Nach den Sommerferien beginnt am Montag für 1,5 Millionen Schüler und ihre Lehrer in Baden-Württemberg wieder der Unterricht. Nach wie vor fehlt es im Land an Lehrkräften.
Nach sechs Wochen Sommerferien geht an den Schulen in Baden-Württemberg wieder der Alltag los. Vor allem an den Grundschulen ist dabei die Schülerzahl deutlich gewachsen. Nach Schätzungen des Statistischen Landesamts werden gut 111.000 Schulanfängerinnen und -anfänger eingeschult.
Wegen der steigenden Geburtenzahlen und der zusätzlichen Kinder aus vor allem ukrainischen Geflüchtetenfamilien verzeichnen die Grundschulen 15.000 Schülerinnen und Schüler mehr als noch im vergangenen Schuljahr. Es müssen 500 neue Klassen gebildet werden.
565 unbesetzte Lehrerstellen in BW
Dabei fehlen gerade an den Grundschulen noch Lehrkräfte. Zwar gab es nach Angaben des Kultusministeriums hier mehr als 1.000 Neueinstellungen, es sind aber immer noch 120 Lehrerstellen unbesetzt. Insgesamt sind an den 4.500 Schulen in Baden-Württemberg 565 Stellen offen - immerhin weniger als im Vorjahr.
Damals waren es rund 890. An den Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen fehlen noch 135 Lehrkräfte. Deutlich besser ist die Situation an den Gymnasien: Dort sind vor Schulbeginn nur noch fünf Stellen vakant.
Dennoch bleibe die Situation angespannt, so Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne). Besonders im Großraum Stuttgart, in der Rhein-Neckar-Region sowie im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb fehlen demnach Lehrkräfte. Bildungsverbände haben bereits vor dem Schulstart heftige Kritik an der Lehrerversorgung geübt. Die Gewerkschaft GEW befürchtet wegen der fehlenden Lehrkräfte Unterrichtsausfälle.
Lehrerbedarf im Bereich der Region Tübingen
Auch im Bereich des Regierungspräsidiums Tübingen wird der Lehrermangel die Schulen im neuen Schuljahr beschäftigen. "Wir sind weder euphorisch noch depressiv", sagte Regierungspräsident Klaus Tappeser (CDU) dem SWR. Die Zahlen seien zufriedenstellend, so Tappeser weiter, aber es herrsche nach wie vor ein großer Bedarf an Lehrkräften.
Dabei ist der Lehrermangel ein bundesweites Problem: Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" berichtete, fehlten laut einer Umfrage unter den Kultusministerien der 16 Bundesländer im laufenden Schuljahr insgesamt 14.466 Lehrer und Lehrerinnen. Damit sei die Zahl der unbesetzten Stellen seit einer vergleichbaren Umfrage von Januar um 2.125 gestiegen.
Lesekompetenz in Grundschulen soll geprüft werden
Das neue Schuljahr bringt auch neue Aufgaben: Nach den schlechten Ergebnissen in Bildungsstudien wird es an Grundschulen in den zweiten Klassen erstmals eine sogenannte Lernstandserhebung zur Lesekompetenz geben. Die Erhebung "Lernstand 2" ist zunächst freiwillig, soll künftig aber Pflicht werden. Außerdem wird eine weitere Vergleichsarbeit in der vierten Klasse eingeführt.
Mit dem "Kompass 4", der ebenfalls zunächst freiwillig ist, sollen Lehrkräfte und Eltern zusätzlich zur Grundschulempfehlung Hinweise zum Leistungsstand des Kindes bekommen. Im vergangenen Jahr hatte eine Studie des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) gezeigt, dass Viertklässler in Baden-Württemberg zunehmend Probleme beim Lesen und Zuhören haben. Fast jedes fünfte Kind schafft die Mindeststandards in Deutsch und auch in Mathematik nicht.
Eine weitere Neuerung: Die Schulen im Land müssen mit Beginn des neuen Schuljahres ein sogenanntes digitales Schuldatenblatt ausfüllen. Die Schulaufsicht erhält so für jede Schule Daten darüber, wie viele Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Klassen sind, wie viel Unterricht ausgefallen ist oder wie hoch die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im Vergleich zum Landesschnitt sind.
ver.di fordert frühere Ganztagsbetreuung an Grundschulen
Zum Schulstart forderte die Gewerkschaft ver.di die Landesregierung dazu auf, bereits jetzt die Weichen für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an den Grundschulen ab 2026 zu stellen. "Das Land muss jetzt die Schlussfolgerungen aus der Kitakrise ziehen und damit das absehbare nächste Drama für Kinder und Eltern im Ganztag an den Grundschulen verhindern", so die stellvertretende ver.di-Landesbezirksleiterin Hanna Binder.
Wenn der Rechtsanspruch ab 2026 greife, würden die gleichen Kinder und Eltern den Preis für die Versäumnisse der Politik bezahlen müssen, die jetzt in der Kitakrise die Hauptleidtragenden seien, sagte Binder.
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