Rund um den Turkana-See im Norden von Kenia befinden sich mehrere geologische Fundstätten. Schon häufig wurden hier fossile Knochen gefunden, die sich verschiedenen Frühmenschenarten zuordnen lassen. Ob sich diese jemals begegnet sind oder ob tausende von Jahren dazwischen lagen, ließ sich bislang jedoch nicht sicher sagen.
Doch ein besonderer Fund bringt nun Licht ins Dunkel: Versteinerte Fußspuren, die Menschen und Tiere im flachen Wasser eines schlammigen Seeufers hinterlassen haben. Innerhalb von kurzer Zeit lagerten sich Sedimente darüber ab und konservierten die Abdrücke für die Ewigkeit.
Ein internationalen Forschungsteams aus den USA, Kenia und Großbritannien hat diese Abdrücke untersucht und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
Fußabdrücke sind eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit
Für Paläoanthropologen wie die Kanadierin Tracy Kivell ist der Fund ein wahrer Schatz, denn es handelt sich um den ersten konkreten Hinweis darauf, dass sich vor 1,5 Millionen Jahren mindestens zwei Frühmenschenarten zeitgleich dort aufgehalten haben:
„Es ist wie ein Schnappschuss aus der Vergangenheit. Es handelt sich nur um ein paar Stunden oder Tage und wir können uns sicher sein, dass diese beiden Frühmenschen und all die anderen Tiere an genau dieser Stelle unterwegs waren. Das finde ich wirklich spannend, denn es bedeutet, dass sie möglicherweise aufeinandergestoßen sind.“
Kivell leitet das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, das regelmäßig mit zwei der Studienautoren zusammenarbeitet. Als die Fußabdrücke erstmals freigelegt wurden, war noch nicht klar, dass es sich um die Spuren unterschiedlicher Frühmenschen handelt.
Vergleich zeigt: Es handelt sich um unterschiedliche Frühmenschen
Mit modernster 3D-Technik verglich das internationale Forschungsteam die Abdrücke nicht nur mit anderen versteinerten Fußspuren, sondern auch mit der Anatomie heutiger Menschen und der von Schimpansen. Tracy Kivell lobt dabei die Methodik der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler:
“Was mir besonders gefällt ist, dass sie viele experimentelle Beweise verwendet haben. Sie haben untersucht, wie verschiedenste Menschen auf verschiedenen Untergründen laufen – Menschen, die regelmäßig Schuhe tragen und Menschen, die ohne Schuhe laufen."
Auf diese Weise bekomme man ein gutes Bild davon, wie unterschiedlich menschliche Füße und die Biomechanik des menschlichen Gehens sein können, denn jeder von uns habe eine ganz individuelle Art zu gehen, erklärt Kivell weiter. Dennoch sei die Gangart eines Menschen ganz anders als die eines Schimpansen. Man könne sie also klar unterscheiden.
Anhand dieser Daten konnte das Forschungsteam nachweisen, dass es sich bei den gefundenen Fußspuren um zwei unterschiedliche Arten von Frühmenschen gehandelt haben muss – Homo erectus und Paranthropus boisei.
Klimatische Veränderungen könnten zum Aussterben von Paranthropus boisei geführt haben
Weitere Fußspuren aus der Gegend ließen die Forschenden darauf schließen, dass die beiden Frühmenschenarten mindestens 200.000 Jahre nebeneinanderher gelebt haben, vermutlich ohne in Konflikt zu geraten.
Erst klimatische Veränderungen führten vermutlich dazu, dass Paranthropus boisei ausstarb und Homo erectus, den Fachleute als einen direkten Vorfahren des modernen Menschen sehen, weiterlebte.
Der wahre Wert des Fundes geht aber noch darüber hinaus etwas zu beweisen, wofür es ohnehin schon lange Vermutungen gab. Er gibt auch neue Einblicke in die Lebensumstände, Anatomie und Evolution der Frühmenschen. Bislang weiß man vor allem, wie die Schädel und Zähne der Frühmenschen aussahen. Vom Hals abwärts gibt es kaum Funde.
Tracy Kivell sieht darin einen besonderen Mehrwert der Ergebnisse: “Ich halte es für einen Meilenstein in dem Sinne, dass wir jetzt wissen, welche Informationen uns diese Fußabdrücke geben können und dass wir jetzt gezielt danach suchen können.“
Wie sich die Gangart der beiden Frühmenschen unterscheidet, dass sie sich beide regelmäßig an Seeufern aufgehalten haben und welchen Tieren sie dabei begegnet sein könnten – all das sind wertvolle Informationen darüber, wie ihr Leben vor 1,5 Millionen Jahren ausgesehen haben mag.