Die Flowtex-Affäre war einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte, Geld wurde vernichtet, Beteiligte wurden verurteilt – oder auch nicht –, Vertrauen erschüttert und es gab auch nicht wenige absurde Momente. Mit welcher Intention sind Sie beide denn an die Geschichte herangegangen? Welche Punkte waren Ihnen besonders wichtig?
Uns ging es um Differenzierung. Die bisherige Berichterstattung über die Flowtex-Affäre zeichnet sich durch Einseitigkeit aus und setzte auf die Verteufelung des Haupttäters. Als „Narrativ“ wäre das für uns nicht interessant. Wir haben also nicht nur Bücher gelesen und Akten gewälzt, sondern mit Manfred Schmider mehrere Tage gesprochen und aus diesen Interviews wertvolle Einblicke gewonnen: über seinen Charakter, seine Perspektive, seine Beweggründe. Und wir haben begriffen, dass gestandene Journalisten nicht wenige sachliche Falschinformationen in die Welt getragen haben, zum Beispiel über seine familiäre Herkunft.
Wieviel Realität steckt im Film, wie stark haben Sie zugespitzt? Wie wichtig war Ihnen, das satirische Potential der Geschichte zum Vorschein zu bringen?
Wenn man diese komplexe Story in 90 Minuten unterbringen muss, kommt man ohne Verdichtung und Zuspitzung nicht aus. Das satirische Potential ergibt sich allein durch die Sachlage und wurde durch die Regie behutsam verstärkt. Aber natürlich ist unsere Hauptfigur ein satirischer Charakter im wahrsten Sinn, ein Satyr: ein genusssüchtiger Dämon, der seine Umwelt in Versuchung führt. Und die ist nur allzu bereit dazu.
Sie haben sich intensiv mit der Affäre beschäftigt. War das eine besondere Konstellation oder sehen Sie sie als paradigmatisch an? Haben die Umstände es einer Persönlichkeit wie Manfred Schmider leicht gemacht?
Das System aus Finanzwelt und Politik in seiner Selbstüberschätzung, Eitelkeit und Erfolgsbesoffenheit hat Schmiders kriminelle Karriere erst ermöglicht. Der Witz ist ja: Je mehr die Affäre eskalierte, desto mehr weckte sie die kriminelle Energie der Politiker, der Beamten, der Banker. Wir behaupten: die muss latent schon vorhanden gewesen sein. Da reicht manchmal schon die Bereitschaft, das Offensichtliche zu ignorieren. Die 90er Jahre, nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und der Wiedervereinigung, waren dafür der ideale Nährboden. Der Finanzsektor begann sich immer unkontrollierter aufzublähen, Schneeballsysteme wurden plötzlich seriöse Geschäftsmodelle. Insofern ist die Flowtex-Affäre paradigmatisch: Sie verdichtet schlaglichtartig die Vorgeschichte zum globalen Bankencrash 2008. Einmal sagt unsere Hauptfigur: „Die Leute glauben nicht, was sie sehen. Sie sehen, was sie glauben.“ Insofern ist das auch eine Geschichte über die Kraft des magischen Denkens.
Wie hat diese Einschätzung die Struktur des Drehbuchs beeinflusst?
Wir trafen früh die Entscheidung, den Film weitestgehend aus Manfred Schmiders Perspektive zu erzählen. Seine Entscheidungen strukturieren die Geschichte. Er reitet das Monster in dem Irrglauben, es irgendwann zähmen zu können.
Haben Sie eine bestimmte Reaktion beim Publikum im Blick?
Nein. Natürlich hat es uns Spaß gemacht, das Gesamtbild der Flowtex-Affäre um die Perspektive des Hauptakteurs zu erweitern. Aber die „Moral von der Geschicht’“ ist so offensichtlich, da braucht es keine Oberlehrer-Attitüde. Wir wollen unterhalten, faszinieren. Das Publikum soll seinen Spaß haben. Das macht man als Drehbuchautor am besten, indem man seine Figuren respektiert