Fachleute raten, gegen die Grundsteuerbescheide Einspruch einzulegen. Noch fehlen viele Erklärungen, Steuerberater sind überlastet. Lohnsteuerhilfevereine dürfen aber hier nicht beraten.
In Baden-Württemberg landen derzeit die ersten Grundsteuer-Bescheide vom Finanzamt in den Briefkästen der Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer. Von Expertenseite wird geraten, dagegen Einspruch einzulegen. Wie Andrea Schmid-Förster vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg erklärt, erhält man zunächst den Grundsteuerwertbescheid. Die Berechnung der eigentlichen Grundsteuer erfolgt später auf der Basis dieses Bescheids. Doch Achtung: Einspruch einlegen kann man nur jetzt, innerhalb eines Monats nach Erhalt des Schreibens. "Es wäre zu spät, wenn man das erst im Jahr 2025 gegen den Grundsteuerbescheid der Kommune tut", sagt Schmid-Förster.
Im Augenblick liegen dem Finanzgericht Baden-Württemberg zwei Musterklagen gegen die neue Grundsteuer vor. Und so sagt auch Katja Bähtge, Vorstandsmitglied des Steuerberaterverbands Baden-Württemberg (DSTVBW) und selbst Steuerberaterin: "Wir werden aufgrund dieser anhängigen zwei Verfahren auf jeden Fall überall Einspruch einlegen und dann ein Ruhen des Verfahrens beantragen."
Drei Wochen nach Fristende fehlen noch hunderttausende Erklärungen
Dabei haben in Baden-Württemberg auch drei Wochen nach Ablauf der Frist längst nicht alle, die es müssen, ihre Grundsteuererklärung überhaupt abgegeben. Knapp 18 Prozent fehlen noch, wie das baden-württembergische Finanzministerium auf Anfrage mitteilte - also rund 800.000 Erklärungen. Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer tun sich oft schwer mit dem elektronischen Steuererklärungsportal ELSTER, weil es für sie zu kompliziert und benutzerunfreundlich ist. Die Grundsteuererklärung ist aber grundsätzlich digital abzugeben. Bleibt vielen also nur der Gang zur Steuerberaterin oder dem Steuerberater. Das Problem: Nicht wenige Kanzleien in Baden-Württemberg sind derzeit völlig überlastet und nehmen teilweise gar keine neue Mandantschaft mehr an.
Erhöhter Aufwand nicht nur wegen der Grundsteuer
Das bestätigt auch Katja Bäthge. Die Grundsteuer ist dabei ein Problem von vielen. "Seit 2020 gab es erst die Corona-Soforthilfe, dann viel Kurzarbeit, was auch zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, die Überbrückungshilfen, die Energiepreispauschale, die Inflationsausgleichsprämie", zählt sie auf. Das habe alles zu einem deutlichen Mehraufwand geführt. "Und mehr Mitarbeiter sind wir eher nicht geworden." Auch in ihrer Branche sei es unglaublich schwierig, qualifiziertes Personal oder auch Auszubildende zu bekommen, sagt Bäthge.
Lohnsteuerhilfevereine dürfen laut Gesetz nicht unterstützen
Wer hier theoretisch helfen könnte, sind die Lohnsteuerhilfevereine. Aber eben nur theoretisch. Denn laut Steuerberatungsgesetz ist ihnen die Beratung im Bereich Grundsteuer nicht erlaubt. So ist auf der Internetseite der Lohnsteuerhilfe Ludwigsburg zu lesen: "Nach dem Willen des Gesetzgebers dürfen Lohnsteuerhilfevereine, im Gegensatz zu Steuerberatern und Hausverwaltern, diesbezüglich nicht beratend tätig werden." Dabei wäre der Bedarf da, erklärt Marco Griebenow, der den Verein in Ludwigsburg leitet. "Wenn ich mit Steuerberatern spreche, ob sie noch Mandanten aufnehmen, dann sagen die, dass sie komplett voll sind". Die Menschen, die noch die Grundsteuererkärung machen müssen, stünden dann "im Regen". Gerade Ältere seien häufig mit der Aufgabe überfordert und würden sich an den Lohnsteuerhilfeverein wenden, bei dem sie auch ihre Einkommenssteuererklärung machen lassen. Dass den Vereinen hier aber die Hände gebunden sind, stoße bei den Hilfesuchenden "auf großes Unverständnis", so Griebenow.
Bundesfinanzministerium müsste tätig werden
Da das Steuerberatergesetz ein Bundesgesetz ist, müsste das Bundesfinanzministerium hier tätig werden. Ein Erlass oder eine Verfügung würde schon helfen, so Griebenow. Oder eben eine Gesetzesänderung. Die kann aber bekanntlich dauern. "Das müsste man dann für das nächste Mal andenken", sagt Andrea Schmid-Förster vom Bund der Steuerzahler BW. "Wir werden uns ja bald wieder damit beschäftigen müssen". Denn die Grundsteuererklärung müsse alle sieben Jahre neu abgegeben werden. Es sei denn, die Finanzverwaltung bekomme es in absehbarer Zeit hin, alles elektronisch zu erfassen - dann wären keine Erklärungen mehr notwendig. "Sie sagen immer, sie würden sich bemühen, aber es ist nicht gesichert, dass das zum nächsten Mal dann auch wirklich funktioniert", so Schmid-Förster.
Absurd findet es der studierte Steuerrechtler Griebenow aus Ludwigsburg, dass Hausverwaltungen im Gegensatz zu den Lohnsteuerhilfen durchaus die gesetzliche Befugnis haben, bei den von ihnen betreuten Immobilien bei der Grundsteuer zu helfen. "Man muss sich vorstellen, Hausverwalter haben ja im Regelfall überhaupt keine steuerliche Ausbildung." Dagegen hätten Beratungsstellenleiter der Lohnsteuerhilfe durchweg eine solche Ausbildung und müssten sogar mindestens drei Jahre Berufserfahrung aufweisen, bevor sie eine Beratungsstelle eröffnen dürften.
Wo Grundsteuerpflichtige Hilfe finden
Was sollen denn nun aber Menschen in Baden-Württemberg tun, die ihre Grundsteuererklärung noch abgeben müssen, mit ELSTER nicht klarkommen und kein Steuerberaterbüro finden, das ihnen hilft? "Auf jeden Fall nicht den Kopf in den Sand stecken und denken, das erledigt sich von selbst", sagt Andrea Schmid-Förster vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg. Irgendwann würde es nämlich Druck geben von Seiten der Finanzverwaltung. Auf der Homepage des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg gebe es sehr viel Informationsmaterial, das weiterhelfe.
Von Seiten des Finanzministeriums heißt es auf SWR-Anfrage, aktuell befände man sich noch in der Kulanzphase. "Voraussichtlich noch im ersten Quartal wird das Finanzamt eine Erinnerung rausschicken." Werde die Erklärung bis zur Erinnerung abgegeben, seien keine negativen Folgen zu befürchten. Wer mit ELSTER nicht klar käme, könne Angehörige bitten, das zu übernehmen - oder in besonderen Fällen die Erklärung mittels eines offiziellen Papier- oder PDF-Vordrucks abgeben. Die gibt es bei den Finanzämtern. Informationen dazu findet man auch auf der Seite des Finanzministeriums. Und wer dann immer noch nicht klar komme, könne sich bei seinem zuständigen Finanzamt melden. "Dann findet sich eine Lösung", so das Ministerium.