Lange Entscheidungsprozesse, hohe Kosten: Probleme, die aus Sicht der FDP entstehen, wenn der Landtag zu groß ist. Eine Wahlrechtsreform soll das in Baden-Württemberg ändern.
Der Landtag von Baden-Württemberg ist aufgebläht: 120 Abgeordnete sind vorgesehen, aktuell sitzen aber 154 Volksvertreter und -vertreterinnen im Landesparlament. Mit ihrem Gesetzesvorschlag zur Reform des Wahlrechts will die FDP das ändern und die Zahl der Wahlkreise deutlich verringern. Sie bekommt Unterstützung von Expertinnen und Experten.
Das Problem: Mehr Parteien als früher schaffen es in den Landtag - und die Kandidatinnen und Kandidaten gewinnen heute nicht mehr mit 50 Prozent oder mehr Stimmen ihren Wahlkreis, sondern eher mit 30 Prozent. Dadurch entstehen mehr Überhang- und Ausgleichsmandate.
Bei 70 Wahlkreisen kommt da ganz schön viel zusammen, kritisiert Joachim Behnke, Politikwissenschaftler von der Zeppelin Universität Friedrichshafen: "Wenn ich statt 50 Prozent als Partei nur noch 30 Prozent habe, haben wir also zwei Möglichkeiten." Entweder man sage, eine Partei, die 30 Prozent gewonnen hat, bekomme weniger Mandate. "Oder wir sagen, wir blähen den Landtag entsprechend auf, damit sie mit den 30 Prozent immer noch genauso viele Mandate bekommt wie mit den 50 Prozent."
FDP will weniger Wahlkreise
Der Politikwissenschaftler unterstützt den FDP-Vorschlag, die Wahlkreise von 70 auf 38 zu reduzieren. Das entspräche dem Wahlkreiszuschnitt bei den Bundestagswahlen. Damit vergrößert sich aber der Wahlkreis, den ein Abgeordneter betreuen muss, entgegnen SPD, Grüne und CDU.
Arnulf Freiherr von Eyb ist für die CDU im Landkreis Hohenlohe im Landtag und kann sich so eine Änderung nur schwer vorstellen: "Ich betreue 15 Gemeinden. Und ich wüsste nicht, wie ich das fertig bringen sollte, den Gemeinden zukünftig zu sagen, wenn der Wahlkreis doppelt so groß wird: 'Tut mir leid, ich kann nur alle drei Jahre zur Feuerwehr kommen, oder nur alle vier Jahre in einen Kindergarten oder in eine Schule'."
Die Antwort des Sozialwissenschaftlers Edgar Wunder vom Verein "Mehr Demokratie": Bürgernähe habe nichts mit der Größe eines Wahlkreises und der Präsenz vor Ort zu tun. "Bürgernähe entsteht durch ganz andere Faktoren. Dass Bürger selber mitreden, mitentscheiden können, also zum Beispiel bei einer Volksabstimmung. Insofern ist dieses Repräsentationsprinzip in gewissem Sinne eine Fiktion."
Landtag könnte noch weiter wachsen
Prognosen für die kommenden Landtagswahlen stellen weiteren Zuwachs im Parlament in Aussicht. 200 oder gar 210 Abgeordnete könnten 2026 in den Landtag einziehen, wenn nichts passiert. Genau das ist das Problem, stellt Politikwissenschaftler Behnke fest:
"Das Problem ist natürlich hier, dass das Parlament in eigener Sache entscheidet", sagt Behnke. Diejenigen, die von diesem Missstand profitierten, seien gleichzeitig diejenigen, die eine Entscheidung treffen müssten, um ihn abzuschaffen. "Das ist naturgemäß schwer zu erzielen."
Auch die FDP würde leiden
Die FDP würde selbst unter ihrer Wahlrechtsreform leiden sagt ihr Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Er findet, es dürfe nicht um die eigenen Pfründe gehen. Seine Botschaft an Kolleginnen und Kollegen im Landtag: "Leute, gebt euch einen Ruck."
Dass ihr Gesetzesvorschlag im Landtag keine Mehrheit haben wird, ist für die FDP jetzt schon klar. Aber sie hat einen Plan B: Ein Volksbegehren mit dem gleichen Ziel.