Bei den bundesweiten Vergleichsarbeiten VERA 3 zeigten auch Drittklässler in Baden-Württemberg deutliche Defizite. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der soziale Hintergrund.
Zu viele Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg erreichen nicht die Mindeststandards für den Grundschulabschluss beim Lesen, in der Rechtschreibung sowie in Mathematik. Das ergibt laut einer Mitteilung des baden-württembergischen Kultusministeriums die Auswertung der bundesweiten Vergleichsarbeiten VERA 3. Demnach erreichten mehr als 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler aus den dritten Klassen beim Lesen und in Mathematik nicht die Mindeststandards für den Grundschulabschluss, in der Rechtschreibung waren es 34 Prozent.
Kinder aus bildungsfernen Familien brauchen Hilfe
Außerdem ist demnach der Bildungserfolg noch immer stark vom sozialen Hintergrund abhängig. So erreichten 52 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die aus bildungsfernen Elternhäusern kommen, den Mindeststandard im Bereich Lesen nicht. Unter den Schülerinnen und Schülern aus privilegierten Elternhäusern verfehlten hingegen mit zehn Prozent deutlich weniger den Mindeststandard.
Die Unterrichtseinschränkungen während der Corona-Pandemie spielten bei der Vera-Studie eine gewisse Rolle, sagte ein Ministeriumssprecher. An den Vergleichsarbeiten hatten im April und Mai 2022 bundesweit rund 89.000 Grundschülerinnen und Grundschüler der dritten Jahrgangsstufe teilgenommen.
Schopper: Schulen sollen Probleme gezielt angehen
"Wir wollen, dass alle Kinder ihr Potenzial unabhängig von ihrer Herkunft entfalten können", ließ sich Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) in der Mitteilung zitieren. Auch die Leistungsunterschiede zwischen Kindern mit deutscher und einer anderen Alltagssprache seien noch zu groß. Noch gebe es unter denjenigen Schülerinnen und Schülern, die im Alltag nicht Deutsch sprechen, erheblich mehr, die den Mindeststandard verfehlen. Es sei daher wichtig, Lesen, Schreiben und Rechnen in den Mittelpunkt der Förderung zu stellen, so Schopper. Die Kultusministerin forderte alle Schulen dazu auf, sich die Ergebnisse genau anzusehen und entsprechende Defizite beim Lesen, Schreiben und Rechnen gezielt mithilfe des Förderprogramms "Starke BASIS!" anzugehen.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, schon wieder stelle eine Studie fest, dass die Bildungsqualität in unserem Land am Boden sei. "Die Situation wird immer unerträglicher", sagte er. "Der Bildungsnotstand ist bereits voll da." Die SPD-Bildungspolitikerin Katrin Steinhülb-Joos erklärte, die grün-schwarze Landesregierung habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht: "Wir brauchen keine Problembeschreibung mehr, sondern eine Landesregierung, die mit Überzeugung die Herausforderungen an unseren Schulen anpackt."
Studie vom Oktober: Jeder fünfte Viertklässler kann nicht richtig lesen
Erst im Oktober war eine Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) veröffentlicht worden, derzufolge ähnliche Probleme bei Viertklässlerinnen und Viertklässlern in Baden-Württemberg bestehen. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern lagen die Kinder aus Baden-Württemberg beim Lesen auf Rang neun, beim Zuhören sogar nur auf Platz elf. In beiden Bereichen erreichten nur 57 Prozent der Kinder aus Baden-Württemberg die sogenannten Regelstandards, ein Fünftel schaffte nicht einmal die Mindeststandards.
Mehr zum Bildungsdefizit bei Grundschülern
Bildung in Baden-Württemberg Kommentar zur Bildungspolitik: "Nachsitzen, Herr Kretschmann!"
Der BW-Ministerpräsident hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, sagt SWR-Redakteur Knut Bauer. Seit Jahren sei das Land in allen Bildungsrankings abgerutscht - und noch immer tue sich zu wenig.