Uwe Gensheimer gilt als einer der besten deutschen Linksaußen der Geschichte. Nach 18 Jahren in der Handball-Bundesliga tritt der langjährige Nationalmannschaftskapitän nun ab.
Die Rituale sind wie immer, doch normal ist für Uwe Gensheimer an diesem Abend nichts. Ein letztes Mal streift der langjährige Nationalmannschaftskapitän sein Trikot über, ein letztes Mal wird er als Spieler in eine Handball-Arena einlaufen. Und mit etwas Glück wird Gensheimer, der beste deutsche Linksaußen in der Geschichte, am Donnerstag auch ein letztes Mal einen seiner legendären Trickwürfe aus dem Hut zaubern.
Uwe Gensheimer: "Auf so etwas kann man sich nicht vorbereiten"
Natürlich habe er sich Gedanken gemacht, wer alles kommen wird. "Aber im Endeffekt kann man sich auf so etwas nicht vorbereiten. Ich werde also versuchen, den Augenblick so zu genießen, wie er ist", sagte Gensheimer im Interview mit dem "Mannheimer Morgen".
Ab Sommer Sportchef der Rhein-Neckar Löwen
Bevor der 37-Jährige im Sommer die Seiten wechselt und als Sportchef der Rhein-Neckar Löwen übernimmt, wird es am Donnerstagabend (20:30 Uhr) noch einmal hoch emotional werden. Die offizielle Verabschiedung Gensheimers nach fast 20 Jahren auf der Bundesliga-Bühne dürfte sogar die Meistersause des SC Magdeburg, dem in Mannheim ein Punkt zum vorzeitigen Gewinn der Schale reicht, in den Schatten stellen.
DIE Galionsfigur des deutschen Handballs
Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann nannte den scheidenden Handball-Star, der in dieser Saison aufgrund einer Knieverletzung noch kein einziges Spiel absolviert hat, "ein ikonisches Gesicht der Bundesliga". Wohl wahr. Gensheimer war über Jahre DIE Galionsfigur des deutschen Handballs, ein Wegbereiter und Vorbild, eine Art Popstar und eine Ikone.
Würdigungen von den Ex-Kollegen
Auch wenn die Hoffnung auf die ganz großen Titel mit der Nationalmannschaft unerfüllt blieb, war es der gebürtige Mannheimer, der seine Sportart im letzten Jahrzehnt wie kaum ein anderer nach vorne gebracht hat. "Es ist viel wichtiger, wie sehr er Menschen begeistert und wie viele Kinder Uwe inspiriert hat", sagt Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar.
Gensheimer über Tod seines Vaters: "Ich war apathisch"
Wer Uwe Gensheimer verstehen will, dem seien die Ereignisse rund um die Weltmeisterschaft 2017 ans Herz gelegt. Mitten in der Vorbereitung auf die WM 2017 in Frankreich erreichte den vierfachen Handballer des Jahres (2011, 2012, 2013, 2014) die Nachricht, dass sein Vater verstorben ist. "Ich bin auf einem Sessel an der Rezeption in der Sportschule Kaiserau zusammengesackt, ich war apathisch", erinnert sich Gensheimer.
Als Kapitän habe er sich jedoch "verantwortlich für die Nationalmannschaft gefühlt". Und so rief Gensheimer den Familienrat ein. "Dein Papa hätte gewollt, dass du spielst", wurde ihm gesagt. Gensheimer spielte. "Ich weiß bis heute nicht zu 100 Prozent, ob es richtig oder falsch war, diese WM zu spielen. Habe ich gespielt, weil es eine Ablenkung war? Oder habe ich gespielt, um das alles zu verdrängen? Ich habe darauf keine Antwort."
Gensheimer führt die Rhein-Neckar Löwen zu Meisterschaft und EHF-Pokal
Trophäen gewann Gensheimer mit den Löwen. Im Trikot der Mannheimer, für die er bis auf eine dreijährige Unterbrechung bei Paris St. Germain (2016 bis 2019) immer auflief, gelangen dem Rechtshänder mit dem irren Wurfrepertoire in 434 Partien unglaubliche 2.434 Tore, er führte den Klub als Kapitän zum ersten Titel der Klubgeschichte (EHF-Pokal 2013) und zur ersten deutschen Meisterschaft (2016).
Persönliches Highlight: Sein erster deutscher Meistertitel 2016
Uwe Gensheimer hat mit den Rhein-Neckar-Löwen zwei Meistertitel gewonnen und zwei Mal den DHB-Pokal, dazu hat der Mannheimer auch einmal den EHF-Cup gewonnen - das war der erste Titel, 2013. Alles hochemotionale Erlebnisse für den Linksaußen. Sein schönster Titel? Da muss er nicht lange überlegen: 2016, der erste deutsche Meistertitel. Gefeiert wurde damals im ehemaligen Friedrichsparkstadion in Mannheim, die Mannschaft war mit dem Flieger vom letzten Spiel gegen Lemgo zurückgekommen, es war schon spät und es gewitterte. Aber die Party mit vielen Tausend Fans war emotional.
Das siegreiche Finale um den DHB-Pokal vor einem Jahr war Gensheimers letztes großes Spiel mit den Löwen. Bis jetzt. Denn am Donnerstag dürfte es noch einmal ganz besonders werden, trotz aller Routinen. Seine Abschiedsrede? "Na, da nehme ich doch die von 2016 und drücke auf Playback", sagt er. Gensheimer lacht. Ein Scherz, klar. Nein, die Rede habe er noch nicht geschrieben, sagte er im Vorfeld der Partie - seiner letzten in seinem "Wohnzimmer", der Mannheimer SAP-Arena.