Der Standpunkt in unserer Sendung

Sterben in der Kapsel? Eine Frage der Würde. Von Mark Kleber

Stand
Autor/in
Kleber, Mark

In dieser Woche gab es viel Wirbel um ein Thema, über das man nicht gerne spricht, über den Tod. Wir tun es an dieser Stelle trotzdem, weil viele Menschen die Frage nach einem würdevollen, selbstbestimmten Sterben beschäftigt. In der Schweiz ist zum ersten Mal eine Kapsel zum Einsatz gekommen, in die man sich legen kann, um angeblich schmerzfrei und würdevoll zu sterben. Auf Knopfdruck soll man sanft entschlafen. Eine 64-jährige Amerikanerin hat sich dafür entschieden. Die Schweizer Polizei hat nach ihrem Tod mehrere Personen festgenommen, weil der Einsatz der sogenannten Sterbekapsel nicht erlaubt ist. Was bedeutet der Fall für die Diskussion über Sterbehilfe? Mark Kleber hat sich darüber in seinem Standpunkt Gedanken gemacht.

Standpunkt:
„Violett ist die Farbe der Würde“ heißt es auf der Homepage der Organisation, die die Kapsel aus dem 3D-Drucker deshalb hat violett lackieren lassen. Würde – das ist der zentrale Begriff, um den sich seit Jahren die Diskussion über Sterbehilfe dreht.
Ja, über das schwierige Thema muss man in der Tat sprechen. Aber ich frage mich schon, wie würdevoll ist es, den Tod einer 64-jährigen Amerikanerin als gezielten Tabubruch zu nutzen, um möglichst viel Öffentlichkeit zu schaffen?
Und warum löst gerade diese Kapsel so viel Aufsehen aus? Liegt es an der Technik, die es mit einem Knopfdruck leichter machen soll, selbstbestimmt zu sterben? Stickstoff soll einem erst das Bewusstsein, dann das Leben nehmen. Oder liegt es am ungewohnt schicken Design, das für manche dem Sterben vielleicht etwas von seiner Bedrohlichkeit nimmt? Oder im Gegenteil, an der Beklemmung die die Vorstellung auslöst, technisch abgekapselt ohne menschliche Nähe zu sterben? Ich möchte das nicht.
Die Aufmerksamkeit für die sogenannte Sterbekapsel sollte aber nicht von den beiden Kernpunkten ablenken, um die es in meinen Augen geht. Der Erste ist: Wie wollen wir als Gesellschaft mit dem Wunsch von Menschen umgehen, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Vor vier Jahren schon hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass jeder Mensch das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben hat, und trotzdem haben wir immer noch kein entsprechendes Gesetz dafür, dass die dringend nötige Rechtssicherheit schafft. Das brauchen wir unbedingt.
Zweitens müssen wir genauso dringend alles für die Suizid-Prävention tun. Gründe für den Wunsch zu sterben sind oft schwere Krankheiten und die Angst vor Schmerzen. Aber auch Depressionen und Einsamkeit, ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft. Ich möchte nicht, dass Menschen sich aus Einsamkeit in ein Sterben auf Knopfdruck flüchten. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Menschen durch entsprechende Präventions-Angebote Alternativen aufgezeigt bekommen. Auch das ist für mich eine Frage der Würde.

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Autor/in
Kleber, Mark