Verwirrung um Millots Tor

"Ein wahnsinniges Gefühl": VfB Stuttgart nach Sieg gegen Bern erleichtert

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Autor/in
Johann Schicklinski

Pflichtaufgabe erfüllt - aber mit Bravour: Der VfB Stuttgart schlägt Young Boys Bern in der Champions League mit 5:1. Dementsprechend zufrieden ist Trainer Sebastian Hoeneß.

5.481 Tage! Oder anders ausgedrückt: Knapp 15 Jahre! So lange musste der VfB Stuttgart auf einen Heimsieg in der Champions League warten.

CL-Party: erster Heimsieg nach 15 Jahren für den VfB Stuttgart – DEIN VfB #137 | SWR Sport

Damals, am 09. Dezember 2009, siegten die Schwaben gegen den rumänischen Klub Unirea Urcizeni dank einer furiosen Anfangsphase mit Treffern von Ciprian Marica (5. Minute), Christian Träsch (8.) und Pawel Pogrebnyak (11.) mit 3:1.

Stuttgart

Kantersieg gegen Young Boys Bern Offensivwirbel und Geburtstagskind mit Sahnetag - der VfB in der Einzelkritik

Der VfB Stuttgart dreht gegen Young Boys Bern einen frühen Rückstand. Geburtstagskind Josha Vagnoman erwischt einen Sahnetag, in der zweiten Halbzeit spielen sich die Schwaben in einen Rausch.

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Nach der Pause vier Tore in 23 Minuten für den VfB

Nun, beim 5:1 gegen Young Boys Bern, spielte sich der VfB wieder in einen regelrechten Rausch - allerdings diesmal in der zweiten Halbzeit. Lukasz Lakomy hatte die Schweizer zunächst in Führung gebracht (6.), Angelo Stiller (25.) noch vor der Pause ausgeglichen. Nach dem 2:1 für Stuttgart durch Enzo Millot (53.) war der Bann gebrochen. Chris Führich (61.), Josha Vagnoman (66.) an seinem 24. Geburtstag und Tor-Debütant Yannick Keitel (76.) sorgten gegen nun überforderte Berner für die weiteren VfB-Treffer.

Sebastian Hoeneß: "Ein sehr wichtiger Sieg für uns"

Die Erleichterung bei der Mannschaft von Trainer Sebastian Hoeneß war nach dem Spiel groß, fast schon euphorisch. "Das fühlt sich großartig an", bilanzierte der VfB-Coach. "Ein sehr wichtiger Sieg für uns." Seine Mannschaft habe nach dem Rückstand eine "überragende Moral" gezeigt und könne "stolz" auf sich sein.

Trotzdem, so Hoeneß weiter, müsse sein Team daran arbeiten, nicht immer wieder in Rückstand zu geraten. "Nach dem Gegentor haben wir nach Abläufen, Rhythmus und Präzision gesucht", analysierte er. In der zweiten Halbzeit habe seine Mannschaft dann "wie entfesselt" gespielt.

Angelo Stillers Treffer bringt die breite Brust zurück

Nach dem 0:1-Rückstand bot der VfB phasenweise tatsächlich eine erschreckend schwache Vorstellung, die an die 1:5-Pleite vor zwei Wochen bei Roter Stern Belgrad erinnerte. Die Dynamik fehlte auf einmal völlig, in den Zweikämpfen wirkten die Stuttgarter immer einen Schritt langsamer als der Gegner. Erst der Ausgleich durch Stiller veränderte die Statik des Spiels wieder. Der Treffer, den der Nationalspieler erst eingeleitet und dann nach Vorlage von Vagnoman auch vollendet hatte, brachte die breite Brust zurück.

Verwirrung um Enzo Millots Tor

Ab dann agierte der VfB überlegen, vor allem in der zweiten Halbzeit. Zur Wahrheit des Spiels gehört aber auch, dass es fraglich ist, ob das 2:1 durch Millot hätte zählen dürfen. "Schwer zu beurteilen", sagte Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth nach der Partie. "Wir haben natürlich auch die Wiederholung gesehen. Der Ball war offensichtlich im Aus. Der Videoschiedsrichter hat dann entschieden, dass der Ball im Feld war."

VfB-Offensivspieler Fabian Rieder, dem als ersten Schweizer überhaupt drei Assists in einem Match in der Königsklasse gelangen, hatte den Ball von der Grundlinie aus in die Mitte zu Millot zurückgespielt, der aus knapp elf Metern rechts unten zur Führung einschob. Die Berner hatten zu diesem Zeitpunkt allerdings schon aufgehört zu spielen, da der Linienrichter die Fahne gehoben hatte. Der Treffer zählte indes nach VAR-Check.

Signal des Schiedsrichterassistenten ist nicht bindend für den Schiri

Eine Milimeter-Entscheidung, die auch im TV-Bild nicht klar ersichtlich wurde. Klar ist: Da Schiedsrichter Giorgi Kruaschwili aus Georgien das Spiel trotz der gehobenen Fahne seines Linienrichters weiterlaufen ließ, hätte Bern das Spielen nicht einstellen dürfen. Ein Signal des Schiedsrichterassistenten ist nämlich nicht bindend für den Unparteiischen.

"Wenn wir einen Lauf haben, sind wir schwer zu halten"

Den Stuttgartern war es letztlich egal, für sie zählte am Ende nur der Sieg. "Der Abend tut sehr gut", sagte der starke Stiller, "wir wussten, dass wir das Spiel gewinnen müssen." Auch der Nationalspieler ärgerte sich über das frühe Gegentor, freute sich aber über die zweiten 45 Minuten. "Wenn wir einen Lauf haben, sind wir schwer zu halten."

Was VfB-Trainer Hoeneß am Ende eines denkwürdigen Abends besonders freute: Mit Stiller, Führich, Vagnoman und Keitel feierten vier Spieler ihr Tor-Debüt in der Champions League. "Das wird den Jungs noch einmal einen Schub geben", so Hoeneß. Für Keitel war es sogar der erste Pflichtspieltreffer überhaupt für Stuttgart. Der Sommer-Neuzugang vom SC Freiburg hatte bislang nur eine Nebenrolle bei den Schwaben gespielt, im defensiven Mittelfeld gab es kein Vorbeikommen für ihn an den gesetzten Stiller und Atakan Karazor.

Lustige Gratulationen für Yannik Keitel

Gegen Bern kam Keitel zur zweiten Halbzeit aufs Feld - und zeigte eine starke Vorstellung. "Ich habe mich riesig über mein Tor gefreut. Es war auch schön, dass anschließend alle zu mir kamen und mir auf den Kopf gehauen haben. Das war schon ziemlich lustig. Insgesamt ein wahnsinniges Gefühl", erzählte er im Gespräch mit SWR Sport.

Zu seiner eigenen Rolle bislang beim VfB befand Keitel: "Ich musste mich ein bisschen in Geduld üben, was nicht so meine Stärke ist. Es war keine einfache Zeit, aber ich versuche den Fokus darauf zu legen, was ich beeinflussen kann. Das ist meine Leistung im Training - und dann auch im Spiel. Ich bin froh, dass mir das gegen Bern gelungen ist."

Der Sieg brachte den VfB, der jetzt sieben Punkte aus sechs Spielen aufweist, bis auf einen Zähler an den 24. Tabellenplatz heran. Dieser würde nach Abschluss der Gruppenpase zum Einzug in die Play-offs für das Achtelfinale reichen. Und das ist das erklärte Ziel der Schwaben.

Weiter geht es für den VfB in der Champions League bei Slovan Bratislava (21. Januar), ehe das derzeit punktgleiche Paris Saint-Germain (29. Januar) in die Stuttgarter Arena kommt. Seine Mannschaft sehe diesen beiden Spielen optimistisch entgegen, blickte Hoeneß voraus: "Für uns ist es wichtig, dass wir das Weiterkommen in der eigenen Hand haben."

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Johann Schicklinski