Für Drogenabhängige ist Substitution, bei der sie Tabletten als Ersatz für illegale Drogen bekommen, oft die letzte Rettung. Aber es gibt immer weniger Ärzte für diese Therapie.
Für Drogenabhängige ist es schwer, von der Sucht loszukommen. Eine Substitution, bei der sie Tabletten als Ersatz für illegale Drogen bekommen, ist oft das Einzige, das sie vor dem körperlichen Verfall und aus der kriminellen Beschaffung retten kann. Dafür sind niedergelassene Ärzte notwendig, die die Substitution in ihrer Praxis anbieten. Aber davon gibt es immer weniger. Es droht vor allem in ländlichen Regionen eine eklatante Versorgungslücke, mahnen Experten.
Erst einmal: Alkohol- und Drogentest
Vassily F. aus Singen kommt in die Suchtambulanz des Zentrums für Psychiatrie ZfP Reichenau im Kreis Konstanz und muss erst einmal pusten. Ein Alkoholtest, um nachzuweisen, dass er keinen Alkohol getrunken hat. Einen Drogentest in Form eines Spucktests muss er auch noch machen. Vassily F. ist 39 Jahre alt, dunkle Haare, schlank, er wirkt sportlich. Einmal pro Woche geht er in die Suchtambulanz für seine Drogenersatztherapie, die er seit fünf Jahren macht.
Mit 16 Jahren heroinsüchtig
Vassily F. bekommt das Wochen-Rezept für seine Tabletten, mit denen er seine Sucht in Schach halten kann. Er war schon mit 16 Jahren heroinabhängig, später schwer alkoholkrank. Er sagt, die Substitutionstherapie habe sein Leben gerettet. Er wird betreut von der Suchtmedizinerin Verena Klauser am ZfP Reichenau. Sie sagt, dass es für die Patienten wichtig sei, wegzukommen von der Beschaffungskriminalität und sich körperlich sowie psychisch zu stabilisieren.
Seit zehn Jahren clean
Eine weitere Patientin an diesem Vormittag ist Melona Lehmann. Auch sie kommt aus dem 25 Kilometer entfernten Singen nach Konstanz, um sich Medikamente und ihr Wochen-Rezept abzuholen. Sie ist 50 Jahre alt, hat zwei Kinder. Ihr Wunsch: Stabil bleiben mit der Ersatztherapie und irgendwann eine Arbeit finden.
Für Melona Lehmann wäre es einfacher, wenn sie an ihrem Wohnort in Singen den wöchentlichen Arztbesuch erledigen könnte. Sie weiß auch von anderen Betroffenen, dass es viel zu wenig Substitutionsärzte gibt.
Für die Suchtmedizinerin Verena Klauser liegt der Mangel an auch daran, dass Substitutionsärzte eine Weiterbildung machen müssten. Zudem seien die Regeln zur Vergabe und Verordnung der Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz(BtMG) sehr streng geregelt, es gebe viel Bürokratie.
Viele Ärzte hätten Bedenken, weil sie Suchtkranke für ein schwieriges Klientel hielten. Verena Klauser sagt aber, dass es in ihrer Suchtambulanz keine Probleme mit Kriminalität oder Gewalt gebe.
Sozialministerium: Pakt für Substitution
Der Mangel an Substitutionspraxen ist ein bekanntes Problem. Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat bereits im Jahr 2019 einen "Pakt für Substitution“ mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und vielen Sozialverbänden geschlossen. Obwohl sich die Vergütung für die Ärzte und die rechtlichen Regelungen verbessert hätten, bleibe die Situation aber weiter angespannt, heißt es aktuell aus dem Sozialministerium.
Projekt: Substitutionstherapie per Telemedizin
In der Suchtambulanz des ZfP Reichenau möchten die Verantwortlichen mit einem neuen Telemedizin-Projekt Abhilfe schaffen. Ärzte sollen sich per Video zu ihren Patienten schalten. Aber das ist Neuland in der Suchtmedizin, und es muss noch rechtlich und finanziell geregelt werden.
Für Patienten wie Vassily F. und Melona Lehmann ist es gut, für ihre regelmäßigen Arztbesuche eine Praxis in der Nähe zu haben. Sie wünschen sich vor allem eines: Zuverlässige Hilfe, damit sie nie mehr in die Abhängigkeit illegaler Drogen geraten.