Im Haus der Geschichte in Bonn werden handschriftliche Zeitzeugnisse gesammelt. Wir haben mit dem Sammlungsdirektor Dr. Manfred Wichman über die Highlights gesprochen.
Die Steuererklärung auf einem einzigen Bierdeckel, ein Redemanuskript von US-Präsident Ronald Reagan, eine Gerichtszeichnung aus einem RAF-Prozess oder der Schabowski-Zettel, der die Wende ausgelöst hat. Diese und viele andere Belege deutscher Zeitgeschichte hat das Haus der Geschichte in Bonn in seinen Sammlungen. Wir haben mit Dr. Manfred Wichman, dem Sammlungsdirektor gesprochen.
Berühmte Spickzettel und Bierdeckel
SWR1: Zu den Highlights in Ihrer Sammlung gehören ein berühmter Bierdeckel genauso wie der berühmte Elfmeter-Spicker von Jens Lehmann von der Fußballweltmeisterschaft 2006.
Manfred Wichmann: Ganz genau. Es ist auch ganz schön, dass solche Zettel wie der Elfmeterspickzettel bei uns landen. Also nicht nur die offiziellen, sondern auch die, die Menschen helfen. Wir haben auch den Bierdeckel von Friedrich Merz, auf dem er damals seine Beispielrechnung für die Reform der Einkommenssteuer 2004 skizziert hat.
Im Rahmen einer CDU-Wahlkampfveranstaltung in Hamburg hat er auf Nachfrage eines Journalisten diese Berechnung für eine Familie auf einem Bierdeckel tatsächlich berechnet. Es ist ein schönes Stück, weil es genau diese Diskussion um die Einkommenssteuerreform oder überhaupt die Bürokratisierung in Deutschland ganz wunderbar zeigt.
Wie der "Schabowski-Zettel" und der Fall der Mauer zusammenhängen
SWR1: Sie haben auch den berühmten "Schabowski-Zettel" aufgehoben?
Wichmann: Wir haben dazu das Dokument, den sogenannten "Schabowski-Zettel", also seinen Notizzettel, den er sich für die Pressekonferenz damals erstellt hat. Diese tatsächlich weltbewegende Nachricht, die ist auf dem Zettel ganz unten erst zu finden und auch nur ganz kurz mit "Verlesen Text Reiseregelung".
Es ging um eine neue Reiseregelung, mit der die DDR-Regierung eine Lösung finden wollte. Eigentlich sollte diese Regelung nur für einen ganz kleinen Teil gelten, nämlich für die DDR-Bürger, die einen Reisepass besaßen. Und es sollte noch überhaupt nicht mit einer Sperrfrist verkündet werden.
Was Schabowski dann auf Nachfrage der Journalisten sagen musste, "das gilt ab sofort, unverzüglich", hat dann den Weg in die Nachrichten gefunden und natürlich auch die Menschen in der DDR und in Ost-Berlin bewegt und letztendlich zum Fall der Mauer geführt.
SWR1: Berühmt ist auch das Redemanuskript von US-Präsident Ronald Reagan aus Ihrer Sammlung. Was hat es damit auf sich?
Wichmann: Wir zeigen in der Ausstellung auch das Redemanuskript, das Ronald Reagan bei seinem Berlin-Besuch 1987 direkt vor der Berliner Mauer am Brandenburger Tor gesprochen hat. Wir präsentieren nicht nur dieses Redemanuskript, wo man auch sehen kann, an welchen Stellen er eine Pause machen soll und seine eigenen kleinen Notizen drin hat. Sondern wir haben eben auch das Audio dazu, und bei uns in der Mediathek kann man sich dann zum Beispiel die ganze Rede auch noch einmal anhören.
Wir haben auch Karikaturen, die genau diese Rede in der politischen Presse zeigen. Also es geht immer darum, ein gesamtes Bild zu nehmen und nicht nur das Einzeldokument. Aber es ist natürlich wunderbar, wenn wir so wie mit dem Schabowski-Zettel wirklich Dokumente haben, die heute zum Weltdokumentenerbe zählen und damit eigentlich Kulturerbe der ganzen Menschheit sind.
Zeichnungen von großen Gerichtsprozessen
SWR1: Auf welches Schriftstück sind Sie besonders stolz?
Wichmann: Es sind die Gerichtszeichnungen von Erich Dittmann. In deutschen Gerichtsverhandlungen darf ja nicht fotografiert und nicht aufgezeichnet werden. Deswegen haben wir Zeichnungen aus mehreren Jahrzehnten von dem berühmten Gerichtszeichner Erich Dittmann. Es sind unter anderem Zeichnungen von den RAF-Prozessen, von Manfred Roeder, von Rechtsextremismus-Prozessen oder auch von Spionageprozessen gegen DDR-Spione.
SWR1: Welchen Zetteln würden Sie gerne im Museum haben und ausstellen?
Wichmann: Wir würden natürlich gerne das Redemanuskript von Olaf Scholz zur Zeitenwende im Bundestag in die Sammlung übernehmen. Am besten mit seinen kleinen Anmerkungen und Korrekturen. Denn wir sammeln auch die Gegenwart, und das ist unsere wichtige Aufgabe.
Das Gespräch führte Dörte Tebben.
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