Die Reaktionen in Baden-Württemberg sind gemischt. SPD-Landeschef Stoch lobt, Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut (CDU) fordert Tempo und der Ministerpräsident hat Redebedarf.
Nach den Beschlüssen der Ampelkoalition in Berlin zu Erleichterungen angesichts hoher Energiepreise hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die rasche Einberufung einer Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt. Das Entlastungspaket habe massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte, sagte der Grünen-Politiker am Sonntag dem SWR. Deswegen müssten die Länder darüber dringend mit dem Bund sprechen.
Entlastung um 65 Milliarden Euro geplant
Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP will Bevölkerung und Unternehmen um weitere 65 Milliarden Euro entlasten. Das wurde am Sonntagvormittag bekannt gegeben. Geplant hat die Bundesregierung unter anderem Einmalzahlungen an Rentnerinnen, Rentner und Studierende, eine Kindergelderhöhung sowie eine Entlastung mittlerer Einkommen. Zudem verständigte sich die Koalition darauf, das zum 1. Januar geplante Bürgergeld auf rund 500 Euro zu erhöhen. Das Bürgergeld soll Hartz IV ablösen. Ferner soll es eine Wohngeldreform geben.
Wirtschaftsministerin fordert Konkretisierung
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) lobte die Maßnahmen: Dafür sei es höchste Zeit, denn "der Druck durch die Preissteigerungen spitzt sich zu", so die Ministerin. Sie mahnte aber an, die teils "noch sehr vage formulierten Maßnahmen" schnellstmöglich zu konkretisieren - speziell im Sinne des Mittelstandes.
Dörflinger: "Schlag ins Gesicht"
Deutlich harscher fiel die Reaktion von Thomas Dörflinger (CDU) aus, dem verkehrspolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion: "Die Ampelregierung aus SPD, Grüne und FDP hat dem ländlichen Raum wieder einmal die kalte Schulter gezeigt", ließ sich der CDU-Fraktionsvize in einer Pressemitteilung zitieren. "Für viele Pendlerinnen und Pendler, die auf das Auto angewiesen sind und den ÖPNV wegen einem unzureichenden Angebot gar nicht nutzen können, ist das Entlastungspaket ein Schlag ins Gesicht", so Dörflinger. Sie hätten nach Auslaufen des Tankrabatts eine Nachfolgelösung erwartet.
Bayaz: "Hätte mir tragfähige Lösung für Gaspreise gewünscht"
BW-Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) geht das Maßnahmenpaket nicht weit genug. Er kritisierte bei Twitter den fehlenden Fokus auf diejenigen, "denen es an die Substanz geht." Demnach hätte er sich "eine tragfähige Lösung für explodierende Gaspreise" gewünscht.
SPD-Landeschef Andreas Stoch lobte das Entlastungspaket und dankte Bundeskanzler Scholz (SPD) dafür. Er bezeichnete es auf Twitter als richtiges Signal, "dass diejenigen unterstützt werden, die es aus eigener Kraft nicht schaffen."
VdK Heilbronn zeigt sich zufrieden
Frank Stroh, der Heilbronner Kreisverbandsvorsitzende des Sozialverbands VdK, sieht in den Beschlüssen die "sozial Schwachen und Minderverdienenden Deutschlands" berücksichtigt. Im SWR zeigte er sich allerdings skeptisch, ob diese dann auch alle umgesetzt würden.
Nahverkehrsticket könnte für Streit mit den Ländern sorgen
Außerdem ist die Bundesregierung bereit, den Ländern für ein bundesweites Nahverkehrsticket jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zu zahlen, "wenn die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen", teilte die Ampel-Koalition mit. Ziel sei ein Ticket im Rahmen von etwa 49 bis 69 Euro pro Monat.
In diesem Punkt könnte es zum Streit mit den Ländern kommen. Denn sowohl Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) als auch Kretschmann hatten bereits in der vergangenen Woche signalisiert, dass sich das Land nicht an einem Nachfolger für das 9-Euro-Ticket beteiligen will. Sie sehen die Verantwortung dafür bei der Bundesregierung.
ÖPNV ab September So geht es nach Ende des 9-Euro-Tickets weiter
Busse und Bahnen waren in den vergangenen drei Monaten, dank 9-Euro-Ticket, für viele Menschen um einiges attraktiver. Jetzt geht es allerdings zurück zum alten Flickenteppich.
Auch am Sonntag beharrte Hermann auf seiner Position, zeigte sich jedoch gleichzeitig verhandlungsbereit gegenüber der Bundesregierung: "Ein bundesweit gültiges, einfaches und preiswertes Ticket ist gut, wenn zugleich die Basisfinanzierung des Öffentlichen Verkehrs, die Regionalisierungsmittel, erhöht werden", sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Andernfalls würden wir Fahrgäste in einen ÖPNV locken, dessen Angebot wegen drastischer Kostensteigerungen abgebaut werden muss", so Hermann.
Verkehrsminister tagen am 19. September
Die Länder müssen der Finanzierung des neuen Nahverkehrstickets noch zustimmen. "Bund und Länder werden jetzt gemeinsam ein Konzept für ein bundesweites Ticket entwickeln, das ist der richtige Weg", sagte Hermann weiter. Über die Ausgestaltung und Kosten werde man verhandeln. Eine Entscheidung könnte bei der Sonderkonferenz der Verkehrsminister am 19. September fallen.