Aktuell 45 Männer in früherer Jugendhaftanstalt in Pforzheim untergebracht

Ein Abschiebeknast mit fragwürdigen Bedingungen

Stand
Autor/in
Markus Pfalzgraf
Nicole Florié
Nicole Florié ist Teil des Teams von "Zur Sache! Baden-Württemberg".

Fast 25.000 Menschen sind in Baden-Württemberg aktuell ausreisepflichtig. Einige wenige kommen kurz vor ihrer Ausreise in das Abschiebegefängnis nach Pforzheim. So ist dort die Lage.

Es sieht aus wie ein Gefängnis, aber es soll keines sein: Die frühere Jugendhaftanstalt in Pforzheim ist seit 2016 ein Abschiebegefängnis. Hier sitzen derzeit 45 Männer ein, die abgeschoben werden sollen. Im Durchschnitt sind sie 23 Tage hier, bevor sie abgeschoben werden. Bei einem seltenen Medienrundgang erklärte der zuständige Staatssekretär Siegfried Lorek (CDU) aus dem Ministerium für Justiz und Migration, dass sich die Insassen frei bewegen könnten.

Sie haben auch Aufenthaltsräume und Kochmöglichkeiten, allerdings keine Smartphones, sondern nur geliehene einfache Telefone. Das erschwert den Kontakt nach außen oder ins Heimatland, was aber gerade bei einer Abschiebung wichtig sein könnte - und der laut europäischer Rechtsprechung eigentlich gewährleistet sein müsste. Zumal es SIM-Karten nur gibt, wenn beispielsweise Ehrenamtliche sich darum kümmern. Nachts werden die Insassen in den Zellen eingeschlossen - wegen der Sicherheit, wie es heißt. So ganz frei bewegen können sie sich also doch nicht. Und das ist ein Problem: Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dürfen Abzuschiebende nicht in Gefängnissen untergebracht werden.

Über 1.500 Menschen reisen freiwillig aus BW aus

In Baden-Württemberg gibt es derzeit 24.256 Ausreisepflichtige (Stand 31.7.2024). Bis Ende Juni hat es 1.533 "freiwillige" Ausreisen gegeben, bis Ende August 1.799 Abschiebungen. Darunter waren 491 Straftäter. Die meisten Menschen aus Baden-Württemberg wurden in Staaten abgeschoben, die als "sichere Herkunftsländer" eingestuft sind, wie etwa Nordmazedonien oder Georgien. Ein geringerer Teil wurde an Drittstaaten überstellt, die etwa unter die "Dublin"-Regelung fallen. Nach dieser Regelung müssten Personen eigentlich in demjenigen europäischen Land untergebracht werden, in das sie zuerst eingereist sind. Durch die eigentlich offenen EU-Binnengrenzen funktioniert dieses Verfahren nicht mehr so, wie es einmal gedacht war.

Das zentrale Abschiebemanagement des Landes Baden-Württemberg ist so geregelt, dass sich das Regierungspräsidium Karlsruhe schwerpunktmäßig darum kümmert. Dort arbeiten 252 Menschen allein in der "Abschiebeabteilung". Doch es gibt viele Gründe, warum eine Abschiebung nicht möglich ist, beispielsweise Krankheit, fehlende Ausweispapiere oder eine ungeklärte Identität.

Von denen, die abgeschoben werden können, landet ein Teil im Pforzheimer Abschiebegefängnis, dem einzigen seiner Art in Baden-Württemberg. Hier sitzt ein, wer nicht freiwillig ausreist, oder bei wem Fluchtgefahr unterstellt wird. Mit seinen 45 Insassen ist das Gefängnis zu 90 Prozent ausgelastet. Es soll weiter ausgebaut werden, indem die Zahl der Plätze auf 80 fast verdoppelt werden soll.

Die komplette Sendung von "Zur Sache Baden-Württemberg" vom 19.9.2024 können Sie hier sehen:

Weitere News zu Abschiebungen aus BW

Baden-Württemberg

Bund muss grünes Licht geben Straftäter in BW: Weitere Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien möglich

Vor kurzem wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban straffällige Afghanen in ihr Heimatland abgeschoben. Weitere Abschiebungen könnten folgen, wenn der Bund zustimmt.

SWR Aktuell Baden-Württemberg SWR BW

Baden-Württemberg

Positionspapier zu schärferer Asylpolitik CDU BW will mehr Plätze in Abschiebehaft schaffen

Das Attentat von Solingen war eine Zäsur. Aus Sicht der CDU BW zerstören Gewalttaten von Ausländern jedes Mitgefühl mit Geflüchteten. Darum müsse der Staat jetzt klare Kante zeigen.

Guten Morgen Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

BW will schneller abschieben Künftig schnellere Asylverfahren: Baden-Württemberg stärkt Verwaltungsgerichte

In nur drei Monaten sollen Asylverfahren im Land künftig abgeschlossen werden - vor allem dann, wenn "wenig Aussicht auf Erfolg" bestehe.

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.