In den vergangenen Monaten häufen sich die Schlagzeilen gewalttätiger Auseinandersetzungen. In Rheinhessen haben sich Eltern während einer Tanzaufführung ihrer Kinder geprügelt und auf einem Parkplatz in der Pfalz gab es eine Schlägerei.
Katrin Hoster ist Wut-Coachin in Mannheim. Zu ihr und ihren KollegInnen kommen Menschen, die mit ihren Aggressionen nicht mehr zurechtkommen. Hier gibt sie Tipps für Alltagssituationen.
SWR1: Sie sagen, Sie haben seit dem Corona-Lockdown mehr zu tun. Woran liegt das?
Hoster: Der Lockdown war einer der ursprünglichen Auslöser. Das Eingesperrt-Sein, die Sorgen gesundheitlicher Natur, viel Unzufriedenheit. Es ging danach aber auch eigentlich weiter. Es waren immer verschiedene Dinge, die die Leute bedrückt haben, wie die wirtschaftliche und politische Lage, Krieg, Insolvenzwelle, zum Teil die Spaltung der Gesellschaft wegen verschiedener Themen. Das hat sich in den letzten Jahren sehr vermehrt. Was wir auch immer wieder wahrnehmen, ist, dass es seit sehr vielen Jahren auch schon ein bisschen stärkere Gewalt zum Beispiel in Rap-Songs oder in Computerspielen gibt. Das ist auch etwas, was den Pegel erhöht. Das sind Bereiche, die für Unzufriedenheit sorgen, die für Angst sorgen, die Frustration aufbauen. Und all das entlädt sich dann auch gerne mal in Alltagssituationen.
SWR1: Wie arbeiten Sie mit Ihren Klienten? Wie funktioniert das, als Wut-Coach zu coachen?
Hoster: Wir müssen erstmal herausfinden, wo die Wut genau herkommt, also Ursachenforschung betreiben. Danach geht es darum, diese einzelnen Ursachen Stück für Stück anzugehen und da in verschiedensten Bereichen zu arbeiten. Wut ist doch manchmal ein komplexeres Thema, als man weithin glaubt. Das Ganze ist aber auch etwas, das sich wunderbar lösen lässt. Und keiner ist eigentlich so verkorkst, dass man nicht wieder arbeiten könnte.
SWR1: Was raten Sie den Menschen im Umgang mit anderen Menschen, die ein erhöhtes Aggressionspotenzial haben?
Hoster: Was schon mal unglaublich hilfreich ist, ist schriftlich mit seinen Aggressionen umzugehen. Das heißt immer, wenn man sie verspürt, mal aufzuschreiben und zu gucken, wann, wo, mit wem, warum ist das aufgetreten. Das alleine hilft schon immens, um Abstand zu kriegen und sich selber besser kennenzulernen. Dann hat man auch die Chance, wirklich mehr über sich zu erfahren und daraufhin auch mehr zu tun.
Wenn andere Menschen aggressiv sind, ist es am besten, wirklich wegzugehen, wenn man das irgendwie kann. Also einen guten Exit-Plan zu haben und ohne unhöflich zu sein zu gehen, beispielsweise mit dem Satz "wir können das ja später noch einmal besprechen" oder "ich muss jetzt ganz dringend irgendwohin". Denn gerade in solchen Situationen, in denen man die Leute nicht kennt und nicht weiß, ob sie tatsächlich körperlich gewalttätig werden könnten, ist es immer sicherer, sich zurückzuziehen.
Wenn das nicht möglich ist, dann kann ich nur empfehlen, dass man absolut immer auf der Sachebene bleibt. Also dass man das Gegenüber niemals persönlich angreift oder überhaupt Bemerkungen zu seiner Person macht, sondern immer themenbezogen bleibt und möglichst deeskalierende Sprache benutzt. Immer einen ruhigen Tonfall behalten und versuchen klarzumachen, hier ist doch keiner gegen keinen. Also mit Worten und auch der Tonlage und der Körperhaltung defensiv auf die Person einzugehen.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.
Mehr Informationen zu den Wut-Coaches aus Mannheim finden Sie unter wut-coaches.de
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