Kann Özdemir den Kretschmann-Erfolg bei der Landtagswahl wiederholen? Selbst bei den Grünen gibt es Zweifel. Kretschmann hält das für wenig hilfreich.
Als erster Grüner hatte Freiburgs Ex-Oberbürgermeister Dieter Salomon Ende Juli große Zweifel an den Erfolgsaussichten eines möglichen Spitzenkandidaten Cem Özdemir bei der Landtagswahl 2026 geäußert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (auch Grüne) kritisierte nun den Parteifreund dafür: "Die Äußerung ist nicht hilfreich. Man muss ja nicht alles sagen, was einem so durch den Kopf geht", sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir sei "ein in der Wolle gefärbter Schwabe", der nicht auf Vorbehalte stoße.
Salomon hält Özdemirs "türkische Wurzeln" für möglichen Nachteil
Salomon hatte im neuen SWR-Videopodcast "Zur Sache intensiv" gesagt, Özdemir sei zwar ein sehr beliebter und erfahrener Politiker. "Aber ich habe schon Bedenken, ob er über die grüne Kernklientel hinaus so viel Stimmen kriegen kann, wie das Winfried Kretschmann getan hat."
Salomon stellte auch infrage, ob die Menschen in Baden-Württemberg einen Politiker mit türkischen Wurzeln als Regierungschef wollen. Er stelle sich die Frage: "Wenn man Cem Özdemir heißt, ist das - glaube ich - in Stuttgart und Freiburg kein Problem. Weil das interessiert niemanden, dass er türkische Wurzeln hat."
Aber Baden-Württemberg sei ein konservatives Land, und er wisse nicht, wie alle Leute hier so ticken, so Salomon. "Ich würde mich im Interesse von Cem, dem ich das gönnen würde, gerne täuschen. Aber ich glaube, das ist nicht so einfach, wie sich manche Grüne das vorstellen." Özdemir ist in Bad Urach (Kreis Reutlingen) geboren, seine Eltern waren aus der Türkei eingewandert.
Kretschmann hält Einwände nicht für wahlentscheidend
Kretschmann betonte am Dienstag dagegen: Wenn Özdemir auf Vorbehalte stoße, dann nur bei Menschen, die sowieso nie die Grünen wählen würden. Er zeigte sich sicher: "Das sind keine wahlentscheidenden Fragen." Özdemir sei in Bad Urach geboren, schwätze Schwäbisch. "Mehr geht nicht." Der Bundesminister könne es mit den Leuten in Baden-Württemberg.
Der 58-jährige Özdemir gilt als klarer Favorit auf die Spitzenkandidatur der Grünen für die Landtagswahl 2026. Als Gegner wird CDU-Landesparteichef Manuel Hagel (36) gehandelt.
Salomon hatte noch erklärt, wenn die BW-Grünen in Umfragen bei 30 Prozent und die CDU bei 25 Prozent lägen, hätte Özdemir Gewinnchancen. "Aber die Umfragen sind ja ganz anders, und da würde ich schon sagen: Es ist schon sehr schwierig", sagte der Ex-OB, der Vorsitzender des Normenkontrollrats BW ist. In Umfragen liegt die BW-CDU seit Anfang des Jahres mit 32 Prozent zehn Punkte vor den Grünen von Ministerpräsident Kretschmann.
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