Kriege, Krisen und die hohe Inflation sorgen dafür, dass es vielen Menschen in BW finanziell immer schlechter geht. Auch die Kindergrundsicherung ist laut Experten keine Lösung.
Vor der landesweiten Aktionswoche gegen Armut vom 16. bis 20. Oktober hat die Liga der Freien Wohlfahrtspflege auf das wachsende Armutsrisiko in Baden-Württemberg hingewiesen. Die Vielzahl von Krisen sorgten für eine deutliche Verteuerung der Lebenshaltungskosten.
In Baden-Württemberg waren 2021 laut Angaben des Sozialministeriums 16,4 Prozent der Menschen armutsgefährdet - also fast jeder Sechste der Bürgerinnen und Bürger. Als armutsgefährdet gilt, wer nur höchstens 60 Prozent eines mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Im Jahr 2021 waren das zum Beispiel 1.220 Euro pro Monat bei einem Einpersonenhaushalt.
Vor allem Kinder und Jugendliche weisen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko auf. Im Jahr 2021 waren 20,8 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Baden-Württemberg armutsgefährdet. Auch knapp 70.000 Rentner sind demnach auf Grundsicherung angewiesen - 18 Prozent mehr als im März 2022.
Kritik an Kindergrundsicherung
Die Landesarmutskonferenz kritisiert deshalb den Kompromiss der Bundesregierung zur Kindergrundsicherung. "Die gut gedachte Kindergrundsicherung wurde klein gerechnet", sagte Anne Jeziorski, Delegierte der Landesarmutskonferenz, am Freitag bei der Landespressekonferenz zur Aktionswoche "Armut bedroht alle". Eine Kindergrundsicherung solle keine Almosen darstellen, sondern die Betroffenen aus der Armut holen.
Auch Barbara Baur, Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter in Baden-Württemberg, ist der Überzeugung, dass die geplante Kindergrundsicherung ihren Namen nicht verdient: "Wer jetzt an einem guten Umfeld und Bildung für Kinder spart, stellt die Chancengleichheit infrage." Heute sei die Zeit, in die klugen Köpfe von morgen zu investieren.
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Vor allem Frauen von Altersarmut bedroht
Baur sprach auch an, dass vor allem Frauen im Alter armutsgefährdet seien, weil ihre Rente wegen Care-Arbeit und Minijobs nicht ausreiche. Auch für Martin Gross vom Bündnis gegen Altersarmut ist das ein Thema: Oft sei es nicht mehr möglich, in Würde zu altern, sagte der Landesbezirksleiter von verdi.
Aber auch für Alleinerziehende und kinderreiche Familienhabe spitze sich das Armutsrisiko zu, Nahrungsmittel hätten sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs um 15 Prozent verteuert. Die Sozialverbände fordern eine Reform des Bürgergelds mit höheren Regelsätzen. Unter dem Motto Armut bedroht alle laufen nächste Woche landesweit Aktionen und Veranstaltungen wie Lesungen oder Diskussionsrunden.
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