Viele tausend Schülerinnen und Schüler sind in diesem Jahr auf Soldatenfriedhöfe gereist. Sie gedenken dabei der Opfer der aktuellen Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten.
Dennis Köppl, der Bildungsreferent des Volksbunds der Kriegsgräberfürsorge Rheinland Pfalz, berichtet im Gespräch mit SWR1 Sonntagmorgen von einem starken Interesse der Jugendlichen an einem intensiven Blick auf die Folgen der beiden großen Weltkriege. "Wenn wir mit einer Schulklasse das Schlachtfeld in Verdun besuchen", so Köppl, „dann ziehen die Schüler selbst schon den Krieg in der Ukraine in Betracht, stellen Vergleiche an und diskutieren darüber, was aktuell geschieht“.
Aktuelle Kriege sorgen für offene Diskussionen
Während Pädagogen oder Historiker vor einigen Jahren Zusammenhänge noch mit viel Zeitaufwand erklären mussten, ist dieses Wissen nach den Erfahrungen des Bildungsreferenten heutzutage bei vielen Schülerinnen und Schülern vorhanden, "weil sie es in den täglichen Nachrichten sehen".
Sehr intensiv beschäftigt sich die 20jährige Alina Weber aus Koblenz mit Kriegsgräbern. Sie war auf einigen internationalen Arbeitseinsätzen für den Volksbund, hat gemeinsam mit Helfern aus anderen Ländern Kriegsgräber gesäubert, in Workcamps viel über die vergangenen Kriege und ihre Folgen gelernt. "Ein Kriegsveteran hat mir einmal unter Tränen erzählt, dass er sehr um die ehemaligen Feinde trauert, die im Krieg gefallen sind", erzählt Alina Weber. Diese Begegnung habe sie unglaublich berührt. Dass sie während ihrer Zeit in verschiedenen Camps auch gelernt hat, Daumenklavier zu spielen, sei einer der positiven Nebeneffekte ihrer internationalen, ehrenamtlichen Arbeit.
Tausende Jugendliche zeigen Interesse
Nach Angaben des Volksbundes haben im Jahr 2024 bereits knapp 19.000 Jugendliche und junge Menschen an Veranstaltungen und Bildungsangeboten der Organisation teilgenommen.
Der Landesverband Rheinland-Pfalz ist Pate für die größte deutsche Kriegsgräberstätte in der Normandie, La Cambe. In Rheinland Pfalz betreibt der Volksbund gemeinsam mit der Landeszentrale für Politische Bildung ein Dokumentationszentrum in Bretzenheim an der Nahe. Die Exkursionen nach Verdun sind für die Vertreter des Volksbunds in Rheinland Pfalz weiterhin eine besonders gute Gelegenheit, authentisch und jenseits des Schulalltags über Kriegsfolgen und über die deutsche Geschichte zu informieren.
Eine Online-Datenbank ist von Bedeutung
Wichtig für den Volksbund in Baden-Württemberg ist auch das Angebot, über eine frei zugängliche Online-Datenbank ein persönlich wichtiges Grab zu finden. Insgesamt sind dort mehr als 5,4 Millionen gefallene oder vermisste deutsche Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs erfasst worden. Auf der Homepage des Volksbundes können User nach vermissten Angehörigen suchen und sie erhalten dort auch Informationen über die letzte Ruhestätte des oder der Verstorbenen.
Junge Menschen sind betrübt, aber nicht überrascht
Bildungsreferent Dennis Köppl beobachtet auf den Veranstaltungen des Volksbunds in Rheinland Pfalz, dass junge Menschen häufiger als früher über eine neue mögliche Wehrpflicht diskutieren oder auch über das Thema "Wehrfähigkeit“. Durch die Bilder und Berichte vom Krieg in der Ukraine, so Köppl, bekomme das Thema "Krieg“ für viele auch eine sehr persönliche Relevanz.
Schülerinnen und Schüler, so erlebt es der Volksbund-Mitarbeiter, wirkten an Kriegsgräbern betrübt, nicht aber überrascht oder schockiert.
Sogar in Russland geht die Arbeit weiter
Vor Ort in der Ukraine kann die Arbeit des deutschen Volksbunds weiterhin stattfinden, trotz des Krieges. Allerdings, so Köppl, nur in einigen Landesteilen. Und zur Überraschung mancher ist der Volksbund auch weiterhin in Russland aktiv. "Die eigentliche Kriegsgräber-Arbeit ist dort noch möglich", berichtet der Bildungsreferent aus Rheinland Pfalz. "Aber leichter geworden ist unsere Arbeit in Russland natürlich nicht", so Köppl im Gespräch mit SWR1 Sonntagmorgen. Was ihm beim Interview zur Arbeit des Volksbundes deutsche Kriegsgräberfürsorge wichtig ist: "Wir gehen auch mit der Frage offen um, warum deutsche Soldaten zu Tätern geworden sind und den Nationalsozialismus unterstützt haben. Dabei zeigen wir Lebenswege auf, erklären, was dazu geführt hat, dass bestimmte Menschen bestimmte Taten ausgeführt haben. Wir thematisieren das ganz direkt mit Jugendlichen auf einer Kriegsgräberstätte und zeigen auch diese schwierigen Biografien mit auf".
Moderator am Sonntagmorgen Hans Michael Ehl
Moderator am Sonntagmorgen