Was denkt der Roboter über Gerhard Richter?
Die junge Frau mit den langen braunen Haaren und dem schwarzen Minikleid sitzt andächtig auf einer Polsterbank vor dem großformatigen Gemälde von Gerhard Richter mit dem Titel „Abstraktes Bild, See“. Zuerst reagiert sie nicht auf meine Frage, was sie an dem Bild fasziniert. Dann stelle ich meine Frage nochmal auf Englisch und sie antwortet nach längerem Zögern schließlich doch.
Dennoch kommt das Gespräch nicht wirklich in Gang. Und zu den Themen Kunst und Museum hat sie auch nicht wirklich was zu sagen.
Künstlerin Louisa Clement schuf Avatare nach ihrem Vorbild
Insgesamt drei Avatare, also künstliche Menschen, sitzen im großen Saal im Erdgeschoss des Museums Frieder Burda und starren auf berühmte Werke von Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Pablo Picasso. Die Avatare wurden von der Künstlerin Louisa Clement geschaffen – nach ihrem eigenen Vorbild.
Mit Spezialisten von der Uni Saarbrücken hat Louisa Clement ihre Avatare mit vielen – oft sehr persönlichen – Informationen gefüttert und in Straßburg diese lebensechten Puppen herstellen lassen. Die beim Sprechen den Mund bewegen, die Augenbrauen hochziehen und den Kopf drehen können. Schon etwas gruselig!
Eine KI-Maus brabbelt vor sich hin
Ein Stockwerk höher hängt eines der berühmtesten Werke aus der Sammlung des Museumsgründers Frieder Burda: Die „Kerze“ von Gerhard Richter. Doch wer spricht denn da plötzlich? Unten am Boden steckt eine kleine, weiße Maus ihren Kopf aus einem Loch in der Wand und brabbelt vor sich hin.
„Um Aufmerksamkeit zu bekommen und damit Geld zu verdienen, ist es doch heute so, dass Du ständig in den sozialen Netzwerken präsent sein musst“, sagt der britische Künstler Ryan Gander, der die Maus erschaffen hat.
Wie man heute „Content kreiert"
Man müsse die Leute irgendwie für ein paar Sekunden packen. Und das nenne man dann „Content“, also Inhalt, sagt Gander.
„Künstler haben schon immer Inhalte gehabt, deswegen sind sie Künstler geworden, weil sie etwas zu sagen haben, sich ausdrücken möchten. Sie mussten niemals Inhalte suchen oder „machen“. Aber genau das tun heute ständig alle. Sie „kreieren Content“. Und die kleine Maus zeigt diesen Wahnsinn. Alle starren sie an und sie weiß: sie muss jetzt etwas sagen, obwohl sie nichts zu sagen hat.“
Die KI-Wesen bringen der Ausstellung keinen Mehrwert
Die kleine, weiße Maus wird sicher trotzdem der Publikumsliebling dieser Ausstellung. Keine Frage: diese künstlichen Wesen sind originell, aber sie in einer gemeinsamen Ausstellung mit hochkarätigen Kunstwerken zu zeigen, bringt keinen Mehrwert.
Der versprochene Dialog findet einfach nicht statt. Das Museum wird entscheiden müssen, ob es wirklich möchte, dass eine stotternde Maus einem Picasso oder Polke die Show stiehlt.