Fünf Profis vom VfB Stuttgart stehen im vorläufigen EM-Kader. Angelo Stiller ist nicht dabei. Die Entscheidung ist nachvollziehbar, und doch gehört dem 23-Jährigen die Zukunft, sagt SWR Sport-Redakteur Michi Glang.
Maximilian Mittelstädt, Deniz Undav, Waldemar Anton, Alexander Nübel und Chris Führich: Der VfB Stuttgart stellt gleich fünf Profis im vorläufigen EM-Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Nicht ins Aufgebot geschafft hat es dagegen Angelo Stiller, obwohl sein Trainer Sebastian Hoeneß zuletzt noch einmal engagiert für ihn geworben hatte.
Eine Nominierung von Stiller wäre "sicherlich kein Fehler", sagte Hoeneß vor der Entscheidung. Keine gewagte Aussage angesichts der überragenden Saison, die der Mittelfeldmann mit dem VfB hingelegt hat. Nagelsmann aber setzt auf Toni Kroos, Robert Andrich, Ilkay Gündogan, Pascal Groß und Aleksandar Pavlovic als zentrale Mittelfeldspieler.
Angelo Stiller ist kein Joker
So bitter der Verzicht für Stiller ist, so nachvollziehbar ist er auch. Nach den starken Auftritten in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) wird Nagelsmann in der Zentrale wohl auf Kroos und den Leverkusener Andrich als "Bodyguard" des Real-Stars bauen. Davor dürfte Kapitän Gündogan (FC Barcelona) seinen Platz sicher haben. Für Stiller wäre also "nur" ein Kaderplatz drin gewesen.
Und das würde nicht so recht passen zum Spiel des 23-Jährigen. Stiller ist ein Profi, der seine Rolle ganzheitlich interpretiert - ein Taktgeber, der im Idealfall von Beginn auf dem Platz steht. Dann kann er das Spiel lenken, den Rhythmus bestimmen, die eigenen Offensivaktionen entwickeln. Als Joker, der nach 60 Minuten ins Spiel kommt und für neue Impulse sorgt, sieht Nagelsmann offenbar Groß (Brighton Hove & Albion) und Pavlovic (FC Bayern) als die besseren Alternativen. Wie gesagt: nachvollziehbar.
Viele Konkurrenten im DFB-Team deutlich älter
Und doch wird Stiller die Zukunft im DFB-Team gehören. Sollte der gebürtige Münchener in den kommenden Jahren von großen Verletzungen verschont bleiben, wird er vermutlich schon bald nach der EM zum Stammpersonal von Nagelsmann gehören. Zumal Kroos (34 Jahre), Gündogan (33) und Groß (32) sich bereits im letzten Viertel ihrer Karriere befinden.
Stiller dagegen hat noch viele Jahre vor sich. Vor allem, wenn man seine Entwicklung in der aktuellen Bundesliga-Saison verfolgt hat. Schon bei seinem Ex-Klub, der TSG Hoffenheim, ließ der Mittelfeldmann immer mal wieder aufblitzen, welch großes Talent da in seinen Füßen schlummert. Doch erst jetzt beim VfB setzt er all das auch dauerhaft um, Stiller ist DER Fixpunkt im Spiel der Schwaben. Bei allem Hype um Serhou Guirassy, Deniz Undav und Chris Führich: Die berauschende Saison der Stuttgarter wäre ohne Stiller als Denker und Lenker kaum möglich gewesen.
Fußball | Bundesliga Angelo Stiller: Fixpunkt und Rhythmusgeber beim VfB Stuttgart
Angelo Stiller ist der Spielmacher des VfB Stuttgart. Der 22-Jährige wird auch im Schwaben-Duell am Sonntag gegen den 1. FC Heidenheim eine zentrale Rolle einnehmen.
Angelo Stiller und Sebastian Hoeneß - das passt
Und Stillers Leistungssprung wäre ohne Hoeneß nicht möglich gewesen. Der VfB-Coach überzeugte den 17-maligen U21-Nationalspieler im vergangenen Sommer von einem Wechsel nach Stuttgart, obwohl die Schwaben den Abstieg gerade noch in der Relegation abgewendet hatten. Er sollte den zum FC Liverpool abgewanderten Wataru Endo ersetzen. Viele waren skeptisch, ob ihm das gelingen würde. Ein Jahr später ist klar: Stiller ist kein Ersatz für Endo. Vielmehr hat er dem Spiel der Schwaben seinen eigenen Stempel aufgedrückt und es auf ein neues Level gehoben.
Stiller und Hoeneß kennen sich aus gemeinsamen Zeiten bei der TSG Hoffenheim und beim FC Bayern München, wo der 23-Jährige einst unter Hoeneß in der zweiten Mannschaft spielte. Der Trainer vertraut Stiller. So weit, dass es er ihn auch in die Abwehrkette beordert, wenn ihm die Verteidiger ausgehen. Wie beim 1:0 bei Borussia Dortmund Anfang April, als Stiller eine überragende Vorstellung ablieferte.
Champions League mit dem VfB als nächster Schritt
Die ganz große Bühne muss Angelo Stiller bei dieser Heim-EM noch einmal anderen überlassen, bevor er sie in der kommenden Saison mit dem VfB in der Champions League selbst betritt. Nicht zum ersten Mal übrigens, schon für den FC Bayern stand er zwei Mal in der Königsklasse auf dem Platz. Gegen Atletico Madrid und Lok Moskau kam er im Dezember 2020 insgesamt 19 Minuten zum Einsatz.
Bei den Schwaben werden voraussichtlich viele weitere Minuten dazukommen. Die internationale Erfahrung wird die Chancen noch vergrößern, dass aus dem Taktgeber des VfB Stuttgart in Zukunft auch der Taktgeber der deutschen Nationalmannschaft wird.