Dem Traum von den Olympischen Spielen in Paris ordnet Luisa Niemesch alles unter. Die Ringerin hat ihren Job als Steuerassistentin reduziert, arbeitet auf der Matte und an ihrem Mindset.
Über Ostern ging Luisa Niemesch ausnahmsweise nicht auf die Matte. Stattdessen genoss die gebürtige Karlsruherin die Tage mit der Familie in der Heimat. Die kleine Auszeit in der Olympia-Vorbereitung kam für die Hoffnungsträgerin des Deutschen Ringer-Bundes (DRB) nicht einmal unpassend - schließlich zwickt derzeit der Rücken ein bisschen.
Hätte Niemesch keine Vorarbeit geleistet, wäre das Zipperlein allerdings zur Unzeit gekommen. Von Freitag bis Sonntag steht in Baku die europäische Qualifikation für Paris auf dem Programm. Während 17 deutsche Starterinnen und Starter in Aserbaidschan mit eher mäßigen Aussichten um Olympia-Tickets kämpfen, kann Niemesch entspannt zusehen.
Traum von Olympia
Die zweimalige Vize-Europameisterin hat es als bisher Einzige aus deutscher Sicht schon zu den Spielen (26. Juli bis 11. August) geschafft. "Das war ein Gefühl großer Erleichterung", sagte Niemesch beim Blick zurück auf die WM im vergangenen Jahr, als sie sich durch den Sieg im entscheidenden Kampf um Platz fünf in der Klasse bis 62 Kilo für Paris qualifiziert hatte.
Niemesch schaffte es schon einmal zu Olympia, doch 2016 in Rio war die mittlerweile 28-Jährige noch nicht bereit. Damals schied sie früh aus, die Spiele 2021 in Tokio verpasste sie knapp.
Ringen | Olympia Deutschlands stärkste Ringerin: Luisa Niemeschs Resthoffnung auf Medaille
Ringerin Luisa Niemesch aus Freiburg startet an diesem Donnerstag in das olympische Ringerturnier. In der Gewichtsklasse bis 62 Kilo könnte sie für eine Überraschung sorgen.
Leistung von Niemesch ist stabiler
Doch seitdem ist etwas passiert. "Ich erlebe Luisa sehr konstant, fokussiert und diszipliniert", sagte die Tokio-Olympiasiegerin Aline Rotter-Focken von der Entwicklung ihrer guten Freundin: "Sie gibt Gas und macht ihre Hausaufgaben. Zudem hat sie diesen letzten Schub bekommen, um auf der Matte das abzuliefern, was sie kann."
Niemesch, die am Olympiastützpunkt in Freiburg neun bis zehn Trainingseinheiten pro Woche absolviert, sieht das ähnlich: "Ich habe mich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert und entwickelt", sagte die Badenerin, die mit sieben Jahren in Weingarten mit dem Ringen angefangen hat: "Ich bin deutlich stabiler und konstanter in meinen Leistungen geworden."
Alles für Paris
Dem Olympia-Traum ordnet die Einser-Abiturientin momentan alles unter. Obwohl Niemesch als Ausgleich ihren Beruf braucht, hat sie ihre Stelle als Steuerassistentin auf 8,5 Stunden pro Woche reduziert. Sie will in Paris "vorne dabei" sein: "Im August möchte ich in der Form meines Lebens sein." Rotter-Focken baut darauf, dass Niemesch ihr Erbe sowie das der anderen abgetretenen Tokio-Medaillengewinner Frank Stäbler und Denis Kudla antreten kann.
"Ich glaube extrem an sie. Sie ist vom Mindset her bereit. Sie möchte die beste Version von sich auf die Matte bringen", sagte die 32-Jährige: "Ich wünsche ihr natürlich den gleichen Ausgang wie bei mir." Niemesch, die nach Olympia mit dem Ringen auf höchstem Niveau aufhören und "voll ins Berufsleben einsteigen" will, relativiert allerdings ihre Rolle als Hoffnungsträgerin.
"Mut-Challenge" für Olympia
"Die Konkurrenz ist groß - von daher lasse ich mich nicht so krass da reindrängen", betonte sie: "Ich möchte ohne Druck in Paris antreten." Um sich die Courage für Olympia zu holen, sprang Rotter-Focken vor Tokio mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug.
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Nach ihrem Triumph von Tokio 2021 steht der nächste Höhepunkt für die ehemalige Ringerin Aline Rotter-Focken an. Sie darf die olympische Fackel mit nach Paris tragen.
Und auch Niemesch hat ihre "Mut-Challenge" schon hinter sich gebracht: "Ich habe krasse Höhenangst und bin zu Fuß das Freiburger Münster nach oben - da sind schon ein paar Tränen geflossen." In Paris sollen es dann Freudentränen sein.