Bahn-Pendler fluchen, weil die GDL-Lokführer wieder streiken. Auch Andreas Zimmer aus Lustadt (Südpfalz) streikt. Er schildert uns, welche Probleme ihm sein Job im Alltag macht.
SWR1: Können Sie verstehen, dass viele Bahnpendler kein Verständnis mehr für die Streiks haben?
Andreas Zimmer: Ja, zum Teil kann ich das schon nachvollziehen. Wenn die Bahn an sich schon relativ unzuverlässig ist, aufgrund der bekannten Mängel, und wir dann noch dazukommen und sagen: Wir gehen jetzt in den Ausstand und fordern mehr Geld.
SWR1: Für Sie persönlich ist die GDL-Forderung, die wöchentliche Arbeitszeit bei gleichem Lohn auf 35 Stunden zu reduzieren, am wichtigsten. Was macht Ihren Beruf so anstrengend, dass das gerechtfertigt wäre?
Zimmer: Das ist einfach die körperliche Belastung und auch die Belastung im sozialen Umfeld. Das Problem ist, wir haben einen unterschiedlichen Wechseldienst-Rhythmus. Das heißt, ich kann am einen Tag um 3.50 Uhr anfangen. Am nächsten Tag um 5.30 Uhr am dritten Tag um elf Uhr, dann um 16 Uhr, und dann springt es wieder auf drei Uhr morgens. Das geht an die Substanz für den Körper. Dementsprechend braucht man auch Erholungszeiten.
Dann hat sich in den letzten Jahren auch die Belastung innerhalb der Schichten enorm gesteigert. Wir kommen in den Schichten teilweise nicht mehr richtig zur Ruhe. Wir haben maximal noch die gesetzliche Arbeitsschutz-Pause von einer halben Stunde, und die wird noch gestückelt auf zweimal 15 Minuten oder dreimal 15 Minuten. Für mich und die Kollegen ist es meistens so, dass wir es dann vielleicht mal packen, uns einen Kaffee zu organisieren. Beim Essen scheitert es dann schon, weil wir ja auch zwischendrin mal auf die Toilette müssen.
SWR1: Wo merken Sie die Schichtdienst-Belastung in der Familie?
Zimmer: Schlimmstes Beispiel ist mein Sohnemann, der inzwischen 16 Jahre alt ist. Er hat mir irgendwann mal, als er älter geworden ist., gesagt: "Papa, früher, als ich kleiner war, warst Du für mich eigentlich kein Papa, weil du nie da warst."
SWR1: Das tut weh...
Zimmer: Das tut extrem weh. Und wir haben auch eine relativ hohe Quote bei den Kollegen, wo Familien auseinanderbrechen wegen der Belastung. Weil die Kollegen zwei Tage vorher angerufen werden und es heißt: "Du hast da eine Frühschicht, das fährst Du jetzt nicht mehr. Du fährst eine Spätschicht."
SWR1: Ein Gegenargument der Bahn ist, dass man die Lokführer nicht einfach weniger arbeiten lassen könne, weil es gar nicht genügend gibt. Da wird also dringend Nachwuchs gebraucht. Würden Sie trotz allem ihren Job weiterempfehlen?
Zimmer: Ja, weil der Job mir Spaß macht. Und zu der Argumentation vom Arbeitgeber muss ich sagen, wir brauchen definitiv Nachwuchs. Und die Zahlen, die Herr Seiler (Anmerk. d. Redaktion: Martin Seiler, Personalchef der Deutschen Bahn) in den Raum gestellt hat, dass wir mit 10.000 neuen Leuten bei hunderttausend Mitarbeitern - Lokführer und Zugbegleiter - im Schichtdienst wären Das wäre die Hälfte der Gesamtbelegschaft des Konzerns - da passen die Zahlen nicht. Entweder kann ich nicht rechnen oder unser Arbeitgeber, der Herr Seiler.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
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