Am 19. November 1999 wurden positive Dopingtests von Laufstar Dieter Baumann bekannt. Damit begann ein Kriminalfall, der bis heute nicht aufgeklärt ist.
Zahnpasta soll gemeinhin für ein strahlendes Lächeln sorgen - bei Dieter Baumann bewirkt sie das genaue Gegenteil. Seit einem Vierteljahrhundert sorgt ein Kosmetikartikel für eine finstere Miene beim ansonsten berufsfreundlichen Schwaben. Die "Zahnpasta-Affäre", die am Dienstag vor 25 Jahren ihren Lauf nahm, machte aus dem Saubermann und Anti-Doping-Kämpfer für die Öffentlichkeit einen mutmaßlichen Betrüger.
Dieter Baumann beteuert weiter seine Unschuld
Bis heute beteuert Baumann seine Unschuld, die Causa bleibt ein ungelöster Kriminalfall. "Ich konnte es nicht glauben, denn es konnte nicht sein. Ich hatte und habe nie etwas zu mir genommen, Dopingmittel, und deswegen konnte es nicht sein, dass eine Kontrolle von mir positiv ist", sagte Baumann, der im Februar 60 Jahre alt wird, dem Deutschlandfunk.
Kampf auch für den Seelenfrieden
Seit dem 19. November 1999 kämpft er um Klarheit, auch um seines Seelenfriedens willen. Mitunter habe er gedacht, "ich bin nicht ganz knusper". An jenem November-Tag beginnt ein Affäre, die sich wie andere mehr oder minder mysteriöse Fälle - jene um Jan Ullrich, Claudia Pechstein, Katrin Krabbe oder Alexander Leipold - über viele Jahre und immer neue Wendungen erstrecken wird. Bekannt wird damals, dass bei Baumann, dem 5000-Meter-Olympiasieger von Barcelona, zwei Dopingproben vom 19. Oktober und 12. November 1999 positiv auf den Wirkstoff Nandrolon ausgefallen sind, ein Muskelaufbau-Mittel.
Sport-Deutschland reagiert schockiert, Baumann ist fassungslos, kann sich den Befund nicht erklären. Der Kölner Dopingfahnder Wilhelm Schänzer lässt das Haus des Läufers auf den Kopf stellen - es finden sich Spuren der Substanz 19-Norandrostendion. In einer Zahnpastatube. Und später in einer zweiten.
Spott für Dieter Baumann
Die Affäre hat fortan einen Namen, der Winter ein Thema, die Comedy einen wortwörtlichen "Running Gag" - unter anderem Harald Schmidt arbeitet sich frotzelnd am schwäbischen "Landsmann" ab. Baumann selbst ist nicht zum Lachen zumute, in der "TAZ" spricht er von einem "Anschlag" gegen ihn: "Das Ganze in den Dreck zu ziehen, mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das hat man erreicht. Das ist irreparabel. Ob das sportlich ist, wirtschaftlich oder was meine berufliche Perspektiven betrifft. Und mich beschuldigt man, es selber gemacht zu haben. Das ist ein perfektes Verbrechen."
Eines, das Erfolg hat. Der Deutsche Leichtathletik-Verband spricht Baumann im Juli 2000 zwar frei, der Weltverband kassiert dies aber und sperrt ihn bis Januar 2002. Nach Ablauf der Sperre holt Baumann in München zwar noch einmal EM-Silber, seine große Zeit ist aber vorbei.
Suche nach einem Täter dauert an
Die Suche nach einem Täter, einem Manipulateur - der Spiegel vermutet frühere DDR-Kräfte am Werk - geht weiter, sie bleibt bis heute ohne Ergebnis. Baumann arrangiert sich mit seiner Vergangenheit, er zieht als Kleinkünstler auf die Kabarett-Bühnen - und witzelt über die Geschehnisse. "Ich muss nur 'Zahnpasta' sagen, und alles lacht. Es ist ein Phänomen, dass ein einziges Wort so etwas auslösen kann", sagte er.
Und auf der Bühne wirbt er feixend für Dentalpflege: "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Wirkung von Zähneputzen kolossal ist."