Am 11. November begehen Christen den Martinstag. Der Legende nach teilte Martin von Tours seinen Mantel mit einem Bettler. Die Erzählung steht für das Grundprinzip der Solidarität.
Mit dem Martinstag verbinden viele Menschen Kindheitserinnerungen an Laternenumzüge und das Martinssingen, wenn Kinder singend mit ihren bunten Laternen von Haus zu Haus ziehen und Süßigkeiten, Gebäck und andere Gaben bekommen.
Nicht nur etwas für Kinder
"Die Tradition des Martinstags fasziniert Kinder", sagt die Freiburger Professorin Ursula Nothelle-Wildfeuer. Als Kind habe sie selbst die Geschichte als Vorbild empfunden. "Aber Martin ist nicht nur eine Kinderfigur." Für die Theologin steht das solidarische Teilen des Mantels für etwas sehr Wichtiges, das man sich hin und wieder in Erinnerung rufen müsse, auch als Anspruch an sich selbst.
Solidarität als Grundpfeiler
Das Prinzip der Solidarität gelte von Mensch zu Mensch, "weil wir alle im selben Boot sitzen, weil wir alle zu dieser Gesellschaft, zu dieser Menschheit gehören." Daraus ergebe sich eine Verbindung "zu dem Anderen", auch wenn man ihn nicht kenne. Aus der Bibel ergibt sich für die Expertin der Impuls zu helfen. Das werde am Beispiel des barmherzigen Samariters sehr deutlich.
Solidarität - nicht nur eine Verhaltensnorm
Auf der anderen Seite ist für die Theologin Solidarität in unserer hoch komplexen und ausdifferenzierten Gesellschaft mehr als nur eine Verhaltensnorm zwischen zwei Menschen. "Wir haben einen Sozialstaat, der viel zu tun hat mit dieser dann institutionalisierten Solidarität. Wenn das verloren geht, geht eigentlich ein großer Teil des Gefüges unserer Gesellschaft verloren", mahnt sie.
Sozialstaat funktioniert
Der Sozialstaat und die Bereitschaft der Bürger, Steuern und Sozialbeiträge zu zahlen, hat viel Inspiration und Motivation aus dem Christlichen, sagt Nothelle-Wildfeuer. Trotz der zahlreichen Kirchenaustritte bekannten sich die Menschen oftmals noch genau zu diesem Wert. "Sie kehren nicht den Werten den Rücken sondern dieser Institution."
Die Theologin fragt sich allerdings, wie lange dieses Prinzip noch funktionieren werde. Sie glaube, dass es eine "Werte-Erzähl- und Glaubensgemeinschaft" brauche. "Irgendwo müssen diese Geschichten ja weitererzählt werden."
Caritas und Diakonie weiter hoch im Kurs
Die Kirchen erleiden laut verschiedenen Untersuchungen derzeit einen Ansehensverlust, sagt Ursula Nothelle-Wildfeuer. Gleichzeitig seien die Institutionen Caritas und Diakonie immer noch sehr im Bewusstsein der Menschen - stellvertretend für den christlichen Beitrag zur Wohlfahrt in der Gesellschaft. Dies werde von den Menschen weiterhin sehr geschätzt und sei gleichzeitig eine ganz zentrale Dimension kirchlichen Lebens und Handelns.
Moderator am Sonntagmorgen Hans Michael Ehl
Moderator am Sonntagmorgen