Pop-Idole kommen und gehen. Cliff Richard blieb und stellte einen Rekord auf, indem er in England fünf Jahrzehnte in Folge einen Nummer 1-Hit landen konnte. Mit "Rote Lippen soll man küssen" oder "Das ist die Frage aller Fragen" prägte er auch die deutsche Schlagergeschichte.
Singen oder Leichtathletik
In der indischen Garnisonsstadt Lucknow erblickte Harry Rodger Webb, so der bürgerliche Name von Cliff Richard, das Licht der Welt. Als Indien unabhängig wurde begleitete der Achtjährige seine Eltern nach England. Dort musste die bislang wohlhabende Familie jahrelang in bescheidenen Verhältnissen leben. Vom schmalen Geld wurde ein Plattenspieler angeschafft und Cliff Richard spielte bald zu den aktuellen Tagesschlagern auf der Gitarre. Daneben war er der beste Speerwerfer seiner Schule und spielte in der Junioren-Mannschaft Fußball. Die Mutter war es, die seine musikalische Karriere im Blick hielt und fest daran glaubte: "Du bist so gut wie all die anderen".
Manager optisch überzeugt
Mit 16 Jahren verdiente er seinen Lebensunterhalt als Büroangestellter, die Freizeit gehörte der Musik und bald gründete er seine eigene Band "The Drifters". Im Sommer 1958 traten sie im Londoner "Gaumont Theatre" auf, man fand Gefallen daran und wenig später hatte Cliff Richard seinen ersten Schallplattenvertrag in der Tasche.
Bilderbuchkarriere
Gleich seine erste Single "Move it" stürmte die Hitparaden. Mit seiner Begleitband, die inzwischen in "The Shadows" umbenannt wurde, war er neben Tommy Steele die Inkarnation des britischen Rock’n’Roll. Hits folgten am Fließband und bereits ein Jahr später landete er mit "Living Doll" einen Millionenseller, der ihn auch über Englands Grenzen hinaus bekannt machte. Er machte Schallplattenaufnahmen in mehreren Sprachen und auch der Film klopfte bei ihm an. Die Bilderbuchkarriere dauerte bis 1963 an. Dann folgte ein tiefer Einschnitt in seinem Leben, der sich auch auf seinen künstlerischen Werdegang auswirkte.
Theologie statt Musik
Betroffen vom Tod seines Vaters suchte er Halt und wandte sich Sekten zu. Er begleitete den Evangelisten-Prediger Billy Graham bei dessen England-Tournee und trat bei seinen Veranstaltungen auf. In Interviews äußerte Cliff Richard, dass er sich künftig nur noch der Theologie widmen wolle. Langfristig geschlossene Verträge und die damit verbundenen Verpflichtungen hielten ihn jedoch im Showbusiness und trugen dazu bei, seine seelische Krise zu meistern.
Das Voting aus Deutschland kostet Cliff Richard den Sieg
1968 wurde der Song Contest in Großbritannien ausgetragen und bereits im Vorfeld war es so gut wie sicher, dass Cliff Richard einen Heimsieg erringen würde. Wahre Konkurrenz gab es nicht und darüber hinaus war „Congratulations“ bereits in vielen europäischen Charts notiert. Als alle Beiträge vorgestellt waren und die Wertung begann, schloss sich Cliff Richard vor Nervosität in die Herrentoilette ein. Dies schien unbegründet, denn alles lief nach Plan und Großbritannien lag an der Spitze. Doch dann folgte die Wertung aus Deutschland, welche die Wende brachte: zwei Punkte für England und sechs Punkte für Spanien, das bislang drei Punkte hinter dem Vereinten Königreich lag. Somit schlug die Sängerin Massiel mit „La La La“ den heißesten Favoriten mit einem einzigen Punkt Unterschied.
Mit Beruhigungsmitteln zum zweiten Grand-Prix-Auftritt
Cliff Richard soll nach dieser knappen Niederlage beim Grand Prix im Jahr 1968 am Ende der Veranstaltung geschworen haben, dass er nie wiederkommen würde. 1973 brach er den Schwur, jedoch war die erneute Teilnahme reine Berechnung: Er brauchte dringend einen neuen Hit, nachdem die letzten Jahre diesbezüglich mager ausgefallen waren. Da er auch dieses Mal nicht die besten Nerven hatte, ließ er sich vor der Show ein Beruhigungsmittel verabreichen und hätte deswegen beinahe seinen Auftritt verpasst. Nachteiligen Einfluss übte dies auf seinen Vortrag nicht aus: "Power to all our friends" erreichte den dritten Platz und wurde seit "Congratulations" sein größter Hit.
Zurück in der Erfolgsspur
Erst Mitte der 1970er Jahre nahm seine musikalische Karriere wieder Fahrt auf. Sein Comeback startete mit Hits wie "Miss you nights" und "Devil Woman". Seither gingen seine Lieder wieder mit schöner Regelmäßigkeit rund um die Welt. Egal, welche Trends gerade aktuell waren - er setzte sich mit seiner Musik stets durch. Zwischen 1958 und 2014 schaffte er es, die unglaubliche Zahl von 130 Singles in den englischen Charts zu platzieren. Seinen letzten Nummer 1-Hit schaffte er 1999 mit "The Millennium Prayer", der ihn in die Schlagzeilen brachte: obwohl zahlreiche Rundfunksender die vertonte Version des "Vater Unser" nicht spielten, erreichte die Single die Spitzenposition.
Seit seinem Bekenntnis von 1966 unterstützt er zahlreiche Hilfsorganisationen und spendet jährlich einen Teil seiner Einnahmen für wohltätige Zwecke.
Der Queen abgesagt
In Anerkennung dieses Engagements wurde er 1995 von Königin Elisabeth II. als erster Popstar zum Ritter geschlagen. Offensichtlich hatte sie ihm den Korb, den er ihr einige Jahre zuvor wegen Terminproblemen gab, verziehen. Damals hatte die Queen ihn zu einer Party eingeladen, um für ihre Gäste zu singen. Cliff Richard bedankte sich höflich, ließ sie aber gleichzeitig wissen, dass an dem fraglichen Tag bereits ein Konzert vorgemerkt sei und er seine Fans nicht enttäuschen könne.
Auch als Winzer erfolgreich
Auch nach weit über 60 Jahren Bühnenpräsenz ist Sir Cliff Richard nach wie vor voller Ehrgeiz mit dabei. Anlässlich seines 80. Geburtstags ist eine große Tournee geplant, die allerdings auf Grund der Corona-Pandemie auf nächstes Jahr verschoben werden musste. Darüber hinaus erscheint in Kürze eine neue CD ("Music...The air that I breathe"), die u. a. Duette mit Bonnie Tyler, Albert Hammond und den Bellamy Brothers enthalten wird. Außerdem kommt seine Autobiographie "The Dreamer" in den Handel. Mögen all diese Vorhaben seine lange Erfolgsliste fortsetzen. Darauf ein Glas "Vida Nova", einen Rotwein aus der Ernte seines Weinguts in Portugal, der, wie könnte es anders sein, ebenso auf internationaler Ebene ausgezeichnet wurde.