Die AfD ist für Christen unwählbar, so sehen es die Kirchen. Dabei sitzen AfD-Sympathisanten auch in ihren Gottesdiensten. Ist die Positionierung der Kirchen richtig?
Die AfD ist für Christinnen und Christen nicht wählbar, eine AfD-Kandidatur mit einem Kirchenamt nicht vereinbar: So sehen es die katholischen Bischöfe in Deutschland. Ihre Position erläutern sie in einer Erklärung, die sie im Februar 2024 zum Ende der Frühjahrsvollversammlung veröffentlicht haben. Ein Paukenschlag, denn erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik bezeichnen die Bischöfe eine im Bundestag vertretene Partei als unwählbar.
"Eine solche Partei zu wählen, bedeutet, sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land zu stellen", begründet Bischof Georg Bätzing die Entscheidung.
Sollte Kirche sich politisch positionieren?
Aber soll und darf sich die Kirche politisch positionieren? Und: Schließt sie damit nicht Mitglieder aus? Schließlich stimmten bei der Europawahl im Juni 14,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Baden-Württemberg für die AfD. Und im September versammelte die Partei bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sogar ein Drittel der Wählerstimmen auf sich.
Als einer der ersten hat Pfarrer Gerd Möller aus der Kirchengemeinde Weil am Rhein im März 2024, kurz nach der Erklärung der Bischöfe Konsequenzen gezogen und die Arbeit mit einer Ehrenamtlichen in katholischen Kindergärten seiner Gemeinde beendet, weil sie bei der Kommunalwahl auf Listenplatz drei der AfD kandidierte.
"Die Frau hat sich entschieden, für eine Position einzutreten, die wir einfach nicht mit Arbeit in den Kindergärten verbinden können, wo wir 28 verschiedene Nationen in einem Kindergarten haben", begründet Pfarrer Möller seine Entscheidung und betont: Er habe nicht gegen die Person votiert, sondern gegen die von ihr vertretenen Positionen.
Es sei ihm wichtig, ein klares Zeichen zu setzen. "Die katholische Kirche steht einfach für ein Menschenbild, das jeden Menschen annimmt in seiner Form, wie er von Gott erschaffen wird, das ist die Grundlage. Und diese Geschöpflichkeit Gottes wird in der AfD für verschiedene Personen ausgeschlossen."
Geschichtliche Verantwortung der Kirchen
Bei dieser Entscheidung habe ihm die Erklärung der Bischöfe geholfen: "Diese klare Sicht zu haben, zu sagen: Wir müssen uns positionieren, auch aus unserer geschichtlichen Verantwortung, weil es schon einmal eine Zeit gab, wo man im Nachhinein sagt, die Kirche hat geschwiegen. Da war ich sehr dankbar für das klare Wort."
Damit bezieht sich Pfarrer Gerd Möller auf das Ende der Weimarer Republik, als mit der NSDAP der Nationalsozialismus groß wurde und die katholischen und evangelischen Kirchen im Land teils mit dem NS-Regime kooperierten.
Der Landesbischof der evangelischen Kirche Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, sieht das ähnlich. Gerade er als Vertreter der Landeskirche Württemberg müsse Stellung beziehen: "In Stuttgart wurde immerhin das Stuttgarter Schuldbekenntnis verfasst, nach 1945, wo die Kirchen beklagt haben, dass sie viel zu spät Widerspruch angemeldet haben."
Meinung: Katholische Kirche in Weil am Rhein zeigt konsequent klare Kante
Er beobachte mit Sorge, dass der rechtsextreme Flügel der AfD in den vergangenen Jahren immer stärker geworden ist. Für gefährlich halte er es auch, wenn demokratische Institutionen aus dem Umfeld der AfD verbal angegriffen würden, so Ernst-Wilhelm Gohl, denn das zerstöre das Vertrauen in die Demokratie und den Rechtsstaat.
"In unserem Rechtsstaat mit dem Grundgesetz in der Verantwortung vor Gott sieht man dann auch die Menschenwürde verankert. Das finde ich fatal, indem man einfach unsere Institutionen schlecht redet."
Organisation "Christen in der AfD" kann Haltung der Kirchen nicht nachvollziehen
Joachim Kuhs, EU-Abgeordneter für die AfD in den Jahren 2019-2024 und Vorsitzender der Organisation "Christen in der AfD", kann die Haltung der Kirchen nicht nachvollziehen. "Wir vertreten eindeutig das Menschenbild, dass jeder Mensch von Gott gewollt und geliebt ist und jeder Mensch seine Würde trägt und das ändert überhaupt nichts, wo er herkommt und wie alt ist und ob er krank, ob er sonst irgendeine Behinderung oder sonst was. Bei uns gibt es keine Hasspredigten. Es gibt immer einzelne Leute, aber die haben Sie in jeder Partei, die irgendwo mal übers Ziel hinausschießen und irgendetwas sagen, was nicht in Ordnung ist. Und die werden bei uns rausgeworfen."
Auch Flüchtlinge seien bei der AfD willkommen - solange es echte Flüchtlinge seien, die vor politischer Verfolgung und Krieg fliehen. "Migranten, also Menschen, die hierherkommen, ohne einen triftigen Grund zu haben, sind verpflichtet auszureisen. Und es passiert nichts und die werden weiterhin von uns versorgt und durchgefüttert. Und da setzt die eben diese Kritik bei uns an, und da wird uns jetzt vorgeworfen, wir sind nicht christlich. Was hat das damit zu tun?"
Selbstverharmlosung der AfD
Aus Sicht von Henning Flad von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus sind solche Aussagen ein Beispiel für die Selbstverharmlosung der AfD. Bei potentiellen Wählern aus dem christlich-konservativen Milieu komme eine allzu harte Haltung gegenüber geflüchteten Menschen nicht so gut an, sagt Flad.
"Ich glaube, dass das zwar ein Kampagnenthema war, das auch in rechtschristlichen Milieus gezogen hat, dass das aber nie diesen Drive hatte wie andere Themen. Da war es auch so, dass auch sehr konservativ geprägte christliche Gemeinden sich beteiligt haben an der ehrenamtlichen Unterstützung von geflüchteten Menschen, das war sowieso etwas, was für kirchliches Leben sehr prägend war."
Visionen und Ideen wie Flüchtlinge und Migranten in die Gesellschaft integriert werden könnten, finden sich bei den Christen in der AfD nicht. In einem offenen Brief als Reaktion auf die Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz schreiben sie: "Von der Existenz unterschiedlicher, voneinander getrennter Völker als Abstammungs- und Blutsgemeinschaft, wie Sie das in Frage stellen, geht zunächst einmal der christliche Schöpfergott der Bibel als dessen Schöpfung aus."
Weiter heißt es in dem Brief: "Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung im großen Stil als Maßstab einer Gesellschaft ist aufgrund des blutigen Zerfalls multikultureller Staaten, wie etwa des künstlichen, multiethnischen Nationalstaates Jugoslawien, zwingend in Frage zu stellen. Dies ist daher keinem völkischen Nationalismus, sondern schlicht der zeitgeschichtlichen Erfahrung und Sorge um den Frieden geschuldet."
Der Turmbau zu Babel und das Pfingstwunder
Der Weltanschauungsbeauftragte der sächsischen Landeskirche Harald Lamprecht sagt, er könne über solche Ansichten nur den Kopf schütteln. Aus theologischer Sicht sei die Aussage, dass Völker, Nationen und deren Grenzen Teil der biblischen Schöpfungsordnung seien, falsch. "Hier finden wir bei den Christen in der AfD so eine Grundtendenz, diesen Nationalismus zu zementieren und die Behauptung, Menschen aus verschiedener ethnischer Herkunft, aus verschiedener religiöser Zugehörigkeit, verschiedener kultureller Prägung, könnten aus Prinzip nicht friedlich zusammenleben. Und das ist doch kompletter Unsinn."
Die Entstehung von Nationen wird in der Bibel in der Erzählung des Turmbaus zu Babel thematisiert. Die Menschen werden für ihren Hochmut damit bestraft, dass sie alle in unterschiedlichen Sprachen sprechen und über die ganze Erde verteilt werden. Allerdings geht die Geschichte weiter: Die Sprachverwirrung hebt der Heilige Geist im Pfingstwunder wieder auf. Zu den Zielen der Christen in der AfD hingegen gehöre die möglichst homogene Volksgemeinschaft. Das sei völkischer Nationalismus in Reinform, erklärt Harald Lamprecht. Denn das führe zu Ausgrenzung. "Im Kern muss man sagen, bestätigt dieser Brief, den die Christen in der AfD als offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz geschrieben haben, ja im Kern genau die Vorwürfe, die die Deutsche Bischofskonferenz gemacht hat: Dass es sich um einen völkischen Nationalismus handelt."
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