In Wangen war die Baumwollspinnerei ERBA fast 130 Jahre wichtiger Arbeitgeber, das Gelände eine Stadt vor der Stadt. Nun ist es Teil der Landesgartenschau und das zugehörige Museum ein "Besuchermagnet".
Auf dem Gelände der Landesgartenschau in Wangen im Allgäu (Kreis Ravensburg) ist Anfang Juni das ERBA-Museum eröffnet worden. Laut Veranstaltern ist es bereits jetzt ein Besuchermagnet der Schau geworden. Es zeigt mit vielen Exponaten, Fotos und Filmen die Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei ERBA. Die ERBA hatte für Wangen eine große Bedeutung, war als weltweit exportierendes Unternehmen technologisch über viele Jahrzehnte führend.
ERBA-Museum: Ehemalige Mitarbeiter bewahren Geschichte
Das neue Museum wird vom Förderverein ERBA-Museum getragen. 2012 haben sich im Verein vor allem ehemalige ERBA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammengeschlossen, um das Erbe der ERBA zu bewahren und ihre Geschichte vom Beginn 1863 bis zum Ende 1992 aufzuarbeiten. Sie sammelten Objekte, Geschichten, Fotos, Quellenmaterial. Nun wird das alles im ERBA-Museum professionell präsentiert.
Und der Museumsbau selbst ist museal, er ist im ehemaligen Turbinenhaus untergebracht. Dort, wo früher die Wasserkraft für die Spinnerei erzeugt wurde. Es ist eines der ältesten Gebäude auf dem ehemaligen Industrieareal, errichtet 1860. In den hohen weiten Räumen wird nun die Geschichte der ERBA präsentiert. Zu sehen sind viele technische Geräte, historische Webmaschinen, Turbinen. Viele Exponate lassen aber auch den Alltag und das Sozialleben der Arbeiter und Arbeiterinnen lebendig werden.
Irina Leist, Kuratorin der Ausstellung, spricht auch deshalb von einer Art Parallelgesellschaft, die sich damals entwickelt habe. So gab es in Wangen zwar bereits einen städtischen Gesangs- und Theaterverein - die ERBA hatte aber jeweils ihren eigenen. "Es gibt viele Beispiele dafür, dass es so eine Art eigene Stadt vor der Stadt war."
ERBA-Arbeiterinnen aus Portugal und Italien in Wangen
Die erste Baumwollspinnerei-Fabrik wurde 1863 vor den Toren der Stadt eröffnet, womit die moderne Industriegeschichte in Wangen begann. Das Unternehmen wurde immer wieder vergrößert und umgebaut, neue Gebäude und Hallen kamen dazu. 1898 beispielsweise wurde ein neues Spinnereigebäude gebaut, neue Maschinen angeschafft und auf elektrischen Antrieb mit Strom aus einem Kraftwerk bei Bregenz umgestellt. 1913 wurde eine Weberei gebaut, um die in der Spinnerei erzeugten Garne zu verarbeiten. Die Arbeiterinnen und Arbeiter kamen aus ganz Deutschland, Südtirol, Portugal und Italien. Für sie wurden eigene Siedlungen gebaut mit eigener Infrastruktur unter anderem mit einem Lebensmittelladen, einer Kinderkrippe und einem Altersheim.
Nonnen aus dem Kloster Untermarchtal unterstützen junge Arbeiterinnen
Viele Frauen arbeiteten bei der ERBA: Um aus dem Trentino (Norditalien) stammende junge Frauen zu betreuen, wurden Ordensschwestern aus dem Kloster Untermarchtal (Alb-Donau-Kreis) nach Wangen geholt. Bald weitete sich der Einsatzbereich der Nonnen aus: Die Vinzentinerinnen unterhielten auf dem Industriegelände unter anderem ein Mädchenheim und eine Säuglingsstation, später übernahmen sie auch Krankenpflege und häusliche Arbeiter-Fürsorge im Quartier.
Dass Nonnen im Einsatz waren, stellt eine Besonderheit für Wangen dar, so Stadtarchivar Rainer Jensch. Insgesamt aber könne man an der Entwicklung der ERBA - vom Beginn 1863 bis zum Fall, dem Konkurs 1992 im Zuge der Globalisierung - deutsche Industriegeschichte ablesen.
Über die Geschichte der ERBA kann man sich im neuen Museum auf dem Gelände der Landesgartenschau informieren. Außerdem haben Stadtarchivar Rainer Jensch und Pressesprecherin Susanne Müller die Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei und -weberei im Buch "Die ERBA in Wangen im Allgäu. Von der Baumwollspinnerei zur Landesgartenschau" aufgearbeitet.
ERBA-Gelände: Von der Brache zu Landesgartenschau
1992 ging die ERBA in Konkurs, die Werkstore wurden endgültig geschlossen. Das Gelände lag brach, Gebäude wie Hallen oder Arbeiterwohnungen verfielen. Bis nun die große Lösung mit der Landesgartenschau kam. Das Areal wurde mit verschiedenen Investoren und Fördermitteln komplett neu erschlossen, alte Häuser abgerissen, neue gebaut. Es entstanden Wohnungen und Gewerbebetriebe, im Grunde ein neuer Stadtteil.
Stadtarchivar Rainer Jensch spricht von einer wunderbaren Transformation - von der Baumwollspinnerei zur Landesgartenschau. "Dass nach einer Zeit, wo dieses Gelände so lange brachgelegen ist, jetzt mit Hilfe der Landesgartenschau etwas Großartiges entstanden ist, das hat mich sehr beeindruckt", sagt Jensch. Alle seien nun froh über die Lösung. "Das ist doch ein Traum, und das wird später in den Geschichtsbüchern auch so stehen."
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