Auch in Baden-Württemberg haben Erdogan-Anhänger dessen Wahlsieg mit Autokorsos gefeiert. Dabei blieb es nicht immer friedlich. Es gab Verletzte und Sachbeschädigungen.
Am Sonntagabend haben zahlreiche Anhängerinnen und Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in den Straßen mehrerer baden-württembergischer Städte dessen Wahlsieg gefeiert. Unter anderem in Stuttgart, Mannheim, Böblingen und Heilbronn gab es Straßenpartys und Autokorsos.
Dabei kam es auch zu Zwischenfällen - in Stuttgart sogar zu einer Messerstecherei. Nach Angaben der Polizei griff eine Gruppe von Menschen ein Auto an, das in einem Korso mitfuhr. Es folgte eine Auseinandersetzung, bei der drei Menschen durch Messerstiche verletzt wurden - einer davon schwebte kurzzeitig in Lebensgefahr. Die Polizei ermittelt wegen des Verdachts der versuchten Tötung. Wie sie weiter mitteilte, fuhren mindestens 150 Fahrzeuge im Autokorso in Stuttgart mit, einige davon wurden mit Flaschen und Steinen beworfen. Insgesamt nahm die Polizei 13 Strafanzeigen auf.
In Mannheim kam es laut Polizei zu Provokationen und "vereinzelt auch körperlichen Auseinandersetzungen" mit Passanten. Teilweise seien auch Polizistinnen und Polizisten beworfen worden, der Polizei seien aber keine Verletzten bekannt. Ermittelt wird den Angaben zufolge wegen eines Videos in den sozialen Medien. Es zeige einen Mann, der augenscheinlich mit einer Schusswaffe in einem Cabrio sitze.
Verkehr in Böblingen teilweise lahmgelegt
Auch aus Böblingen meldete die Polizei spontane Zusammenkünfte und Autokorsos. Auf dem Parkplatz eines Discounters hätten sich mehr als 200 Menschen mit Fahrzeugen versammelt, vereinzelt sei auch Pyrotechnik gezündet worden. Der Verkehr sei stellenweise komplett lahmgelegt worden.
In Ulm feierten laut Polizei etwa 100 bis 150 Menschen den Wahlsieg Erdogans. Sie durften mit ihrem Autokorso zunächst den Altstadtring befahren, der dann aber ab 21 Uhr gesperrt wurde. Daraufhin seien Teilnehmende zu Fuß in Begleitung der Polizei in Richtung Innenstadt gezogen.
Anzeigen wegen Lärmbelästigung Autokorso in Ulm nach Wahlsieg Erdogans
Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan haben am Sonntagabend in Ulm mit einem Autokorso den Wahlsieg gefeiert. Die Polizei musste einschreiten.
Özdemir kritisiert Autokorsos von Erdogan-Anhängern
Der baden-württembergische Grünen-Politiker und Bundesagrarminister Cem Özdemir kritisierte das Wahlverhalten und die Feiern der Erdogan-Sympathisanten deutlich. In seinem Twitteraccount schrieb er, hiesige Erdogan-Anhänger müssten für die Folgen dieser Wahl nicht einstehen - viele Menschen in der Türkei durch "Armut und Unfreiheit" aber schon. In einem weiteren Post heißt es, die Autokorsos seien keine Feiern harmloser Anhänger eines etwas autoritären Politikers. "Sie sind eine nicht zu überhörende Absage an unsere pluralistische Demokratie & Zeugnis unseres Scheiterns unter ihnen. Übersehen geht nicht mehr."
Bayaz: "Rückkehr zur Demokratie verwehrt"
Auch Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) übte Kritik an den Erdogan-Anhängern im Land. "Autokorsos auf deutschen Straßen, die den Wahlsieg von Erdogan feiern. Wie bitter muss sich das für die 50 Prozent der Menschen in der Türkei anfühlen, die sich nach Rückkehr zu Demokratie, Rechtsstaat und Meinungsfreiheit sehnen - und ihnen genau das von Wählern aus Deutschland verwehrt wird", fragte er auf Twitter.
BW-Landtagspräsidentin Aras sieht "Wunsch nach Freiheit"
Baden-Württembergs Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) sagte mit Blick auf die Wahlfeiern, man könne gerne feiern, dürfe aber auf keinen Fall andere angreifen oder belästigen. Den Wahlkampf in der Türkei bezeichnete Aras als unfair. Dafür seien 48 Prozent für die Opposition beachtlich. "Der Wunsch nach Freiheit, nach Demokratie, nach Rechtsstaatlichkeit - das zeigen diese 48 Prozent", so Aras. Deutschland müsse jetzt von Staatspräsident Erdogan und der Türkei fordern, dass Prinzipien wie Menschenrechte und Pressefreiheit eingehalten werden, erklärte Aras.
Das Ergebnis müsse akzeptiert werden, sagt Gökay Sofuoglu, der Landesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg. "Je mehr sich die deutsche Politik stigmatisierend über die Wähler und Wählerinnen von Erdogan äußert, desto entschlossener gehen die Leute zur Wahl. Das muss die Politik zum Nachdenken bringen".
Macit Karaahmetoglu (SPD), Bundestagsabgeordeneter aus dem Wahlkreis Ludwigsburg, erklärt den Wahlausgang in der Türkei unter anderem so: Viele Menschen hätten sich im Vorfeld der Wahl über Medien informiert, die Erdogan kontrolliert. Und: Viele Türken fühlten sich in Deutschland ausgegrenzt und diskriminiert. "Ihre Antwort ist Erdogan, der ihnen das Gefühl der Stärke gibt", so Karaahmetoglu.
Enttäuschung bei Oppositionsanhängern
Im Rennen um das Präsidentschaftsamt in der Türkei hat sich Amtsinhaber Erdogan gegen den Kandidaten der Opposition, Kemal Kilicdaroglu, durchgesetzt. Erdogan hat bei der Stichwahl rund 52 Prozent der Stimmen erhalten, sein Kontrahent rund 48 Prozent, wie die türkische Wahlbehörde am späten Sonntagabend mitteilte.
Als sich zu Beginn des Abends die Niederlage für den Oppositionsführer Kilicdaroglu abzeichnete, zeigten sich die Anhängerinnen und Anhänger seiner CHP skeptisch. "Das Volk entscheidet. Aber was da die Zahlen zeigen, das glaube ich nicht", sagte etwa Özkan Öztürk auf der Wahlparty der CHP Nordbaden in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis). "Er gewinnt wieder, aber mit Klauen", sagte auch Necla Yilderim in Anspielung auf Erdogan.
Erdogan triumphiert - Kilicdaroglu "zutiefst traurig"
Der Amtsinhaber von der islamisch-konservativen AKP hatte sich bereits vor dem Ende der Auszählung zum Sieger erklärt. Der wahre Wahlsieger sei die Türkei, so Erdogan in Istanbul. Das Ergebnis sei ein Auftrag für eine Fortsetzung seiner Präsidentschaft. Sein Gegner Kemal Kilicdaroglu räumte die Niederlage am Abend nur indirekt ein. Er sagte: "Ich bin zutiefst traurig angesichts der Schwierigkeiten, die das Land erwarten."
Aus Deutschland gratulierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Erdogan via Twitter zu seinem Sieg. "Deutschland und die Türkei sind enge Partner und Alliierte - auch gesellschaftlich und wirtschaftlich sind wir stark miteinander verbunden. Gratulation an Präsident Erdogan zur Wiederwahl", schrieb er.
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Höhere Wahlbeteiligung in BW als in der ersten Runde
Deutschlandweit hatten nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 67,4 Prozent der Wahlberechtigten für Erdogan gestimmt. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis in Deutschland lagen am Montag noch nicht vor.
Von den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Baden-Württemberg hatte gut die Hälfte, rund 126.000 Menschen, bei der Wahl ihre Stimme abgegeben. Laut den Zahlen, die der "Deutschen Welle" vorliegen, lag die Wahlbeteiligung damit bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen etwas höher als bei der ersten Runde vor zwei Wochen.
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