Rund die Hälfte der wahlberechtigten Türkinnen und Türken in BW haben sich an der Türkei-Wahl beteiligt. Eine Mehrheit stimmte für den amtierenden Präsidenten Erdogan.
Beide Lager - das von Erdogan (AKP) und das von Kilicdaroglu (CHP) - haben in Baden-Württemberg ihre Anhängerinnen und Anhänger. In türkischen Gemeinden, Vereinen und Communities wird die Türkei-Wahl angespannt verfolgt. Zunächst zeichnet sich ein knapper Vorsprung für Amtsinhaber Erdogan ab.
Entgegen der Hoffnung, beispielsweise des baden-württembergischen Finanzministers Danyal Bayaz (Grüne), stimmte eine kleine Mehrheit in der Türkei bislang für Recep Tayyip Erdogan. Bayaz äußerte seine Ernüchterung bezüglich der ersten Wahlergebnisse auf der Social-Media-Plattform Twitter:
Abstimmung der Türken in Deutschland: Fassungslosigkeit bei Bayaz
In Bezug auf das Abstimmungsverhalten in Deutschland lebender Türkinnen und Türken sagte Bayaz dem SWR: "Mich macht das fassungslos, mich macht das ratlos." Versäumnisse in der Integrationspolitik dürften niemals ein Grund dafür sein, Erdogans autoritären und antidemokratischen Kurs zu unterstützen, so Bayaz.
Es sei wichtig, die Menschen nicht in Erdogans Arme zu treiben, so der Grünen-Politiker. Viele türkischstämmige Menschen in Deutschland hätten immer noch große Herausforderungen zu bewältigen, beispielsweise würden sie bei der Wohnungs- oder Jobsuche aufgrund ihres Vornamens oft benachteiligt. "Aber das kann kein Grund sein, zu sagen: 'Weil die deutsche Politik vielleicht nichts für mich macht, renne ich zu Erdogan und unterstütze seinen antidemokratischen und antirechtsstaatlichen Kurs in der Türkei'. Das passt nicht zusammen", sagte Bayaz weiter.
SWR Landespolitik-Redakteurin Filiz Kükrekol über den Wahlausgang in der Türkei - und was die türkischstämmigen Menschen in Baden-Württemberg bei der bevorstehenden Stichwahl erwartet:
BW-Landtagspräsidentin Aras hofft auf Machtwechsel in Türkei
Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) sagte gegenüber dem SWR, sie freue sich vor allem über die sehr hohe Wahlbeteiligung, die sie sich auch für Deutschland wünsche. Das Ergebnis habe die deutsche Politik zu respektieren. Es müsse jedoch die Frage erlaubt sein, wie Menschen, die hier von den rechtsstaatlichen Freiheiten wie der Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit profitierten, in der Türkei eine Politik unterstützten, die genau das einschränke.
Aras selbst hofft auf einen Machtwechsel in der Türkei. Noch sei dieser möglich, schrieb die Politikerin bei Twitter. Als Parlamentarierin hoffe sie auf eine Stärkung des türkischen Parlaments und mehr Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in der Stichwahl.
Gespanntes Beobachten der Türkei-Wahl in Baden-Württemberg
Bei SWR-Straßenumfragen in baden-württembergischen Städten zeigten viele Unterstützung für Erdogans Politik. Rabia Karakus und Dilara Ünver haben Erdogan gewählt. "Warum? Ich find’s bisher richtig gut, was er gemacht hat. Die Türkei hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Und wir hoffen, dass das so bleibt und die Türkei weiter auf der Top Nummer 1 bleibt", sagte Karakus dem SWR. Sedat Özgür sieht das ähnlich, Erdogan habe auch aus seiner Sicht in der Türkei vieles verbessert. "Es war schlimmer, er hat vieles besser gemacht. Davor die Parteien, die da waren, da war das nicht der Fall", so Özgür in Stuttgart.
Das sagen Mannheimerinnen und Manheimer zum Wahlausgang in der Türkei:
Bei der Wahlparty am Sonntag, 14. Mai, von der CHP Nordbaden in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) war man die ganze Wahlnacht angespannt. Emrah Durkal (SPD Mannheim) hatte sich dort mit etwa 150 anderen die TV-Übertragung des türkischen Fernsehens angeschaut. Er hatte auf einen Sieg des Sozialdemokraten und Oppositionsführers Kemal Kilicdaroglu gehofft und war sich sicher, dass es zur Stichwahl kommen wird. "Ihm [ Erdogan] wird's nicht passen, wahrscheinlich wird er die Wahl wiederholen lassen. Aber zum Schluss wird er zurücktreten", meinte Durkal.
Überall im Land verfolgten Menschen mit Wurzeln in der Türkei die dortigen Wahlen. Zum Beispiel im Alewitischen Kulturzentrum in Mannheim. Dort waren es gut 150 Menschen gewesen, die die Wahl und die Hochrechnungen gespannt beobachtet hatten. Auch hier hatte die Mehrheit der Menschen dem SWR gesagt, sie hoffe, dass Erdogan abgewählt werde.
Knappes Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei
Das Rennen um die Präsidentschaft in der Türkei verläuft erwartungsgemäß äußerst knapp. Die Wahlbehörde sah Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan nach Auszählung von knapp 99,9 Prozent der Stimmen bei 49,5 Prozent der Stimmen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, gemeinsamer Kandidat eines Sechser-Bündnisses, liegt demnach bei 44,9 Prozent.
Erdogan und Kilicdaroglu müssen damit am 28. Mai in einen zweiten Wahlgang.
Bei den wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Deutschland zeichnete sich bei der Präsidentenwahl erneut eine deutliche Mehrheit für Erdogan ab. Auf den Amtsinhaber entfielen beim Stand von knapp 98 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland knapp zwei Drittel der Stimmen - wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montag hervorging. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis in Deutschland liegen aber noch nicht vor.
Etwa 50 Prozent der berechtigten Türkinnen und Türken wählten in BW
Rund die Hälfte der wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Baden-Württemberg haben sich an der Türkei-Wahl beteiligt. Nach vorläufigen Angaben der türkischen Wahlbehörde gaben in den Generalkonsulaten Stuttgart und Karlsruhe rund 124.000 Türkinnen und Türken ihre Stimme ab, berichtete die Deutsche Presse-Agentur. Das sind rund 50 Prozent der etwa 246.185 Wahlberechtigten, die laut Statistischem Landesamt in Baden-Württemberg leben. Die Türkinnen und Türken hierzulande konnten bis 9. Mai wählen.
Über 80.000 Türkinnen und Türken wählten in Karlsruhe und Stuttgart
In den Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen waren dem Generalkonsulat Stuttgart zufolge knapp 150.000 Menschen zur türkischen Wahl aufgerufen. 82.885 von ihnen beteiligten sich den vorläufigen Zahlen der Wahlbehörde zufolge - eine Quote von 55,26 Prozent, in etwa so wie bei den Wahlen im Jahr 2018. "Auffallend ist, dass zunehmend junge Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen", hieß es seitens des Stuttgarter Generalkonsulats.
"Unsere Bürger zeigten großes Interesse an den Wahlen und es gab keine Probleme", teilte das Generalkonsulat Karlsruhe mit. Beide Konsulate in Baden-Württemberg erwarteten eine höhere Beteiligungsquote als 2018.
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei Rund die Hälfte der Türkinnen und Türken in BW hat gewählt
Am Sonntag stehen die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei an. In Baden-Württemberg haben die Wahlberechtigten ihre Stimme schon abgegeben - etwa jeder zweite Berechtigte hat gewählt.
Erdogan-Amtszeit nach gut 20 Jahren zu Ende?
Erdogan von der islamisch-konservativen AKP muss nach 20 Jahren an der Macht um seine Wiederwahl fürchten. Kilicdaroglu tritt zur diesjährigen Wahl als gemeinsamer Kandidat für eine Allianz aus sechs Oppositionsparteien unterschiedlicher Lager an.
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Bei der Präsidentenwahl in der Türkei liegt Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan vorn - aber zum Sieg im ersten Wahlgang wird es wohl nicht reichen. Die Wahlbehörde sah ihn nach Auszählung fast aller Stimmen knapp unter 50 Prozent, seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu bei knapp 45 Prozent. Wie kommt es, dass Erdogan trotz Wirtschaftskrise und Vetternwirtschaft immer noch so viel Rückhalt bei den Menschen im Land hat? Nach Ansicht von Kristian Brakel, dem Leiter des Istanbuler Büros der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, gibt es mehrere Erklärungsversuche: "Erdogans Regierungspartei AKP ist die größte Partei im Land. Sie hat eine unglaubliche Basisorganisation, die sehr guten Tür-zu- Tür-Wahlkampf in den Nachbarschaften macht." Zudem würden viele Menschen jene Partei wählen, die ihnen persönliche Vorteile verspreche: "Die AKP wird noch immer mit Regierungsfunktionen in Verbindung gebracht. Sie ist auch die Partei, die zum Beispiel Jobs und gewisse Vorteile vergeben kann", so Brakel. Im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch äußert sich der Leiter des Istanbuler Büros der Heinrich-Böll-Stiftung auch über Vorwürfe von Wahlmanipulation, den Wahlkampf vor einer möglichen Stichwahl und die Herausforderungen für die Opposition.