Eine Ausstellung in den Rüsselsheimer Opelvillen über "Bravo"-Starschnitte zeigt, wofür Jugendliche in den 1960er bis 2000er Jahren schwärmten. Einige Stars provozierten damals ganz besonders, erzählt uns die Kuratorin der Ausstellung, Beate Kemfert.
Den Anfang der "Bravo"-Starschnitt-Geschichte machte 1959 die französische Schauspielerin Brigitte Bardot. Sie durfte als Erstes in den vielen deutschen Jugendzimmern auseinander geschnitten, zusammengeklebt und an die Wände geheftet werden. Woche für Woche konnten die jungen Fans der Schauspielerin auf einen neuen "Teil" von Brigitte Bardot warten, um nach Monaten dann eine vollständige Schauspiellegende im Zimmer hängen zu haben – in Lebensgröße!
Beatles, ABBA und viele mehr waren mit dabei
Vier Jahrzehnte lang wurden die lebensgroßen Puzzle-Poster mit den größten Popstars der Welt als Starschnitt in die "Bravo" gepackt und zu einer der beliebtesten Kategorien der Jugendzeitschrift. Mit dabei waren unter anderem: die Beatles, Suzi, Quatro, Michael J. Fox, Mick Jagger, Udo Lindenberg oder auch ABBA.
Ausstellung in den Opelvillen
Diese Starschnitte und viele mehr sind ab dem 25. Juni in der Ausstellung "Bravo-Starschnitte. Eine Sammlung von Legenden" in den Rüsselsheimer Opelvillen zu sehen. Beate Kemfert ist Kuratorin und Stiftungsvorstand der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim. Im SWR1 Interview erzählt sie, welche Stars am meisten provozierten und wie das Lebensgefühl damals mit der Zeitschrift "Bravo" war.
SWR1: Wie sehr hatte das die Eltern damals provoziert? Also zum Beispiel so ein Starschnitt von Skandal-Rocker Alice Cooper mit schwarz geschminkten Vampiraugen. Der sah damals ja schon aus wie eine tote Fledermaus.
Beate Kemfert: Ja, ja, ja. Sie können sich vorstellen, das Elternhaus war natürlich prüde, die Jugendzimmer waren jetzt gerade mal mit ersten Postern bestückt, und dann das lebensgroß. Und dazu kommt – dank Ihrer Beschreibung – aber auch noch eine riesige Sicherheitsnadel auf der Hose, und zwar platziert am Reißverschluss. Das hat natürlich auch viel mit dem Sprengen von Werten zu tun, der Prüderie und so weiter. Die Provokation sollte natürlich auch eine Ablösung vom Elternhaus sein.
SWR1: Und dann musste das ja noch bezahlt werden. Die Eltern haben den Kindern garantiert kein Geld dafür gegeben, oder?
Kemfert: Ich habe sogar in meiner Schulklasse einige gehabt, die durften "Bravo" gar nicht kaufen. Meine Eltern waren liberal, aber ich hatte wirklich kaum das Geld. Ein Heft hat eine D-Mark gekostet, das war viel. Und wenn Sie sich vorstellen: wenn Sie pro Woche so viel ausgeben... Also bei den Beatles Mitte der 60er Jahre musste man über 40 Ausgaben sammeln, das war dann schon ein Haufen Geld.
Die Teenie-Schwärmereien der SWR1 Moderatoren
SWR1: In der Starschnitt-Ausstellung zeigen Sie vor allen Dingen Frauen. Gab es denn mehr weibliche als männliche Starschnitte?
Kemfert: Insgesamt gab es 118 aus vielen verschiedenen Teilen zusammengesetzt, also ein wirkliches Puzzle, was man da zu erledigen hatte. Und von diesen 118 sind die Frauen eher in der Minderzahl. Aber als ich jetzt die Auswahl getroffen und eingedampft habe, habe ich mich gefragt, was ist der erste Starschnitt, was ist wichtig in der Erzählung? Das sind Frauen aus meiner Generation, der Boomer-Generation, wie Diana Rigg als Emma Peel, also Karate-Emma und Suzi Quatro 1973 ganz in Leder. Auch Juliane Werding ist wieder zu entdecken als "Shopper-Mietze", so hat sie "Bravo" damals genannt, also viele, viele Power-Frauen. In der neueren Zeit dann eben Madonna oder Britney Spears.
SWR1: Das erste Motiv der lebensgroßen Poster war die französische Filmschauspielerin Brigitte Bardot. Wie aufsehenerregend war denn das? Das ging ja, glaube ich, los mit einem Fuß, wo es dann hieß, "das ist der Fuß, der nackte Fuß".
Kemfert: Genau. Es wurde dann aber auch schon gleich offeriert, dass es sich um die Brigitte Bardot handelt. Und man hat dann den ganzen Starschnitt sammeln können und auch das war am Anfang schon wirklich ein Skandal. Es war einmal ihre Pose, sie ist aber auch in Deutschland durch den Film "Ewig lockt das Weib" berühmt geworden, ein paar Jahre zuvor mit Curd Jürgens. Das war auch schon Zündstoff und dann nicht nur diese Pose, sondern auch das wenige, was sie trägt. Also diese Beine, die wollen nicht enden und sind in Netzstrümpfen mit ganz ausgeschnittenem schwarzem Oberteil. Das war schon so schwarz-weiß gehalten, aber ich würde sagen, das war schon sehr sexy an der Wand.
SWR1: Es gibt einen abgetrennten Wild-West-Raum mit Pierre Brice als Winnetou und Lex Barker als Old Shatterhand. Gibt es denn noch mehr Spezialräume?
Kemfert: Ja, von Mick Jagger sozusagen einen kleinen Raum, der nur ihm gewidmet ist. Mick Jagger hat einen ganz bubihaften Starschnitt mit so einem T- Shirt an, dazu aber Fotografien, die ihn auch auf der Bühne zeigen. In schwarz-weiß aus den 70er Jahren, wo man sich auch so schon vorstellen kann, wie er sich eigentlich bewegt hat. Und er bewegt sich immer noch so, wenn er auftritt. Und dazu als Original eine Tournee-Jacke von ihm aus Leder aus dem Stones Museum.
Das Interview führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
Das ganze Gespräch können Sie hier als Audio in voller Länge nachhören.
Mehr Informationen über die Ausstellung
Die Ausstellung "'Bravo-Starschnitte. Eine Sammlung von Legenden" ist vom 25. Juni bis zum 1. Oktober 2023 in den Opelvillen Rüsselsheim zu sehen.
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