"Verfilmte" Songs gab es schon vor den Beatles und ihren Ausflügen auf die Leinwand, aber mit dem Musiksender MTV wurden die 80er zum Jahrzehnt der Musikvideos.
David Bowie: Ashes To Ashes
Sprung in eine ganz andere Welt, in die Kunstwelt des David Bowie: schon immer ein Ausnahmekünstler und interessiert daran, auch in seinen Bühnenshows Musik und Performance zu vereinen. Da ist es nicht überraschend, dass er seine Songs auch filmisch umzusetzen versuchte.
"Ashes To Ashes" nimmt uns mit in eine surreale Welt zwischen Gummizelle und fernen Planeten, mit einem als Weißclown geschminkten David Bowie als Führer. Letztendlich zeigt er uns damit, dass der Weltraumtrip von "Major Tom" in "Space Oddity" nichts anderes als ein Drogentrip war. Das damals mit 250.000 Pfund sehr teure Video war ein Vorreiter und Türöffner für Kunst und Kreativität abseits von Standard-Pfaden bei Musikvideos.
Visage: Fade To Grey
Optisch eindeutige Bezüge zu David Bowie nimmt das Musikvideo des 1980er-Hit "Fade To Grey" von Visage. Wohl auch, weil Sänger Steve Strange selbst in Bowies "Ashes to Ashes"-Video mitgespielt hat. In "Fade to Grey" verneigt er sich vor seinem Vorbild mit einer Referenz an den Weißclown.
"Visage" zählen zu den "New Romantics", einer Untergruppe des New Wave, der Optik und Aussehen besonders wichtig war. "Visage" bedeutet deshalb nicht nur "Gesicht", sondern steht auch als Verkürzung für "Visual Age", visuelles Zeitalter.
Peter Gabriel: Sledgehammer
Ein weiterer Künstler, der sich abseits des Mainstream bewegt, ist Peter Gabriel. Wie David Bowie auch ein "Konzept-Künstler", schafft er 1987 mit "Sledgehammer" ein weiteres ikonisches Musikvideo der 80er.
Nichts an diesem Video ist traditionell - Regisseur Stephen R. Johnson greift tief in die Trick(film)kiste. Gabriel filmt er im "Pixilation"-Verfahren, es gibt keine einzige "normal gefilmte" Sequenz von ihm. Dazu animiert er Knetfiguren, Hintergründe und Objekte mit "Stop Motion"-Technik. Die bewusst ruckeligen Bewegungen der Einzelbilder geben dem fertigen Video seinen ganz spezifischen Look.
Zwischenfrage: was ist Euer Top-80er-Video?
Sinead O'Connor: Nothing Compares 2U
Es geht aber auch wesentlich einfacher und: nicht weniger eindrucksvoll. Bestes Beispiel ist Sinead O'Connors Cover des 1984er Prince-Songs "Nothing compares 2U". Der Fokus des Videos liegt auf Großaufnahmen von O'Connors Gesicht. Sie verabschiedet damit auch die aufwändigen Videos der 80er und zeigt den Weg in die 90er. Wenn ihr am Ende des Songs Tränen übers Gesicht laufen, schlucken wir auch heute noch...
Michael Jackson: Thriller
Aber zurück zum "ganz großen Besteck". Hollywood Regisseur John Landis ("Blues Brothers") schuf 1983 mit seinem Video zu "Thriller" einen echten Meilenstein der Musikgeschichte. Es war deutlich länger als der ursprüngliche Song und gilt damit auch als eigenständiger Film - die Bezeichnung Musikvideo passt eigentlich nicht mehr.
Aufwändiges Horror-Make up nimmt Bezug auf seinen Kinohit "American Werewolf" (das Wolfsknurren bei der Verwandlung von Michael Jackson stammt tatsächlich aus diesem Film), die Choreographie von Michael Peters war stilprägend. Im deutschen Fernsehen durfte das Video übrigens aus Jugendschutzgründen anfangs erst nach 22 Uhr ausgestrahlt werden.
Duran Duran: Wild Boys
Duran Duran war die Band, die wohl am meisten von MTV profitiert hat. In den USA wurden die Briten erst zu Stars, als der Musiksender ihr "Hungry Like The Wolf"-Video spielte - eine im Stil von Indiana Jones erzählte Abenteuer-Geschichte. Beeindruckender, aufwändiger und stilprägender aber war das Video zu "Wild Boys".
1 Million Dollar nahm Regisseur Russell Mulcahy ("Highlander") in die Hand, baute in den Londoner Pinewood-Studios ein riesiges Set aus Wasserbecken, Windmühle und großen Metallgerüsten auf - alles im Look der Mad Max Filme. Für ihn sollte dieses Video Mittel zum Zweck sein: er wollte damit seine Ideen für einen Spielfilm nach "The Wild Boys" von Autor William S. Burroughs promoten, zu dem Duran Duran den Soundtrack beisteuern sollten. Es blieb bei dem Video - das aber wurde Kult.
George Michael: Freedom! '90
Der Titel ist Programm: Freiheit! Sich dem Druck der Musikindustrie verweigern, keine Lust darauf, in einem Musikvideo den zentralen Kasper zu spielen. Auf diesen Nenner kann man wohl bringen, wie sich George Michael Ende der 80er Jahre fühlte. In "Freedom! '90" rechnet er nicht nur mit seiner Vergangenheit bei WHAM! ab, sondern auch mit dem falschen Weg, den die Musikindustrie seiner Meinung nach einschlug - und bereitet damit ein neues Jahrzehnt vor.
Er spricht mit Regisseur David Fincher ("Sieben", "Panic Room", "Benjamin Button") und unterbreitet ihm eine damals radikale Idee: er, George Michael, werde in dem Musikvideo zum Song nicht zu sehen sein. Stattdessen engagieren die beiden fünf absolute Topmodels, die im Video den Song lipsyncen sollten. "Schöne Frauen in Hochglanzvideos" - MTV spielt das Video rund um die Uhr und bestätigt damit, was George Michael beweisen wollte: nicht das Talent des Künstlers zählte mehr, sondern nur noch der Look des Videos.
Godley & Creme: Cry
Kevin Godley und Lol Creme - die beiden Briten gehören gleich aus zwei Gründen in unsere Liste der "einflußreichsten Musikvideos der 80er". Zum einen durch ihre eigenen Videos, zum anderen, weil sie in diesem Jahrzehnt zu den stilprägendsten Produzenten von Musikvideos anderer Künstler gehörten.
The Police, Duran Duran, Frankie Goes to Hollywood, Yes, Culture Club, Sting, Thompson Twins, Huey Lewis, Peter Gabriel - sie alle wollen für ihre Songs den Look von Godley & Creme. Deshalb tauchen die beiden in unserer Liste auch mit zwei Videos auf. Zum einen mit ihrem eigenen Hit "Cry", dessen schwarz-weißes Morphing von Gesichtern auch heute noch aktuell wirkt.
Peter Gabriel & Kate Bush: Don't Give Up
Zweites Video von Godley & Creme: "Don't Give Up", das Duett von Peter Gabriel und Kate Bush. Eine einzige Kamera-Einstellung, keine Schnitte - die beiden drehen sich engumschlungen umeinander, während im Hintergrund eine Sonnenfinsternis zu sehen ist. "Reduce to the max" - aufs Wesentliche reduziert...
a-ha: Take On Me
Im zweiten Anlauf zum Hit und zu einem der Top-Musikvideos aller Zeiten. 1984 veröffentlicht, lief der Song "so einigermaßen". Erst das Musikvideo von Steve Barron machte ihn 1985 - zusammen mit MTV, das das Video "in Dauerschleife" sendete - zum Welthit. Die Besonderheit: die Mischung von Real- und Trickfilm.
"Rotoskopie" kannte man bis dato in Musikvideos nicht - bei dieser Technik wird zunächst eine Szene ganz normal gedreht, dann in Einzelbildern auf einen Zeichentisch projiziert und dort Bild für Bild von einem Grafiker abgezeichnet. Daraus entsteht im Musikvideo von a-ha die gezeichnete Welt, in die eine junge Frau beim Lesen eines Comics hineingezogen wird. Mittlerweile ist dieses Musikvideo bei YouTube fast 1.2 Milliarden Mal abgerufen worden - Rekord!
Madonna: Like A Prayer
Wenn wir von "einflußreichen Musikvideos" reden, dann darf ein Aspekt nicht fehlen: kontroverse Videos. In dieser Liga spielt eine Künstlerin ganz vorne mit: Madonna. Sie hat schon immer provoziert, aber ein Video sticht ob der Reaktionen darauf bis heute heraus: "Like A Prayer". Es sei ein "Sakrileg", hieß es 1989, die Szenen seien "blasphemisch". Papst Johannes Paul II forderte sogar einen Boykott des Videos.
Warum? Weil Regisseurin Mary Lambert im Video ganz gezielt religiöse Motive einsetzt. Madonna küsst die Füße einer afroamerikanischen Heiligenstatue, die daraufhin zum Leben erwacht. Schnittverletzungen an ihrer Hand sehen aus wie die Wundmale Christi. Sie tanzt vor brennenden Kreuzen - das alles vor dem Hintergrund der Geschichte eines jungen Afroamerikaners, der zu Unrecht des Mordes beschuldigt wird. Weltweit erhob sich ein Sturm der Entrüstung.
Und Frank Zappa?
Der darf hier nicht fehlen - gerade weil er keine eigenen Musikvideos produziert hat und zu den größten Kritikern von MTV gehörte. 1984 interviewte ihn der Musiksender - was dann passiert, ist Musikhistorie: Am Ende des Interviews (15'55") nimmt Zappa MTV gehörig auseinander...