Fondo Negro ist ein Dorf im Süden der Dominikanischen Republik. Wie an vielen anderen Orten auch, verdienen die Menschen hier ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft oder sie haben kleine Läden. Und in fast allen Familien fehlt jemand. Mindestens zehn Prozent der dominikanischen Bevölkerung lebt fern der Heimat auf der ganzen Welt zerstreut. Die Ausgewanderten arbeiten in Europa und den USA und schicken das Geld nach Hause, um ihre Kinder und Familien zu versorgen. Viele können jahrzehntelang nicht zurückkehren, weil Papiere fehlen oder die Reise schlicht zu kostspielig ist. Von ihren Geldüberweisungen profitieren die zuhause gebliebenen Angehörigen sehr stark, ebenso wie die Wirtschaft des Landes. „Die vier Winde“ folgt den Dorfbewohner:innen und den Migrant:innen: In Fondo Negro träumen die Menschen vom Auswandern, von Perspektiven und Wohlstand. In New York, Stuttgart und Madrid treiben Existenzängste und Einsamkeit die Ausgewanderten um. Oft hetzen sie von einer unsicheren Arbeitsstelle zur nächsten, immer mit dem Druck im Nacken, genügend Geld nach Hause zu schicken. Sie sind finanziell verantwortlich für den Unterhalt ihrer Kinder, doch gleichzeitig werden sie immer mehr zu Fremden für sie.
Autorin Anna-Sophia Richard zum Film
Neues Leben in Deutschland
Júlia lebt heute mit ihrer Schwester in Stuttgart. Als junge Frau zog sie nach Spanien, eröffnete dort ein Restaurant. Die Finanzkrise traf Spanien 2008 schwer und Júlia verlor nach fast 30 Jahren ihr Geschäft und zog, erneut auf der Suche nach einer Arbeitsstelle, nach Deutschland. "Wenn ich daran denke, was ich alles verloren habe ... Nach all der Arbeit. Ich kann nicht schlafen, wenn ich daran denke."
Ohne Papiere in den USA
Miguel-Ángel kam als aufstrebendes Baseball-Talent in die USA. Er spielte in der Junior League und erhielt ein Visum. Doch dann verletzte er sich 2011, seine sportliche Karriere endete. Als sein Visum auslief, entscheidet er sich, in den Staaten zu bleiben. In New York arbeitet er in einem Deli; die Jahre der Trump-Administration haben sein Ersuchen um eine permanente Aufenthaltserlaubnis unmöglich gemacht. Seine Mutter sah er zuletzt vor 14 Jahren – ohne Papiere ist jede Reise, auch innerhalb der Staaten, eine Gefahr.
Rückkehr in die Heimat
Orfedita Herédia war die erste Frau, die aus Fondo Negro nach Europa auswanderte. Während ihrer Zeit in Spanien haben sich viele aus ihrem Heimatdorf auf der Suche nach Arbeit an sie gewandt. Nach Jahren im Ausland ist sie 2010 nach Fondo Negro zurückgekehrt, wo sie zur Bürgermeisterin gewählt wurde. Hier will sie ihren Lebensabend verbringen.
Leben in Fondo Negro
Redo lebt mit einem seiner Söhne in Fondo Negro. Seine erste Ehe endete mit der Auswanderung seiner Frau, die heute, genau wie zwei seiner Töchter, in Spanien lebt. Er wollte nie auswandern, da er der Meinung ist, dass sich das Dorf nicht weiterentwickeln kann, wenn alle nur von der weiten Welt träumen. Es schmerzt ihn, dass niemand seine Anstrengungen für das Dorf anerkennt. "Früher waren wir organisiert, eine Gemeinschaft. Diese Gruppen gibt es heute nicht mehr. Weil alle ausgewandert sind."
Alltag und Lebensrealität
Der Film zeigt Menschen, die sich in einem permanenten Dazwischen befinden, die an einem Ort leben und sich an einen anderen wünschen. Die meisten Migrant:innen mussten ihre Familien verlassen, um diese ausreichend finanziell unterstützen zu können. Unter diesen Trennungen leiden die familiären Beziehungen: Ehen zerbrechen, viele Kinder müssen ohne ihre Mütter oder Väter aufwachsen, Jugendliche träumen von der großen Welt und kehren nicht selten gescheitert zurück. Die ökonomische Lage lässt kaum eine freie Entscheidung zu: Immer steht die eigene Existenz und die der Familie auf dem Spiel. Der Film veranschaulicht, wie die Menschen des globalen Südens im Kapitalismus in ausbeuterische Strukturen gezwungen werden. Oft müssen sie ihr ganzes Leben in Bewegung sein, um der ständig aufs neue drohenden Armut zu entgehen. Und er begleitet Menschen in ihrem Ringen um Würde und ihren Versuchen, familiäre Beziehungen auch über große Distanzen lebendig zu halten.