Den Rosenmontag 2001 wird Jürgen Klopp nie vergessen. An diesem Tag wurde er vom Spieler zum Cheftrainer befördert und seine außergewöhnliche Karriere begann vor genau 20 Jahren.
Gerechnet hatte Klopp damit nicht. "Als ich in Fürth ausgewechselt wurde, war kein Gedanke bei mir präsent, der sagte, möglicherweise bin ich ja morgen Trainer. Aber es hat sich so entwickelt, und ich war und bin ganz glücklich darüber", erinnert er sich an den 26. Februar 2001. Eine 1:3-Niederlage hatten seine Mainzer tags zuvor bei Greuther Fürth kassiert, sie standen auf einem Abstiegsplatz, und Christian Heidel, damals Manager, entließ Eckhard Krautzun nach nur drei Monaten im Amt.
"Wilde Auseinandersetzungen auf dem Platz"
Aus "purer Verzweiflung", wie Heidel selbst sagt, machte er den Chef auf dem Platz auch zum Verantwortlichen an der Seitenlinie. "In vielen Bereichen war ich schon vorher der Chef, ohne es sein zu wollen. Ich war einer der ältesten Spieler in der Mannschaft und habe da schon einfach mehr geregelt. Wenn die Jungs nicht genug gelaufen sind, habe ich ihnen das auch damals schon gesagt und habe wilde Auseinandersetzungen mit besten Freunden auf dem Platz gehabt", beschreibt Klopp seine Rolle. Wenn er auch nicht mit seiner Beförderung gerechnet hatte, eins war ihm sofort klar: "Ich bin in meinem Leben auf noch nichts so gut vorbereitet gewesen wie auf das. Und ich war relativ sicher, dass ich das hinkriegen würde. Das ist das Selbstvertrauen der Jugend."
Raus aus der Kabine und dem Doppelzimmer
Viel Zeit zum Nachdenken blieb Klopp damals nicht. Sein Team fuhr ins Trainingslager nach Bad Kreuznach, und von jetzt auf gleich hatte der damals 33-Jährige wesentlich mehr Aufgaben als vorher zu bewältigen. "Ich kann mich erinnern, dass ich relativ zügig relativ sehr beschäftigt war. Als Spieler wacht man auf und läuft zweimal am Tag zum Training und geht danach zum Essen. Als Trainer sieht das ja völlig anders aus." Die größte Umstellung war für ihn aber nicht die neu gewonnene Verantwortung oder die viele Arbeit. "Für mich war das Komischste, dass ich aus der Kabine ausziehen musste und nicht mehr mit Jürgen Kramny im Doppelzimmer lag."
Die Mainzer Jahre
Wie die Geschichte mit dem FSV weiter ging, ist den meisten Fußballfans bekannt. Die 05er hielten 2001 die Klasse und spielten im Jahr darauf um den Aufstieg. Sie scheiterten 2002 am letzten Spieltag durch eine Niederlage bei Union Berlin. Ein Jahr später wiederholte sich die Geschichte, Mainz gewann zwar am letzten Spieltag gegen Eintracht Braunschweig, doch letztlich fehlte ein Tor gegenüber dem Dritten Eintracht Frankfurt. Die Rheinhessen wurden Vierter, ehe es im dritten Anlauf 2004 endlich zum ersehnten Happy End und dem Aufstieg in die Bundesliga kam. Drei Jahre hielten die 05er die Klasse, spielten sogar ein Jahr in der Europa League, ehe sie 2007 wieder in die 2. Liga abstiegen.
"Meine Karriere und die Mainzer Zeit zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass ich anscheinend nicht Titel, sondern Freundschaften und Beziehungen sammle. Mainz ist für mich Heimat und bis heute habe ich ganz enge Beziehung zu vielen Leuten", gehören diese Jahre bis heute zu seinen Besten. "Ich hab das alles sehr genossen, und von der Zeit hängengeblieben sind unglaublich viele schöne Erinnerungen. Und natürlich der Aufstieg, der nach wie vor in meiner Liste der Erfolge ganz, ganz weit oben hängt."
Das Ende in Mainz mit feuchten Augen
Am 30. Juni 2008 endete Klopps Trainertätigkeit bei Mainz 05. Wie sehr die Menschen ihren Kloppo schätzten, zeigte sich bei seiner Verabschiedung auf dem Theaterplatz in Mainz, zu dem Tausende geströmt waren. Seine Rede unter Tränen werden die Anwesenden und auch er selbst nie vergessen. "Es gibt immer noch im Leben eines Fußballtrainers viele Momente allein im Hotel, und dann denke ich auch gerne an diese Zeit zurück. Und es kommt gar nicht so selten vor, dass ich mir alte Videos angucke. Und dann rutscht auch immer mal wieder diese komische Abschiedsrede da rein. Ja, und wenn ich das dann sehe, habe ich immer noch feuchte Augen."
Weiterentwicklung in Dortmund
Klopps Weg führte nach Dortmund, wo er sich ebenfalls in die Herzen der Fans katapultierte. Sportlich und finanziell konnte Klopppo nun in einer anderen Liga agieren. "Der Verein hat natürlich ganz andere Voraussetzungen. Wir in Mainz waren der Verein, der ablösefrei verpflichten musste. Wir waren der Verein der Spieler, die ihre zweite oder dritte Chance versucht haben zu nutzen. Und dann kommst du nach Dortmund", erinnert sich Klopp. Doch die großen Möglichkeiten forderten auch neue Fähigkeiten. "Mainz war ja mit Christian und mir eine Zwei-Mann-Show in vielen Bereichen, im Transferbereich war es so. Jetzt kommst du nach Dortmund und hast eine ganze Scouting-Abteilung und musst mit ganz viel Leuten diskutieren, musst sie überzeugen, auch wenn sie den Spieler vielleicht nicht so toll finden", musste sich Klopp in Sachen Argumentation und Überzeugungsarbeit genauso weiterentwickeln wie in anderen Bereichen. "Du musst dich der Qualität der Mannschaft anpassen. Du musst deinen Fußball der Qualität der einzelnen Spieler anpassen. Und in Dortmund ist natürlich auch noch mal ein ganz anderes Medienaufkommen. In Mainz hat mich ganz Mainz gekannt, und von Dortmund an dann mehr oder weniger ganz Deutschland. Das ist natürlich schon ein Unterschied."
Das Mainzer Niveau in Dortmund
Klopp machte aus Borussia Dortmund wieder eine Spitzenmannschaft. In seiner ersten Saison endet er mit dem Team, das als Abstiegskandidat gehandelt worden war, auf Platz sechs der Tabelle. Er gewann zwei Deutsche Meisterschaften und den DFB-Pokal. "Am Anfang war alles anders, am Ende ganz wenig. Sagen wir mal so, wir haben uns alle auf ein Mainzer Niveau, was die zwischenmenschlichen Beziehungen angehen, hin entwickelt. Und deshalb war das natürlich am Ende auch sehr, sehr schwer, als ich da gegangen bin", lautet Klopps Fazit seiner Dortmunder Zeit, die im Sommer 2015 endete.
Von Dortmund nach Liverpool
Im Oktober 2015 übernahm Klopp den FC Liverpool, der damals auf Rang zehn der Premier League stand. Und wieder gelang ihm sportlich Großes. Er wurde Champions-League-Sieger und führte Liverpool zur ersten englischen Meisterschaft seit Einführung der Premier League. Auch in England lieben die Fans Jürgen Klopp und verehren ihn. "Ich musste auch mit Liverpool erst einmal durch die harte Schule gehen, Finals verlieren und mir ein bisschen blutige Knie holen. Aber am Ende ist es einfach so, dass es eine schöne Fortsetzung der Karriere ist", beschreibt Klopp, der noch lange nicht genug hat. "Da ist auch noch ganz viel, was kommen kann. Man muss ja nicht unbedingt nur einmal Meister werden im Leben und nur einmal die Champions League gewinnen."
Bundestrainer ist kein Thema
Klopps Vertrag beim FC Liverpool läuft noch bis 2024. Was danach kommt, lässt er offen. Das Thema Bundestrainer ist für ihn momentan keins. "Es ist ja ganz schön, dass Leute möchten, dass ich Bundestrainer werde. Aber in den nächsten drei Jahren haben so viele andere Trainer die Chance, als Bundestrainer gewollt zu werden, dass dann möglicherweise gar kein Platz für mich da ist, wenn ich Zeit habe. Momentan ist alles gut so, wie es ist."
Seine drei Stationen waren ein Segen
Grund zu hadern hat Klopp tatsächlich nicht. Er ruht in sich und ist mit seiner Situation rundum zufrieden. "Ich bin ich. Die Zeit in Mainz hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich empfinde meine Stationen als Segen, es ist richtig gut gelaufen bis hierhin. Und deswegen habe ich auch gesagt: Wenn es am Ende meiner Karriere nur drei Vereine waren, dann waren es geile, und das ist dann auch in Ordnung."