Soziale Ungleichheit in BW durch Corona-Pandemie und Inflation gestiegen.

BW im Ländervergleich im Mittelfeld

SWR-Datenrecherche: Knapp zwei Millionen Menschen in Baden-Württemberg sind von Armut bedroht

Stand
Autor/in
Marc-Julien Heinsch
SWR-Redakteur Marc-Julien Heinsch Autor Bild
Jakob Bauer
Jakob Bauer

16,4 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg sind armutsgefährdet. Besonders Alleinerziehende sind betroffen, aber auch Rentner, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Auch wenn Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer noch relativ gut dasteht: Die Sozialerhebung Mikrozensus 2021 hat ergeben, dass 16,4 Prozent der Menschen im Land von Armut bedroht sind - rein rechnerisch also knapp zwei Millionen Menschen.

SWR Aktuell hat mit Armutsbetroffenen aus Baden-Württemberg über ihre Situation gesprochen:

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Knapp zwei Millionen Menschen im Land sind armutsgefährdet. Während aktuell viele im reichen Baden-Württemberg um ihren Wohlstand fürchten, müssen Armutsbetroffene auf jeden Cent achten.

Bundesweit sind 16,6 Prozent der Menschen armutsgefährdet. Das sind etwa 13,8 Millionen Menschen, die von Armut bedroht sind.

#IchBinArmutsbetroffen und gehöre damit zu 13,8 Millionen Menschen. Ich gehöre dem kleinen, roten Teil an. Haben mich eigene Entscheidungen dahin gebracht? Wenn dazu zählt, dass eins heiratet, Kinder bekommt und erkrankt, dann ja. Für die Beziehung habe ich mich entschieden. / https://t.co/RuQvBuFPIJ

Besonders groß ist die Armutsgefährdung in Baden-Württemberg für Alleinerziehende.

Auch Erwerbslose sind besonderes oft armutsgefährdet. Das sind Menschen, die keine Arbeit haben, aber grundsätzlich als arbeitsfähig gelten. Zudem sind ein Fünftel der Rentnerinnen und Rentner in Baden-Württemberg sowie der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren von Armut bedroht.  

Wie sich die Coronapandemie auf die Armuts- und Reichtumszahlen in Baden-Württemberg ausgewirkt hat, zeigen die Daten leider nur sehr bedingt. Auf SWR-Anfrage warnen die Sozialforscherinnen und -forscher vom Statistischen Landesamt davor, die Armuts und Reichtumsdaten von 2019 und davor mit denen von 2021 zu vergleichen. Denn just im ersten Pandemiejahr 2020 wurden die Methoden der Sozialerhebung umgestellt. Ein direkter Vergleich zwischen den Daten vor und nach diesem Einschnitt sei nicht sinnvoll, Schlüsse auf die Effekte der Pandemie etwa auf die Armut in der Gesellschaft könnten deshalb anhand dieser Daten nicht gezogen werden, so die Forscherinnen und Forscher.

Armutsforscher Butterwegge: Kluft zwischen Arm und Reich vertieft sich

Der Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge beschäftigt sich seit über 25 Jahren mit dem Thema Armut und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Er sagt hingegen: "Schon vor der Pandemie hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland vertieft." Er nennt das einen "Paternoster Effekt", wie beim historischen Aufzug im Stuttgarter Rathaus: Die einen fahren nach oben, die anderen fahren nach unten. "Dieser Effekt hat sich während der Pandemie verstärkt."

Armutsforscher Christoph Butterwegge im SWR-Interview zum 1. Mai 2022:

BW-Sozialverbände fordern Politik zum Handeln gegen Armut auf

John Litau von der Liga der freien Wohlfahrtspflege, der unter anderem die Caritas und die Diakonie angehören, sagte zuletzt, in Baden-Württemberg sei sofort ein Sozialgipfel nötig. Das Land brauche eine Strategie, um das Armutsrisiko zu senken. Das werde - angesichts von Gaskrise, Krieg in Ukraine und Coronapandemie - eine gewaltige Herausforderung für den Staat. Von der ehrenamtlichen Hilfsorganisation Landesarmutskonferenz kommt wiederum die Forderung nach einem Sozialfonds für arme Menschen im Land. In ihm müssten mindestens 500 Millionen Euro enthalten sein, so Vorstand Roland Saurer.

Die Tafeln in Baden-Württemberg teilten mit, mehr als 200.000 Menschen im Land seien auf die dort ausgegebenen Lebensmittel angewiesen. Tafel-Vorstand Udo Engelhardt zeigte sich zugleich ernüchtert nach ersten Gesprächen mit dem Sozialministerium. Auch die Politik sei überfordert, so Engelhardt.

Armutsbetroffene aus BW

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