Die Mitarbeitenden der Oberschwabenklinik in Ravensburg geben alles für die Patienten - ein anstrengender Alltag wie am Fließband. Kann die Krankenhausreform daran etwas ändern?
Eine Woche ist es her, dass Anni Kleinherne ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Sie war immer müde und wollte permanent trinken. Verdacht auf Diabetes 1, der Kinderarzt schickte sie sofort in die Oberschwabenklinik. Ein Schock, als der Verdacht hier bestätigt wird.
Doch schon ein paar Tage später hat die 13-Jährige ihr Schicksal angenommen. Wie selbstverständlich sticht sie sich in den Finger, um den Blutzucker zu messen. "Der darf nicht zu hoch sein", weiß sie bereits - und sie weiß auch: Wenn sie isst und nicht spritzt, geht der Wert hoch. Viel zu hoch, und das ist gefährlich. Fast routiniert greift sie sich unters T-Shirt, schiebt eine Bauchfalte zusammen, und die Insulinspritze sitzt.
Wie gut, dass die Klinik in der Nähe ist
Annis Mutter, Mirva Kleinherne, ist immer an ihrer Seite. Sie schlafen im gleichen Zimmer, essen zusammen - und lernen zusammen, wie das Leben mit Diabetes zu schaffen ist. Denn der Umgang mit der Stoffwechselstörung ist komplex. Hier muss die ganze Familie Bescheid wissen.
Warum in der Kinderklinik die Eltern wichtig sind
Abends nach der Arbeit schaut auch der Vater vorbei. Eine gute halbe Stunde braucht er mit dem Auto, es sind 45 Kilometer nach Hause. "Es ist sehr, sehr wichtig, dass das Krankenhaus in der Nähe ist", betont die Mutter, "sonst wäre es unmöglich. Wir haben pflegebedürftige Schwiegereltern im Haus. Da können wir nicht hunderte Kilometer fahren." Denn regelmäßige Klinikbesuche gehören für Anni und sie auch in Zukunft zum Alltag.
Auf der Kinderstation werden die Patienten im Doppelpack betreut - die Patientenkinder mit ihren Eltern. Denn wie die Kinder müssen auch die Eltern begleitet und aufgefangen werden. Bei chronisch kranken Kindern gilt es, die Eltern regelrecht auszubilden, denn nur so kommen sie später auch zu Hause zurecht. Für die Pflegekräfte ist das eine besondere Herausforderung.
Pflege im Krankenhaus wie am Fließband
Nach dem Dienst, beschreibt Pflegeleiterin Regina Borsutzky, sei sie k. o. und frage sich immer: "Haben wir uns ausreichend Zeit nehmen können mit den Eltern? Haben wir alles gemacht, was wir uns vorgenommen haben?" Oft klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander: "Selbstverständlich bleibt vieles auf der Strecke, selbst wenn wir uns im Team helfen."
Dass vor allem die Kinder so schnell wechseln, bringt Stress ins System. "Die sind oft nach zwei, drei Tagen schon wieder draußen. Entsprechend schnell müssen wir sie durch alle nötigen Untersuchungen durchschleusen." Früher war das anders, erinnert sich Regina Borsutzky. Vor fast 40 Jahren hat sie den Beruf der Kinderkrankenschwester erlernt. "Damals blieben die Kinder mit Blinddarmentzündung 14 Tage im Krankenhaus", sagt sie.
Hoffen auf die Krankenhausreform
Doch obwohl die Kinder nur kurz bleiben und es ja schon längst nur noch wenige große Kinderkliniken gibt - die Finanzierung der Kinderklinik ist ein Dauerproblem. Beispiel Kinder-Intensivstationen: "Sie rechnen sich einfach nicht", erklärt Andreas Artlich, der Chefarzt der Klinik für Kinder und Jugendliche unter dem Dach der Oberschwabenklinik: "Weil die ganzen Vorhaltungen - zum Glück - im Notfall und bei Lebensgefahr doch nicht so oft gebraucht werden." Was Artlich optimistisch stimmt: Das neue Krankenhaus-Gesetz werde genau solche "Vorhaltungen" in Zukunft "sauber finanzieren". Das sei ein großer Vorteil.
Security-Personal in der Notaufnahme
Denise Hummler ist eher skeptisch, was die Krankenhausreform angeht. Vor allem in ihrem Arbeitsbereich, der Notaufnahme. Seit neun Jahren arbeitet die Pflegerin in dieser Station. Sie lacht gerne, obwohl sie täglich den geballten Frust von Patienten und Angehörigen abkriegt. Besonders aggressiv werde es, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind: "Wir haben hier rund um die Uhr Security-Personal. Ohne die würde es nicht gehen. Und auch die Polizei kommt immer schnell."
Denise Hummler wirkt abgeklärt, wenn sie erzählt, dass sie versuche, die Beschimpfungen nicht an sich heranzulassen. Teilweise hat sie sogar Verständnis für die Patientinnen und Patienten: "Viele finden nicht einmal mehr einen Hausarzt. Und dann landen sie hier und müssen lange warten. Das ist ein Riesenproblem." Denn für die Menge an Patienten fehlt es auch hier an Personal. "Schauen Sie doch mal auf unserer Internet-Seite, welche Stellen da ausgeschrieben sind", sagt Hummler. "Wir suchen Pfleger, Ärzte, medizinische Fachangestellte. Wir suchen alles."
Zweifel an der Krankenhausreform
Stresstage sind der Normalfall geworden. Trotzdem liebt Denise Hummler ihren Job in der Notaufnahme. So gehe es den meisten hier. "Es ist im Grunde unser Zuhause. Wir hoffen halt, dass sich die Zeiten ändern." Doch die Reform biete nichts, was den Beruf attraktiver machen könnte, sagt die Pflegerin. Besonders fehle ihr das Zwischenmenschliche, die Gespräche mit den Patienten. Eigentlich sei sie nur mit Abarbeiten beschäftigt. Ihr Resümee klingt plötzlich bitter: "Es ist Akkordarbeit wie in der Industrie."
Anni und ihre Mutter haben nach dieser Woche großen Respekt vor der Arbeit der Pflegekräfte. Diese sind ihre Retter in der Not. Von ihnen haben sie gelernt, für jede Scheibe Brot und für jeden Apfelschnitz die Kohlenhydrate auszurechnen. Mit viel Zeit und Geduld. Ohne diese Hilfe wüssten sie nicht, wie sie das Leben mit Diabetes bewältigen sollten. Denn zu Hause müssen sie ohne Krankenpflegerin zurechtkommen.
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