Um Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen, sollten sich Vereine am Bodensee verstärkt mit dem Thema befassen. Das fordert der Kreis. Die Zahl der gemeldeten Fälle ist zuletzt gestiegen.
Der Bodenseekreis ruft Vereine dazu auf, sich mehr mit dem Thema "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder" zu beschäftigen. Die Vereine sollen Schutzkonzepte entwickeln. Gerade in Vereinen müssten Kinder und Jugendliche vor Übergriffen verstärkt geschützt werden. Aber es gehe auch darum, dass Ehrenamtliche erkennen, ob Kinder im privaten Umfeld Missbrauch erleben. Wie das gelingt, darüber hat der Bodenseekreis zusammen mit der Beratungsstelle Morgenrot Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen aus dem ganzen Kreis am Donnerstagabend informiert. Die Zahl der Fälle ist zuletzt angestiegen.
In Deutschland sind laut polizeilicher Kriminalstatistik täglich im Schnitt etwa 40 Kinder und Jugendliche von sexualisierter Gewalt betroffen, so das Landratsamt. Um Vorfälle zu verhindern, müssten Erwachsene für das Thema sensibilisiert werden und wissen, welche Anlaufstellen im Ernstfall helfen. Dabei können sogenannte Schutzkonzepte helfen.
Schutzkonzept: Führungszeugnis, Vertrauenspersonen und Leitbild erstellen
Die Konzepte sollten die Werte des Vereins in einem Leitbild zusammenfassen. Außerdem sollen die im Verein tätigen Personen zum Beispiel durch ein Führungszeugnis qualifiziert werden. Welche Verhaltensweisen, Umgangsweisen und Haltungen nicht im Verein geduldet werden, soll klar benannt werden. Auch ein Notfallplan wird in einem Konzept festgelegt. Jeder Verein muss dies selbst für sich verfassen.
Schon vor Jahren hat der Turn- und Sportverein Mühlhofen (Bodenseekreis) ein solches Konzept verfasst, erklärt Vereinsvorsitzender Karl Duck. Es beinhalte beispielsweise, dass bei Einzeltrainings immer die Tür offen bleibe. Außerdem hat der Verein Vertrauenspersonen bestimmt, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können. Das stehe alles im Leitbild des Vereins. Er hoffe, dass noch mehr Vereine im Bodenseekreis ein solches Schutzkonzept erstellen, so Duck. Das betreffe nicht nur Sportvereine.
Zahl von sexualisierter Gewalt steigt aus mehreren Gründen
Für den gesamten Bodenseekreis ist die Fachberatungsstelle "Morgenrot" eine erste Anlaufstelle. Sie berät bei vermutetem und aufgedecktem sexuellem Missbrauch und unterstützt bei den nächsten Schritte. Zuletzt seien die Fallzahlen von sexualisierter Gewalt im Bodenseekreis gestiegen, sagt Iris Gerster von der Beratungsstelle Morgenrot. Das habe mehrere Gründe. Zum einen sei die Fachberatungsstelle nach fünf Jahren Bestehen mittlerweile recht bekannt und Betroffene würden sich immer öfter an sie wenden, so Gerster.
Zum anderen seien die Kinder und Jugendlichen nach der coronabedingten Pause wieder vermehrt im öffentlichen Raum unterwegs, also in Kindergärten, Schulen und Vereinen. Auch Fälle aus der Pandemiezeit würden nun zeitverzögert gemeldet.
Wichtig sei, bei einem Verdachtsfall dem Kind zu glauben. Betroffene berichteten in der Beratung oft, dass sie sich schämten und Angst hätten, niemand glaube ihnen, erklärt Gerster. Es sei daher besser, einmal zu viel als zu wenig um Hilfe zu bitten. "Morgenrot" berate auch anonym. Sowohl Angehörige, Betroffene als auch ehrenamtlich Tätige aus Vereinen könnten sich bei Fragen melden.