Wenn es heiß wird, kann Wasser knapp werden. Und einzelne Landkreise rufen zum Sparen auf. Doch wie viel verbrauchen eigentlich Industrie und Landwirtschaft in Baden-Württemberg?
Baden-Württemberg ist laut Fachleuten ein wasserreiches Land. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg stellt anhand von Statistiken dar, wie sich die Grundwassermessstellen entwickeln. Das Bild: Zwar haben die meisten Messstellen durchschnittliche Grundwasserverhältnisse. Doch der Trend zeigt eher nach unten.
Denn die Grundwasserneubildung hat in Baden-Württemberg in den vergangenen 20 Jahren um 15 Prozent abgenommen. "Zudem ist insbesondere im Sommer mit einer deutlichen Temperaturzunahme, längeren Trockenperioden und häufigeren extremen Wetterereignissen wie Starkregen zu rechnen", so das baden-württembergische Umweltministerium. Um gerade in diesen Dürrephasen gegensteuern zu können, ist wichtig zu wissen, wer genau die größten Nutzer sind.
Drei Viertel der Grundwasserentnahme entfällt auf öffentliche Versorger
Ein Großteil des Trinkwassers in Baden-Württemberg speist sich aus dem Grundwasser. Damit macht die Trinkwasserversorgung auch den dicksten Anteil aus am gesamten Grundwasserverbrauch - rund drei Viertel. Das restliche Viertel entfällt auf die Unternehmen. Nur einen kleinen Teil des Grundwassers, drei Prozent, nutzt die Landwirtschaft.
Umweltministerium legt erstmals Zahlen zu industriellen Nutzern vor
Auf SWR-Anfrage legt das Umweltministerium erstmals Zahlen zu den größten industriellen Wassernutzern in Baden-Württemberg vor. Dazu wurden die Zahlen bei den zuständigen Land- und Stadtkreisen abgefragt. Sie genehmigen die Entnahme von Grundwasser.
Unter den 15 größten gewerblichen Grundwasserentnehmern sind in Baden-Württemberg vor allem Chemie- und Pharmafirmen. Spitzenreiter unter den industriellen Grundwassernutzern ist die Mineralölraffinerie Oberrhein (miro) in Karlsruhe. 2021 hat sie laut Umweltministerium 23,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen. Rein rechtlich dürfte sie noch mehr, nämlich 35 Millionen Kubikmeter Grundwasser im Jahr fördern. Das ist ungefähr so viel wie der Inhalt von 14.000 olympischen Schwimmbecken.
Miro bestätigt auf Anfrage die Menge und gibt an, für beide Werksteile insgesamt sogar noch mehr Grundwasser entnehmen zu dürfen, nämlich 41 Millionen Kubikmeter. Die entnommene Menge stimmt allerdings mit rund 24 Millionen Kubikmeter mit der Angabe des Umweltministeriums überein. Das Wasser werde in der Raffinerie zur Kühlung der Produktionsprozesse genutzt, als Speisewasser für Dampferzeuger sowie als Brauch- und Feuerlöschwasser für die Anlagen. Nach der Nutzung würde ein Teil des Wassers verdampfen, im wesentlichen aber - kontrolliert über die Abwasseranlage - in den Rhein abgegeben.
Höherer Wassercent als Anreiz zum Sparen
Unternehmen in Baden-Württemberg müssen pro Kubikmeter Grundwasser 5,1 Cent zahlen - ganz gleich, wie sie es verwenden. Wenn Unternehmen das Wasser aus Flüssen und Seen nutzen, müssen sie pro Kubikmeter anderthalb Cent bezahlen. Dabei dürfen sie es sowohl zur Kühlung als auch zur Produktion verwenden. Umweltverbände wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordern, dass Wirtschaftszweige höhere Abgabesätze zahlen sollten als Trinkwasser-Entnehmer, vor allem dann, wenn sie viel Wasser brauchen.
Dadurch könne eine Lenkungswirkung hin zu einem bewussterem Umgang mit der Ressource Wasser erreicht werden. Die Nationale Wasserstrategie der Bundesregierung sieht eine bundesweite Einführung von Wasserentnahmeentgelten vor, denn anders als Baden-Württemberg erhebt nicht jedes Bundesland Gebühren.
Wasserverbrauch in der Landwirtschaft wird wohl weiter steigen
Nico Goldscheider vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist als Hydrogeologe Grundwasser-Experte und lenkt den Fokus auch auf die Landwirtschaft. Er sehe keine katastrophalen Probleme. Aber man müsse im Auge behalten, ob die Landwirtinnen und Landwirte in Zukunft mehr Grundwasser brauchen.
Die Industrie nutze einen Großteil ihres Wassers zur Kühlung ihrer Anlagen und führe das dann wieder in die Flüsse zurück. Bei der Landwirtschaft verdunste das gegossene Wasser über die Pflanzen. Wasser, das in Baden-Württemberg gegossen wurde, komme nicht zwangsläufig auch hier wieder runter, so Goldscheider: "Sprich: Es ist erst mal weg."
Während weltweit rund 70 Prozent des entnommenen Wassers für die Landwirtschaft genutzt werden, sei dieser Anteil in Baden-Württemberg noch recht gering, hier liegt er gerade mal bei drei Prozent. Doch Grundwasser-Experte Goldscheider vermutet, diese Zahl ist unterschätzt. Auch beim Umweltministerium sieht man in Zukunft durch steigende Temperaturen einen erhöhten Bedarf der Landwirtschaft.
Denn wenn lange Zeit kein Regen fällt, brauchen viele Pflanzen Bewässerung. Wenn im Zuge der Klimakrise Dürreperioden zunehmen und die Landwirtschaft im großen Stil auf Bewässerung umstellt, könnte das ein Problem werden. Zudem zeigten "Klimaprognosen bis 2050, dass in manchen Teilen des Landes um bis zu 20 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet wird".
So sei das bereits in vielen anderen Regionen der Welt schon längst zu beobachten, mit Grundwasserabsenkungen von teils über 100 Metern. Goldscheider schlägt deshalb vor, in wasserreichen Zeiten verstärkt Wasser zu speichern, um es dann in Trockenzeiten zur Bewässerung zu nutzen.
Ariane Amstutz vom Landesbauernverband in Baden-Württemberg (LBV) sieht das zumindest für Getreide eher kritisch. Denn die Produktion würde sich kostentechnisch nicht mehr lohnen. Sie hält eher neue, hitzeresistentere Sorten für zukunftsweisend, um damit auf längere Hitzeperioden zu reagieren.
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Landwirte in Baden-Württemberg zahlen bislang nichts für Wasser
Ob die Landwirtschaft für ihre Wassernutzung zahlen sollte? Nico Goldscheider sieht das kritisch, denn Landwirtinnen und Landwirte versorgen mit Lebensmitteln. Je mehr die Produktion koste, desto höher steige der Lebensmittelpreis. Auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) lehnt den sogenannten Wassercent ab. Amstutz vom LBV nimmt an, dass mit einem Wassercent die heimische Produktion eher zurückgehen würde.
Goldscheider findet, eher sollte eine genehmigende Behörde unterscheiden, wofür das Wasser entnommen wird. Die Produktion von Lebensmitteln sollte Vorrang haben. Bioenergiepflanzen wie Mais in Monokulturen zu bewässern, sei dagegen eine sehr ineffiziente Nutzung und aus wasserwirtschaftlicher und ökologischer Sicht abzulehnen.
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