In Immenstaad jährt sich der Traditionsmarsch der Hennenschlitter anlässlich der Seegfrörne. Vor 60 Jahren am 8. Februar zogen die Narren über den zugefrorenen Bodensee ans gegenüberliegende Schweizer Ufer.
Eine Ausstellung in Scherzingen in der Schweiz erinnert an die Seegfrörne von 1963 und eine närrische Seeüberquerung. Damals marschierten Mitglieder der Narrengesellschafft Hennenschlitter aus Immenstaad (Bodenseekreis) über das Eis nach Münsterlingen im Kanton Thurgau. Um dort - so war es der Überlieferung nach üblich - symbolisch den "Zehnten" bei der Obrigkeit abzugeben. Mit ihrem Marsch knüpften die Immenstaader nicht nur an eine alte Tradition an. Seit der Seegfrörne pflegen die Narren ein freundschaftliches Verhältnis mit der Narrenclique Hechtler Münsterlingen. SWR-Reporterin Tina Löschner hat zwei Männer getroffen, die 1963 dabei waren:
Die Seegfrörne vor 60 Jahren war ein Jahrhundertereignis. Wochenlang war es bitterkalt, Anfang Februar 1963 war der Bodensee schließlich komplett zugefroren. Die ersten Mutigen machten sich zu Fuß oder auf Schlittschuhen auf den Weg über das Eis ans Schweizer Ufer. Am 8. Februar trauten sich auch ein paar Narren aus Immenstaad. Darunter Berthold Meichle.
24 Hennenschlitter auf dem zugefrorenen Bodensee unterwegs
Der heute 84-jährige Meichle studierte damals in Freiburg. Als seine Mutter aus Immenstaad anrief und ihm vom zugefrorenen See erzählte, packte er seine Schlittschuhe ein und fuhr heim an den Bodensee. Am 8. Februar machte sich Meichle, der auch Hexenvater bei den Hennenschlittern war, mit 23 anderen Narren auf den Weg über den See ins schweizerische Münsterlingen.
Mit Hennen und Schnaps auf dem Schlitten unterwegs
Seit 1664 war es üblich, dass von den Bauern jeweils der Zehnte - also Steuern in Form von Naturalien - an das Kloster Münsterlingen abgegeben werden musste, unter anderem auch Hühner. Das geschah oft zur Fastnachtszeit, so dass die Abgabe der "Fasnetshennen" auch verbunden war mit der Bitte, Fastnacht feiern zu dürfen. In früheren Wintern, wenn der See zugefroren war, erfolgte die Lieferung des Zehnten auf direktem Weg mittels Schlitten über das Eis. Diese Tradition nahmen die Hennenschlitter 1963 wieder auf - auch wenn es damals natürlich keinen "Zehnten" mehr gab. Das Hennenschlitterlied erinnert an alte Zeiten:
Und so wie im Hennenschlitterlied beschrieben wurde es am 8. Februar 1963 gemacht: Der Schlitten gepackt mit Hennen, Eiern, Speck und Schnaps. Die Narren zogen los, gesichert an einem langen Seil und im Häs. Bei ihrer Ankunft am Schweizer Ufer wurden die Immenstaader gebührend empfangen und gefeiert.
Nach der großzügigen Bewirtung im Gasthof Hecht kehrten die Hennenschlitter wieder über den See nach Hause zurück, begleitet von einer kleinen Schar von Münsterlingern.
Rauschendes Fest mit Schweizer Begleitern
Nach Immenstaad zurückbegleitet wurden die Hennenschlitter unter anderem von dem Schweizer Rolf Bader, damals 21 Jahre alt. Der Weg über das Eis sei uneben gewesen, ganz vorsichtig sei man gegangen. Und ein bisschen mulmig sei es ihm gewesen, erzählt er.
Die Rückkehr der Hennenschlitter wurde auch in Immenstaad gefeiert. Bader erinnert sich an einen denkwürdigen Abend im Seehof und ein rauschendes Fest. Erst am nächsten Morgen kehrten die Münsterlinger wieder über den See nach Hause zurück. Im Jahr danach gründeten sie auch eine Narrenvereinigung - die Hechtler. Das war der Beginn einer bis heute intensiv gepflegten Freundschaft.
Ausstellung zum Traditionsmarsch der Hennenschlitter
Die Ausstellung in der Bächlihalle in Scherzingen am Schweizer Bodenseeufer blickt zurück auf die Seegfrörni, wie die Schweizer sagen, und den Traditionsmarsch der Hennenschlitter: Mit Fotos, Texten und Gegenständen. Bei der Eröffnung am Mittwoch kommen auch Zeitzeugen der Seegfrörni zu Wort. Beginn ist um 19:30 Uhr, die Ausstellung ist bis 22. Februar mittwochs und am Wochenende zu sehen.