Wie blickt man bei der Nachbarschaftsplattform nebenan.de auf den Stadt-Land-Konflikt?
Die Aussichten fürs Land sehen nicht gerade rosig aus: Prognosen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gehen von weiteren Abwanderungen aus ländlichen Gebieten bis 2040 in die Städte aus. Laut Bericht soll in den kommenden 20 Jahren die Bevölkerung in ländlichen Gebieten bis zu 26 Prozent sinken, während in den Ballungsräumen ein Anstieg bis zu zehn Prozent erwartet wird. Doch es gibt auch andere Tendenzen: Ina Remmers, die Geschäftsführerin der Nachbarschaftsplattform nebenan.de sieht die Corona-Pandemie als Chance.
Die Suche nach Ruhe und Natur
Statistiken besagen seit mehreren Jahren eine Trendwende vom Land in die Stadt, jedoch habe die Corona-Pandemie auch für Bewegung in die entgegengesetzte Richtung gesorgt. Das Land biete in Sachen Ruhe und Natur einen größeren Mehrwert als die Stadt, wodurch es Städter vermehrt aufs Land ziehe. Um diese Bewegung zu unterstützen, seien strukturelle Aspekte nicht ausreichend. Die Digitalisierung habe noch nicht flächendeckend in Deutschland Einzug erhalten und in vielen ländlichen Gebieten könne die Breitbandgeschwindigkeit das Remote Arbeiten - also das Arbeiten von Zuhause - immer noch nicht unterstützen, meint Ina Remmers.
Corona-Pandemie zieht Menschen aufs Land
Die Geschäftsführerin der Nachbarschaftsplattform nebenan.de sieht in der Corona-Pandemie sogar eine Chance, den ländlichen Raum attraktiv wie nie zuvor zu positionieren. „Eine Sache wurde von allein gelöst durch die Pandemie: Wir können uns plötzlich alle vorstellen remote oder hybrid zu arbeiten! Wenn man das jetzt als Chance begreift, um an weiteren Hebeln für Unterstützung zu sorgen, dann haben wir eine ganz große Chance das Land attraktiv zu machen. Und somit einen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten.“ Diese Chance - schätzt Ina Remmers - müsse mit Investitionen in Bereichen wie Breitbandgeschwindigkeit, Infrastruktur, Freizeitangebote und flächendeckender medizinischer Versorgung unterstützt werden. Auch die Zivilgesellschaft könne einen Beitrag dazu leisten.
Zivilgesellschaft zeigt Interesse an Mitgestaltung ländlicher Gebiete
Aus Erfahrungen erzählt Ina Remmers, dass Bewohner auf dem Land sich immer stärker dafür einsetzen, ihre Gemeinde so attraktiv wie möglich zu gestalten. Auf der interaktiven Karte von „WIR GESUCHT - Das Projekt“ finden sich beispielsweise das heruntergekommene Stadtbad einer Ortschaft in Thüringen von Anwohnern aufgebaut worden, um einen Ort der Begegnung zu schaffen. In einem weiteren Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern erzählt Remmers wie Anwohner eine „private ÖPNV“ ins Leben gerufen haben, da sonst kein Bus in die nächstgrößere Stadt fahre.
Auf gute Nachbarschaft!
Die fehlende Infrastruktur und der begrenzte Zugang zur medizinischen Versorgung sei ein immer wiederkehrendes Problem auf dem Land. Daher sei die zivilgesellschaftliche Teilnahme sowie Nachbarschaft in ländlichen Gebieten von größerer Bedeutung. Mit der Nachbarschaftsplattform nebenan.de wolle man diese Lücke füllen und den Menschen in einer Nachbarschaft eine Plattform zum Austausch anbieten. „Sowohl in der Stadt wie auf dem Land kommen wir nicht drumherum, dass wir mehr miteinander machen und uns unterstützen“, sagt Remmers. Projekte von verschiedenen Trägern sowie die aktive Teilnahme der Zivilgesellschaft sei wichtig, aber benötige mehr finanzielle Unterstützung.
Abwanderung: Bedrohung für die Gesellschaft?
Remmers warnt vor der Gefahr von Landstrichen, die aussterben oder zu wenig Diversität in ihrer Zusammensetzung vorweisen. Dies könne zur Vergessenheit von Orten und damit zur Frustration führen. „Dies sind Brandherde für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, daher ist es wichtig in den ländlichen Raum zu investieren“, sagt Ina Remmers.
Die Nachbarschaftsplattform nebenan.de sowie die nebenan.de Stiftung gehören zu den Unterstützern der ARD-Mitmachaktion WIR GESUCHT – das Projekt. Unsere weiteren Unterstützer sind: AWO Bundesverband e.V., Caritas Deutschland, Deutscher Gewerkschaftsbund, Diakonie Deutschland, und ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft.