Wer gut schlafen will, kann viel dafür tun. Zum Beispiel sollte man sich für die Zeit "entpflichten". Was das heißt, erklärt Schlafforscher Dr. Weeß.
Der frühe Vogel fängt den Wurm – wer dagegen lange schläft, gilt in unserer Gesellschaft als faul. Absolut falsch, meint Schlafforscher Dr. Hans-Günter Weeß. Er ist Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums am Pfalzklinikum Klingenmünster und erklärt, worauf es ankommt.
SWR1: Herr Weeß, haben Sie gut geschlafen?
Dr. Hans-Günter Weeß: Ja, ich weiß ja, wie es geht. Und daher schlafe ich meistens gut.
SWR1: Okay, dann will ich aber natürlich jetzt direkt den Trick wissen...
Weeß: Entspannen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Die großen und die kleinen Sorgen vor der Schlafzimmertür lassen und sich selig in sein Kissen hineinkuscheln, an schöne Dinge denken und nicht schlafen wollen. Dann kommt der Schlaf von ganz alleine.
Was tun bei Schichtarbeit?
SWR1: Das klingt herrlich, und es klingt auch so einfach. Aber wir haben ja heute Morgen zum Beispiel SWR1 Hörer Tom Hens aus Worms gehört, der mit der Nachtschicht nicht zurecht kann, deshalb den Job gewechselt hat, aber immer noch Schlafprobleme hat. Was macht das mit einem, wenn man nachts arbeiten muss, anstatt zu schlafen?
Weeß: Wir leben wider unsere Natur. Alle unsere Biorhythmen sind an den Helldunkel-Rhythmus und damit an den Schlaf-Wach-Rhythmus gekoppelt. Und unser Körper ist nachts erstmal auf Erholung auf Regeneration ausgerichtet und am Tage auf Leistungsfähigkeit. Und wenn wir jetzt das umkehren, nachts arbeiten und Tag schlafen sollen, dann haben wir schon mal ein biologisches Handicap. Wir haben viel Cortisol, wir haben wenig von dem Schlafbotenstoff Melatonin. Unsere Körperkerntemperatur steigt an. Das sind biologische Handycaps, da kann man nicht so gut schlafen.
Aber es ist oft auch so, dass da noch andere Ursachen sind, die man verkennt, wie falsches Verhalten oder eine falsche innere Einstellung. Wenn man in der Industrie eine gefährliche Maschine bedient, bekommt man eine Sicherheitseinweisung oder einen Lehrgang. Aber wenn man die gesundheitsgefährdende Schichtarbeit beginnt, bekommt man keine Einweisung. Das wäre hilfreich für viele, denn wir hätten dann weniger Schlafstörungen bei Schichtarbeitern.
SWR1: Sie haben die Dunkelheit angesprochen. Das heißt, wenn die Nachtschichtler tagsüber schlafen, sollten sie unbedingt den Rollladen heruntermachen?
Weeß: Ja. Grundsätzlich ist es ja dunkel, wenn die Augen zu sind. Aber es kann bei Tagschlaf schon besser sein, wenn der Rollladen unten ist und wenn man nach Möglichkeit im schallisolierten Raum schläft. Es ist nicht immer so ganz einfach, sich abzuschotten.
Wichtig ist, dass man sich entspannt, dass man sich "entpflichtet" und gleich nach der Nachtschicht noch einen Rest Melatonin mitnimmt und gleich ins Bett geht. Und das war jetzt bei dem Beispiel eben nicht der Fall. Da war es noch so, dass morgens erst das Frühstück für die Kinder gemacht und die Kinder dann noch in die Schule gebracht wurden. Und das war wahrscheinlich einer der Gründe, warum es mit dem Tagschlaf so viele Probleme gab.
Wirkung von Alkohol
SWR1: SWR1 Hörer Helge Waigel aus Boppard hat geschrieben. Er hat sich angewöhnt, nach seiner jahrzehntelangen Nachtschicht zweimal am Tag zu schlafen: von 12:30 Uhr bis 17 Uhr und dann noch mal von 20:30 Uhr bis 00:30 Uhr. Und er schreibt auch, dass es ganz wichtig ist, keine Termine zu den Ruhezeiten wahrzunehmen. Und mittags vor dem Schlafen gern mal ein Feierabendbier, schreibt er mit Zwinkersmiley. Ist Alkohol die Lösung?
Weeß: Nein, ist es nicht. Es ist nur ein vermeintlich guter Schlafratgeber, weil der Alkohol uns entspannt, uns runterholt, also letztendlich wirkt wie eine Schlaftablette. Aber die Quittung kommt sofort: Der Tiefschlaf wird unterdrückt, der Schlaf wird unruhig, man hat eher Albträume, man schwitzt. Das kann ich nicht empfehlen, vor allem nicht in zu hoher Dosis.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
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