Wird Donald Trump ein zweites Mal Präsident der USA? Politologin Cathryn Clüver Ashbrook über Trumps Chancen und was eine zweite Amtzeit für USA, NATO und Europa bedeuten würde.
Am 5. November 2024 wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Für die US-Amerikaner ist es die vielleicht wichtigste Wahl in ihrer jüngeren Geschichte: Das Land steht vor einer grundsätzlichen Entscheidung. Der amtierende US-Präsident Joe Biden möchte wiedergewählt werden und Ex-Präsident Donald Trump will für die Republikaner zurück ins Weiße Haus.
Cathryn Clüver Ashbrook ist Politologin und Expertin für US-Politik und die Beziehungen zwischen der EU und den USA. Als Deutsche und US-amerikanische Staatsbürgerin verfolgt sie den Wahlkampf auch persönlich mit großer Spannung. Zuletzt war Clüver Ashbrook Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), aktuell ist sie als Senior Adviser Teil des Führungskreises bei der Bertelsmann-Stiftung und leitet dort das deutsch-amerikanische Zukunftsforum.
Präsident Joe Biden: viel erreicht, aber kein Rückhalt beim Wähler
Gesellschaftlich geht es den USA nicht gut, wirtschaftlich deutlich besser, so die Einschätzung von Cathryn Clüver Ashbrook. Präsident Joe Biden habe einiges getan, um die Wirtschaft das Landes zukunftsfest zu machen. Die Arbeitslosigkeit ist historisch niedrig, er hat viel investiert in den Kampf gegen den Klimawandel und die Re-Industrialisierung. Aber diese Verbesserungen registrieren Wähler offenbar nich – sie finden im Gegenteil, dass es ihnen persönlich schlechter geht:
USA: ein gespaltenes Land im Kulturkampf
In den USA, so Cathryn Clüver Ashbrook, herrsche ein großer Kulturkampf darüber, was amerikanisch ist und heißt. Und das in einer Situation, in der es einen immer schnelleren demografischen Wandel gibt. In den nächsten 15 bis 20 Jahren würden die USA für die jüngere Generation zu einem sogenannten "Mehrheiten-Minderheiten-Land".
Trump und die große Lüge von der gestohlenen Wahl
Wie stark aber ist der aktuelle Rückhalt von Trump nicht nur bei seiner Basis, sondern auch beim Rest der Wählerschaft? 2016 hatte Trump eine große Zahl an Nichtwählern motiviert. Und er habe sozusagen die republikanische Partei komplett umgedreht, "auf rechts gedreht, wenn man so will" – das sei sein Vermächtnis.
Dann aber kamen die Zwischenwahlen ("Midterms") während Trumps erster Amtszeit. Dort habe man gesehen, sagt Cathryn Clüver Ashbrook, dass alle von Donald Trump unterstützen Kandidaten der Republikaner in den Kongresswahlen nicht durchgekommen seien.
Die Präsidentschaftswahl 2020 habe dann gezeigt, dass viele das Chaos von Donald Trump offenbar nicht länger wollten. Wird dieses Gefühl der Wähler erneut Auswirkungen auf die Wahlen 2024 haben?
Bleiben noch die 91 Anklagepunkte in den derzeit laufenden vier großen Strafverfahren gegen Donald Trump. Könnten diese ihn doch noch vor der Präsidentschaftwahl im November einholen, wenn er zu einem "verurteilten Präsidentschaftskandidaten" wird? Dann, so Cathryn Clüver Ashbrook, könne es durchaus sein, dass sich viele Republikaner von ihm abwenden.
Versinken die USA mit Trump im politischen Chaos?
23 Prozent der Amerikaner würden von politischer Gewaltanwendung nicht mehr absehen, zeigt eine Umfrage. Erneute Aufruhr und Gewalt seien nicht ausgeschlossen, sagt Cathryn Clüver Ashbrook. Trump selbst würde das ja immer wieder prophezeien, wenn er zum Beispiel als Kandidat von der Wahl ausgeschlossen werden würde. Da müsse man nur an die Bilder und auf die Erfahrungen mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington in Januar 2021 zurückblicken.
Noch viel gefährlicher aber scheint Cathryn Clüver Ashbrook das, was gerade im Hintergrund der republikanischen Politik passiert, was am grünen Tisch der politischen Strategen geplant wird:
Joe Biden und Kamala Harris – keine Chance gegen Trump?
Die große Frage, die nicht nur die Gegner von Donald Trump in den USA umtreibt: Warum gelingt es den Demokraten nicht, eine jüngere Alternative zum 81-jährigen Joe Biden aufzustellen?
USA So warnt Biden vor Rückkehr von Trump
Donald Trump will wieder US-Präsident werden. Joe Biden hat ihm jetzt schwere Vorwürfe gemacht.
Als viel interessanter bezeichnet Cathryn Clüver Ashbrook die Tatsache, dass möglicherweise ein dritter Präsidenschaftskandidat ins Spiel kommen könnte, über die sogenannte "no labels"-Gruppe, gegründet von desillusionierten Demokraten und Republikanern. Deren Plan: ein neuer, mittlerer Weg – der könne die republikanische Partei spalten und in einem Zweiparteien-System wie den USA erfahrungsgemäß dazu führen, dass die Demokraten verlieren.
Kamala Harris als Präsidentin der USA?
Dass die Vizepräsidentin Kamala Harris in den Überlegungen der Demokraten als mögliche Präsidentschaftskandidatin für 2024 keine Rolle spielt, sieht Cathryn Clüver Ashbrook eher nicht als Problem. Ja, man habe ihr als Vizepräsidentin anfangs große Aufgaben gegeben, wie etwa die Lösung der Flüchtlingsprobleme an der Südstaaten-Grenze der USA. Dann aber habe man sie eher restriktiv zurückgenommen. Aber:
USA-Korrespondentin Marie-Astrid Langer | 20.1.2022 Darum ist Kamala Harris zur mächtigsten Frau der USA aufgestiegen
Marie-Astrid Langer lebt und arbeitet in San Francisco. Sie ist USA-Korrespondentin und schrieb ein Buch über US-Vizepräsidentin Kamala Harris.
Zweite Amtszeit Donald Trump: die "ganz große geostrategische Krise"?
So nennt der Politologe Albrecht von Lucke das Szenario einer zweiten Amtszeit von Donald Trump. Cathryn Clüver Ashbrook stimmt dem zu, denn anders als in seiner ersten Amtszeit hätte Trump keine "normalisierenden außenpolitische Kräfte" mehr um sich. Eine erneute Präsidentschaft von Trump wäre eine völlig andere:
People Are People SWR1 Leute
Zwei Stunden Zeit für ein Gespräch mit Menschen, die im Mittelpunkt stehen, die Herausragendes leisten oder einfach eine spannende Lebensgeschichte haben.