Lehrkräftemangel in Baden-Württemberg - wo hakt's im Bildungssystem?

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Die Sommerferien 2022 sind zu Ende, die Schule läuft wieder. Die Frage ist allerdings: Wie gut läuft die Schule tatsächlich? Denn in Baden-Württemberg gibt es zu wenig Lehrer:innen, fast 900 Stellen sind unbesetzt.

Manche Regionen haben Glück, andere suchen aber händeringend nach Lehrkräften. Thorsten Kuß ist Schulleiter der Johannes-Kepler-Gemeinschaftsschule in Mannheim. Ihm und seinen Kolleg:innen geht es noch vergleichsweise gut.

»Entspannt würde ich mich jetzt vielleicht nicht zurücklegen. Aber wir sind tatsächlich eine der Schulen, die Glück haben. Wir sind nämlich derzeit gut versorgt. An unserer Schule muss derzeit wegen Lehrkräftemangel kein Unterricht ausfallen, das kann sich aber auch schnell wieder ändern.«

Hoher Migrantenanteil erfordert besondere Aufmerksamkeit

Ein Grund für die gute Lage an Kuß' Schule könnte sein, dass dorthin auch Kinder gehen, von denen viele kein einfaches Zuhause haben und die oft auch noch in Deutsch gefördert und unterstützt werden müssen.

»Ich glaube, dass das tatsächlich ein Grund sein könnte, weshalb wir gut versorgt sind. Wir brauchen Lehrer, damit wir unsere Schüler dementsprechend fördern können. Wir haben einen hohen Migrantenanteil, wir haben Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen und prekären Familienverhältnissen und von daher wäre es bei uns, glaube ich, besonders schwierig, wenn wir nicht genügend Lehrer hätten..«

In der Kritik: Kündigung über die Sommerferien

In Baden-Württemberg sind auch im Sommer 2022 wieder befristet angestellte Lehrkräfte über die Ferien hinweg entlassen worden. Das Kultusministerium will damit Geld sparen - nicht nur die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW kritisiert das heftig.

»Das Thema Wertschätzung für unsere sehr anspruchsvolle Arbeit kommt mir dabei sofort in den Sinn. Wenn tausende Lehrer Ende des Schuljahres entlassen werden ist das schon echt unverständlich. Das sollten uns die Bildung und unsere Kinder unsere Zukunft Wert sein!«

Bildungsministerin Theresa Schopper im SWR1 Baden-Württemberg Interview

Im Interview mit "Guten Morgen Baden-Württemberg" geht die Bildungsministerin Theresa Schopper auf die Freistellung von Lehrkräften über die Sommermonate ein:

»Ein Großteil der Menschen, die befristet bei uns Stellen haben (...) haben kein abgeschlossenes wissenschaftliches Studium. Das eigentlich Voraussetzung für den Schuldienst ist. Ich habe da eine Lösung gefunden, für die, die schon lange bei uns im Dienst sind (30 Monate) und gute Bewertungen bekommen haben: die wurden entfristet. Wir haben aber natürlich auch unter denen, die die Sommerferien über nicht durchbezahlt werden, welche, die eben nicht in ländlichere Regionen wollen. Die aber warten darauf z.b. in Freiburg oder Heidelberg eine befristete Stelle zu bekommen. Die gehen bewusst das Risiko ein, dass sie dann eben über die Sommerferien nicht bezahlt bekommen. Weil sie einfach nicht in andere Regionen wollen.«

Wie sind Eure Erfahrungen mit dem Lehrermangel?
Bis 2030 werden zwischen 30.000 und 80.000 Lehrkräfte an unseren Schulen fehlen, warnt Oberstudienrat Bob Blume. Posted by SWR1 Baden-Württemberg on Tuesday, September 20, 2022

»Selbstgemachtes Leiden! Wer als Arbeitgeber regelmäßig seine Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schickt, braucht sich nicht zu wundern, wenn niemand bei ihm arbeiten möchte. Jeder "zivile" Arbeitgeber darf "sachgrundbezogene" Befristung(en) von Arbeitsverhältnissen max. 2x wegen dem gleichen Grund verlängern, danach muss die unbefristete Anstellung erfolgen.«

Der Wert von Bildung und Erziehung

Unterstützung für die Forderungen von Bob Blume kommt auch von der GEW Landesvorsitzenden Monika Stein. Sie war zu Gast in SWR1 Leute und hat sich auch zum Thema größere Klassenstärken und den Modellversuch "Keine Noten an Grundschulen" geäußert.

»Wie viel ist uns Bildung wert? Je kleiner die Klassen sind - das behaupte ich jetzt einfach - desto individueller können wir auf die Schüler eingehen. Und ich glaube, es kann nie genügend Lehrkräfte geben. Von daher ist das sicherlich eine Sache, die man diskutieren muss.«

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SWR