Mehrere Kommunen am Bodensee planen, Seethermie für die Wärmeversorgung zu nutzen. Auf der deutschen Seite könnte Meersburg die erste Stadt sein, die mit Bodenseewasser ein Nahwärmenetz betreibt.
In einigen Kommunen am Bodensee gibt es Pläne, künftig mit Bodenseewasser zu heizen, also die sogenannte Seethermie zu nutzen. Die Stadt Meersburg (Bodenseekreis) könnte am deutschen Bodenseeufer die erste Kommune werden, die mit der Gewinnung von Wärmeenergie aus dem Bodensee ein eigenes Nahwärmenetz betreibt.
Bodenseewasser aus bis zu 40 Meter Tiefe
Bis zu 150 Häuser sollen mit Wärme aus dem See geheizt werden, teilten das Stadtwerk am See und die Stadt Meersburg in der vergangenen Woche mit. Dazu wollen der Energieversorger und die Stadt eine gemeinsame Gesellschaft gründen. Bei der sogenannten Seethermie wird Wasser aus 20 bis 40 Meter Tiefe aus dem Bodensee entnommen und über eine Leitung in eine Energiezentrale geführt. Diese Zentrale soll neben der Therme in Meersburg entstehen.
In einem sogenannten Wärmetauscher gibt das Seewasser die Wärme an einen zweiten Wasserkreislauf ab. Das Seewasser wird dann etwas kühler und unbelastet zurück in den See geleitet. Im zweiten Wasserkreislauf wird die gewonnene Wärme mit Wärmepumpen auf Heiztemperatur gebracht und über das Wärmenetz an die angeschlossenen Gebäude verteilt.
Therme soll ab 2027 durch Seewasser beheizt werden
Voraussichtlich 2027 könnte als erstes Gebäude in Meersburg die Therme auf diese Art beheizt werden. Danach sollen laut Andreas Bachmaier vom Stadtwerk am See weitere Gebäude folgen. Bereits jetzt stehe fest, dass etwa das Staatsweingut Meersburg, die benachbarte Schule und das Schloss dazu gehören werden. Die Seethermie hätte einen besonderen Vorteil, sie würde die Stadt unabhängiger von fossilen Energien machen.
Zudem sei die Energieform auch günstiger. In Meersburg gebe es zudem einige Vorteile gegenüber der Wärmepumpe. Die bräuchte Platz an den Wänden und sei außerdem laut.
Wissenschaftler hält Seethermie für unbedenklich
Für den Bodensee wäre die Wasserentnahme für die Seethermie auch kein Problem, meint Martin Wessels vom Institut für Seenforschung in Langenargen (Bodenseekreis). Denn das Wasser soll nach dem Heizen sogar etwas kühler zurück in den See fließen.
Wenige Risiken für den Bodensee
Es werde jedoch nicht so viel Wärme aus dem See entnommen, dass sich der See merklich abkühle, so Wessels. Etwas anderes sei es, wenn das Seewasser nicht zum Heizen, sondern zum Kühlen genutzt werde, wie etwa in den Gebäuden der Universität Konstanz. Dann bestünde die Gefahr, dass zu viel warmes Wasser zurückgeleitet würde und dieses den See weiter aufheizen könnte. Bei der Seethermie sieht Wessels nur geringe Risiken. Zum Beispiel, wenn Frostschutzmittel, die gegen die Vereisung der Wasserrohre eingesetzt werden, doch einmal in den Bodensee gelangen würden.
Weitere Kommunen planen mit Seethermie
Meersburg ist nicht die einzige Kommune, die derzeit plant, Seethermie zu nutzen. In Bregenz sollen bereits ab 2025 das Hallenbad und das Festspielhaus mit Seewasser beheizt werden. Weitere Gebäude in der Innenstadt könnten laut den dortigen Stadtwerken später ebenfalls an das Wärmenetz angeschlossen werden. Im Thurgau will etwa zeitgleich die Gemeinde Gottlieben Seewärme nutzen. Auch in weiteren Gemeinden rund um den Bodensee gibt es Pläne für die Nutzung von Seethermie.
CO2-neutrale Energie aus dem Bodensee Seethermie-Projekt in Gottlieben schreitet voran
Der Kanton Thurgau möchten den Bodensee und den Rhein als Energiequellen nutzen. Die Gemeinde Gottlieben könnte dabei schon bald mit CO2-neutraler Wärme versorgt werden.
Die Städte Konstanz und Kreuzlingen prüfen eine Zusammenarbeit bei der Seethermie. Laut den Stadtwerken Konstanz soll nächsten Monat das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie vorgestellt werden. In der Schweiz, beispielsweise in St. Moritz, werde Seethermie schon lange genutzt, sagt Wessels vom Institut für Seenforschung. Auch in Friedrichshafen hätte das Graf-Zeppelin-Haus schon in den 1980er-Jahren eine Seethermieanlage genutzt und damit eine Vorreiterrolle übernommen.
Man hätte dann aber lieber die günstigere Gasenergie genutzt statt das Seewasser. Mittlerweile habe sich die Lage geändert. Der Gaspreis würde, auch wegen der CO2-Steuer, weiter steigen, so Wessels. Daher sei Seethermie eine gute und umweltfreundliche Alternative.
Werbung bei Bürgerinnen und Bürgern für Seethermie
Bis zur Umsetzung der Seethermieprojekte wird es teilweise noch einige Jahre dauern. In Meersburg beispielsweise denkt Andreas Bachmaier eher im Zeitraum von zehn Jahren, bis etwa 150 Häuser ans Wärmenetz angeschlossen sein werden. Außerdem müsse noch bei Bürgerinnen und Bürgern dafür geworben werden, dass sie sich ans Wärmenetz anschließen. Genügend Abnehmer bräuchte das Projekt, damit sich Millioneninvestitionen auch rechnen. Bachmaier ist überzeugt von der Technik. Es gebe beim Stadtwerk am See auch bereits Pläne, Seewärme in den Städten Friedrichshafen und Überlingen zu nutzen.