bleiben, konnte sich eigene Emotionen aber auch nicht immer verkneifen.
Hat die Stadt sich zu viel Zeit gelassen?
Auf die Vorwürfe, dass die Stadt schon seit 2004, also vor den Bunkerarbeiten und dem Eidechsenfund, von den Kulturschätzen im Boden wusste, darauf gingen die Verantwortlichen auf der Versammlung wenig ein. Sie wiederholten: Rechtliche Vorgaben und Fristen müssten eingehalten werden. Und: Erst 2020, als die Eidechsen umgesiedelt waren und die Erschließung beginnen sollte, sei der Stadt klar geworden, wie viele Schätze unter der Erde der "Klingenäcker" liegen.
Baubeginn erst 2023 - wenn überhaupt
2023 soll endlich gebaut werden. Jasmin Schwarz bleibt skeptisch. Sie will weiter Druck machen - und den Verantwortlichen ganz genau auf die Finger schauen.
Und gewartet haben die Grundstückseigentümer auf den Sontheimer "Klingenäckern" jetzt wirklich lange genug, kritisiert Schwarz.