Es war eines der besten Spiele der laufenden Zweitliga-Saison. Der Karlsruher SC und der 1. FC Köln lieferten sich beim 4:4 ein irres Wettschießen. Dabei überragte vor allem der Karlsruher Mittelfeldspieler Marvin Wanitzek.
Am Ende sanken viele Spieler einfach auf den Rasen. Völlig ausgepumpt und entkräftet waren sie, die Kölner und die Karlsruher nach irren 95 Minuten, die ihnen quasi den Atem geraubt hatten: 3:0, 3:2, 4:2, 4:4. Das war Fußball-Total. Und mittendrin nach dem Abpfiff in der Kölner Arena der Mann des Matches: Karlsruhes Dreierpacker Marvin Wanitzek, überglücklich: "Für mich persönlich ist das unglaublich nach so einer Anfangsphase. Drei Tore Rückstand nach 15 Minuten, dreimal die Wahnsinns-Tor-Melodie der Kölner im Ohr", so der noch immer ungläubige Karlsruher Kapitän im ARD-Interview, "und dann noch so zurückzukommen, das spricht für den Teamgeist der Mannschaft". Aber, so Wanitzek im gleichen Atemzug: "So darfst du nicht ins Spiel starten. Unabhängig von der Anreise".
KSC-Spieler zu Fuß zum Stadion
Apropos Anreise. Der denkwürdige Fußball-Nachmittag in Müngersdorf hatte für die Karlsruher bereits kurios begonnen. Weil der Mannschaftsbus der Gäste im Stau steckengeblieben war, 30 Minuten lang nichts mehr ging, mussten die KSC-Spieler das letzte Wegstück zum Stadion kurzfristig zu Fuß zurücklegen. Eineinhalb Kilometer, mitten durch die Fans. Mitsamt Autogrammeschreiben. "Das habe ich so auch noch nicht erlebt in meiner Karriere", schüttelte Marvin Wanitzek den Kopf.
0:3-Rückstand nach 15 Minuten
Und als hätte der unfreiwillige Marsch den Jungs von Christian Eichner körperlich zugesetzt und außer Tritt gebracht, standen sie in der Anfangsphase der Partie völlig neben den Schuhen. Bereits nach einer Viertelstunde lagen die Karlsruher sage und schreibe mit 0:3 hinten. Luca Waldschmidt (3. Minute), und zweimal Damion Downs (7. und 15. Minute) hatten die Kölner gegen bis dahin defensiv indiskutable Badener mit drei Treffern in Führung geschossen.
Alle Karlsruher Dämme waren gebrochen. "Die Anreise hat zum Spiel gepasst", schmunzelte KSC-Trainer Christian Eichner nach Spielende auf die Frage nach der ungeplanten Wanderung seines Teams. Dazu kam, dass mit Abwehrchef Marcel Franke ein entscheidender Faktor im Defensivverbund fehlte: "Das ist ein Topspieler der Zweiten Liga, den kann ein Klub wie der KSC nicht 1:1 ersetzen", so Eichner. "Wir waren defensiv, was die Zweikämpfe betrifft, nicht da", ergänzte Marvin Wanitzek, "wir haben sie einfach nicht geführt und nicht gesucht".
Sechs Treffer in einer Halbzeit gab's in der Saison noch nie
Karnevalslieder erklangen bereits in Köln. Schon frühzeitig alles entschieden? Der KSC zum ersten Mal in dieser Runde geschlagen? Denkste. Jetzt lief vor allem KSC-Kapitän Marvin Wanitzek zur Hochform auf: Zweimal traf der 31-jährige Mittelfeldspieler zum 1:3 und 2:3 (19. und 27. Minute), ehe Tim Lemperle kurz vor der Pause das Kölner 4:2 markierte. Sechs Treffer in einer Halbzeit- das gab's noch nie in dieser Zweitliga-Saison. "Wir waren sehr deutlich in der Pause, das hat geholfen", so KSC-Coach Eichner vor der erneuten Aufholjad.
Und so nahm die Atemlosigkeit weiter kein Ende. Wieder kam der KSC mit Macht und Wucht zurück: Leon Jensens Kopfball (52.) auf Vorlage von Wanitzek und noch einmal Marvin Wanitzek selbst mit seinem dritten Treffer, einem Schrägschuss (55.), stellten den wilden Ritt auf 4:4. Es war Wanitzeks vierter Saisontreffer, nachdem er bereits letzte Woche beim 2:2 in Magdeburg getroffen hatte. Ein irres Wettschießen beider Teams, höchst unterhaltsam für die 50.000 in der Kölner Arena. Ein Nervenspiel aber vor allem für die Trainer: "Ein großartiges Kompliment an die Mannschaft", sagte danach Christian Eichner, allerdings mit einer Einschränkung: "Ab Minute 15". Und vor allem dank Marvin Wanitzek.
Christian Eichner und das "Nach-Hause-Kommen" in Köln
Fakt ist: Der KSC bleibt mit dem 4:4 weiter ungeschlagen, positioniert sich auf Platz drei der Zweitliga-Tabelle. Und auch Christian Eichner, der einst drei Saisons beim 1. FC Köln als Verteidiger unter Vertrag stand, hatte seine Freude am Wiedersehen mit alten Freunden: "Es ist ein Stück weit wie nach Hause kommen, wir haben hier drei Jahre gelebt, unsere Tochter ist in Köln geboren und wir lieben es immer wieder hierher zu kommen. Umso mehr freut es mich, dass die Jungs den Tag positiv abschließen konnten".
Und seit diesem Sonntag wird auch KSC-Kapitän Marvin Wanitzek die Stadt Köln und ihre Arena in bester Erinnerung behalten: "Das war das erste Spiel für mich in Köln vor so einer Kulisse. Und dann noch mit drei Toren und einer Vorlage zum Punktgewinn beigetragen zu haben, das ist ein wunderschönes Gefühl". Sprach's und machte sich mit dem Spielball auf die Heimreise Richtung Karlsruhe. Im Bus, und nicht zu Fuß.