Die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium wollen mit einem Kraftakt das Schienennetz in Deutschland umfassend sanieren. Was bedeutet das für Baden-Württemberg?
Die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium haben einen Sanierungsplan für das deutsche Schienennetz vorgelegt. Die am Freitag vorgelegte Liste enthält 40 hochbelastete Strecken im deutschen Zugverkehr, die mit Milliardenaufwand bis einschließlich 2030 grundlegend saniert werden sollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) teilte mit, nach der Finanzierungszusage erwarte er nun von der Bahn, dass sie die Sanierung "in der gebotenen Eile" umsetze.
Start des Projekts an der Riedbahn - weitere BW-Sanierungen erst 2027
Auf dem "Schienengipfel" in Frankfurt mit der Bau- und der Bahnindustrie wurde auch die weitere Reihenfolge vorgestellt, mit der das Projekt voranschreiten soll. Der Anfang in Baden-Württemberg soll im kommenden Jahr an der Riedbahn gemacht werden. So wird die Bahnstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt am Main bezeichnet. Die Arbeiten sollen am 15. Juli beginnen und zu Weihnachten 2024 beendet sein. Fern- und Güterzüge werden in dieser Zeit teils weiträumig umgeleitet. Busse sollen bis zu 200 Nahverkehrszüge am Tag ersetzen. Nach der Generalsanierung soll der Streckenabschnitt bis ins kommende Jahrzehnt von größeren Baumaßnahmen verschont bleiben, verspricht die Bahn.
15.000 Reisende pro Tag betroffen Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim ab Juli 2024 gesperrt
Im Jahr 2024 sperrt die Bahn die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim fünf Monate komplett, um die Strecke umfassend zu sanieren. 150 Busse sollen die Regionalzüge ersetzen.
Nach den Arbeiten an der Riedbahn lassen weitere Baumaßnahmen in Baden-Württemberg im Rahmen des Sanierungsplans aber wieder länger auf sich warten. Die Strecke von Heidelberg nach Frankfurt steht für das erste Halbjahr 2027 auf dem Zeitplan. Im zweiten Halbjahr 2029 trifft es die im Vergleich zur Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ältere Verbindung zwischen Stuttgart und Ulm. Die Strecke zwischen Ulm und Augsburg und die auch für den Güterverkehr wichtige Verbindung Mannheim und Karlsruhe finden sich erst ganz am Ende der Liste. Hier sollen die Bauarbeiten erst im zweiten Halbjahr 2030 stattfinden.
Sanierungen in ganz Deutschland kosten den Bund rund 40 Milliarden Euro
Um das überlastete Streckennetz wieder fit zu machen, will der Bund insgesamt rund 40 Milliarden Euro investieren. 11,5 Milliarden davon kommen aus dem Bundeshaushalts-Einzelplan des Bundesverkehrsministeriums. Finanziert werden soll das vor allem aus einer Erhöhung der Lkw-Maut. Weitere 12,5 Milliarden Euro sollen aus einem Sondertopf der Bundesregierung fließen. Drei Milliarden Euro muss die Bahn aus Eigenmitteln beisteuern - etwa über die Aufnahme neuer Schulden.
Neu ist, dass der Bund dem Konzern weitere 12,5 Milliarden Euro über eine Eigenkapitalerhöhung zuschießen will. Dieser Maßnahme muss die EU-Kommission allerdings noch zustimmen. "Wir sind dann bei knapp 40 Milliarden zusätzlich für die Bahn", sagte Wissing.
Verkehrsclub Deutschland: Generalsanierung vermutlich einzige Möglichkeit
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der sich für ein "menschen- und umweltverträgliches Verkehrswesen" einsetzt, bewertet die Pläne von Bund und Bahn gespalten. Einerseits sei es "bitter", nun Generalsanierungen durchführen zu müssen, bei denen man viel befahrene Strecken ein halbes Jahr sperren müsse, so Alexander Kaas Elias, ein Sprecher des VCD, dem SWR. "Das wird eine ziemliche Belastung für Fahrgäste sein", so Kaas Elias. Allerdings sei es wahrscheinlich die einzige Lösung, die Sanierungen in einem Schritt zu machen. So könne man verhindern, dass es auf den Hochleistungskorridoren der Bahn immer wieder zu Unterbrechungen komme. Der VCD hofft, dass die Umbaumaßnahmen wirklich in jeweils sechs Monaten vollzogen werden können. "Da habe ich auch noch so ein kleines Fragezeichen", so der Verbandssprecher.
DB-Teilgesellschaften sollen umstrukturiert werden
Nach den Bauarbeiten soll der deutschlandweite Zugverkehr über Jahre ungestört laufen. Bis es soweit ist, sorgen die geplanten Bauarbeiten aber für weite Umleitungen und Ersatzverkehre, die die Bahn nun organisieren muss. Denn: Die Teilstrecken sollen für die Arbeiten in der Regel jeweils fünf Monate lang komplett gesperrt werden. Am Ende soll nach der Generalsanierung von 4.000 Kilometern Schiene ein rund 9.000 Kilometer umfassendes "Hochleistungsnetz" stehen. Insgesamt umfasst das Netz rund 34.000 Kilometer.
Zur Umsetzung der Sanierungsprojekte ist geplant, unter dem Dach des DB-Konzerns eine neue, am Gemeinwohl orientierte Infrastrukturgesellschaft mit dem Namen "InfraGo" zu gründen. In ihr sollen zum Jahreswechsel die Teilgesellschaften DB Netz und DB Station und Service aufgehen. Sinn der Konstruktion ist es, dass die bereitgestellten Bundesmittel ausschließlich in die Infrastruktur fließen und nicht in den Fahrbetrieb. Kritiker hatten gefordert, das Netz ganz aus dem Bahn-Konzern zu lösen. Da "InfraGo" aber unter dem Dach des DB-Konzerns bleibt, wurde diese Forderung nicht erfüllt.