Wenn Klimaaktivisten sich auf der Straße festkleben, ist die Polizei in BW vorbereitet: Pflanzenöl kann den Kleber lösen. 2022 war sie wegen solcher Proteste mehr als 1.000 Stunden im Einsatz.
Die baden-württembergische Polizei sieht sich gut gerüstet für Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die sich auf der Straße festkleben. Man habe sich sehr frühzeitig mit den neuen Aktionsformen der Gruppierung "Letzte Generation" auseinandergesetzt, teilte das Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Ihre Verklebungen könnten die Beamtinnen und Beamten der regionalen Polizeipräsidien in der überwiegenden Mehrzahl binnen 30 bis 90 Minuten auflösen. Als Lösungsmittel für den verwendeten Sekundenkleber werden zumeist herkömmliche Pflanzenöle verwendet.
In Bayern stehen Spezialteams rund um die Uhr bereit
In Bayern gibt es in München und in Murnau regionale Spezialeinheiten, "Glue-on-Teams" - to glue bedeutet auf englisch ankleben - die rund um die Uhr bereit stehen, um die Aktivistinnen und Aktivisten rasch von der Straße zu bekommen und Verkehrsbehinderungen zu vermeiden oder schnell aufzulösen. In NRW werden rund 10.000 Polizistinnen und Polizisten darin ausgebildet, festgeklebte Menschen von der Straße zu lösen. Die Streifenpolizei und Mitglieder von Hundertschaften sollen an einer verpflichtenden digitalen Fortbildung teilnehmen.
2022 über tausend Stunden Polizei-Einsatz
Im Jahr 2022 wurden der Polizei in Baden-Württemberg 31 Blockadeaktionen des Straßenverkehrs bekannt, darunter 22 mit Anklebungen von Aktivistinnen und Aktivisten am Fahrbahnbelag. In einem weiteren Fall seilte sich ein Mensch von einer Brücke über einer Fahrbahn ab. Verletzte Verkehrsteilnehmerinnen oder -teilnehmer gab es nicht. Die Polizei Baden-Württembergs ist durch die Proteste auch personell gefordert: Sie war in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr rund 1.020 Stunden im Einsatz. Hiervon entfielen rund 948 Stunden auf Verkehrsblockaden.
Nach Angaben des Landeschefs der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, sind nicht die Auflösungen der Blockaden kräftezehrend, sondern die Folgen davon in Form von Staus und Umleitungen. Der Aufwand dafür entsprach laut einer Antwort des Ministeriums auf eine AfD-Anfrage bislang rund 60.650 Euro. Bei den illegalen Aktionen registrierte die Polizei Baden-Württemberg 130 Tatverdächtige, darunter auch solche, die nur als Begleiter dabei waren.
Polizeigewerkschaft fordert Präventivhaft
Nach Angaben des Ministeriums in Stuttgart sind bereits im März 2022 Polizeidienststellen mit Handlungsempfehlungen zu taktischen und rechtlichen Fragen des Umgangs mit den Verklebungen versorgt worden. Das Thema fließe auch in die Fortbildungsangebote ein, unter anderem für die Anti-Konflikt-Teams, die insbesondere bei Versammlungen zum Einsatz kommen. Gewerkschafter Kusterer sprach sich für eine Präventivhaft nach bayerischem Vorbild aus, die Menschen droht, wenn sie weitere Aktionen ankündigten. Man müsse reagieren können, "bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist". Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz können Bürgerinnen und Bürger auf Grundlage einer richterlichen Entscheidung bis zu einen Monat lang festgehalten werden, um die Begehung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder eine Straftat zu verhindern.
Innenministerium: Gewahrsam bei Klimaprotesten meist nicht zielführend
Zuletzt waren wiederholt Klimaaktivistinnen und -aktivisten in Bayern in Präventivhaft genommen worden. Die baden-württembergische Regelung sei nicht auf den Sachverhalt der Klima-Aktionen zugeschnitten, sondern auf Fälle wie Ingewahrsamnahme von Betrunkenen oder Suizidgefährdeten, monierte Kusterer. Außerdem sei sie nur auf zwei Wochen begrenzt. Das Innenministerium betont hingegen, auch in Baden-Württemberg könnte bei vorangekündigten Aktionen im Einzelfall eine Ingewahrsamnahme geeignet sein, um Störungen der öffentlichen Sicherheit abzuwehren. Dies passiere in Abwägung mit dem hohen Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. "Gleichwohl erscheint im Zusammenhang mit den Klimaprotesten ein Gewahrsam in der überwiegenden Anzahl der Fälle nicht zielführend", hieß es aus dem Ressort von Innenminister Thomas Strobl (CDU). Weil Ort und Zeit der Aktionen vorab nicht bekannt seien, könnten die Taten nicht dauerhaft verhindert werden.
Die Gruppe selbst hat bis zum 24. Januar, dem Jahrestag der ersten Aktion in Berlin, 1.250 Straßenblockaden in ganz Deutschland gezählt, rund 800 Menschen hätten sich beteiligt. Mehr als 1.200 Mal seien Protestierende deswegen in Polizeigewahrsam gekommen.