Kunst trifft KI

Wie man mit Robotern über Kunst spricht – KI-Ausstellung „Transformers“ im Museum Frieder Burda

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

In der Ausstellung „Transformers“ im Museum Frieder Burda mischen sich künstliche Wesen unter die Meisterwerke von Polke, Richter und Picasso. SWR2-Redakteurin Marie-Dominique Wetzel hat versucht, mit dem Roboter ein Gespräch über Gerhard Richter zu führen und stellt fest: Einen richtigen Mehrwert hat die KI für die hochkarätige Sammlung nicht.

Was denkt der Roboter über Gerhard Richter?

Die junge Frau mit den langen braunen Haaren und dem schwarzen Minikleid sitzt andächtig auf einer Polsterbank vor dem großformatigen Gemälde von Gerhard Richter mit dem Titel „Abstraktes Bild, See“. Zuerst reagiert sie nicht auf meine Frage, was sie an dem Bild fasziniert. Dann stelle ich meine Frage nochmal auf Englisch und sie antwortet nach längerem Zögern schließlich doch.

Dennoch kommt das Gespräch nicht wirklich in Gang. Und zu den Themen Kunst und Museum hat sie auch nicht wirklich was zu sagen.

Künstlerin Louisa Clement schuf Avatare nach ihrem Vorbild

Insgesamt drei Avatare, also künstliche Menschen, sitzen im großen Saal im Erdgeschoss des Museums Frieder Burda und starren auf berühmte Werke von Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Pablo Picasso. Die Avatare wurden von der Künstlerin Louisa Clement geschaffen – nach ihrem eigenen Vorbild.

Mit Spezialisten von der Uni Saarbrücken hat Louisa Clement ihre Avatare mit vielen – oft sehr persönlichen – Informationen gefüttert und in Straßburg diese lebensechten Puppen herstellen lassen. Die beim Sprechen den Mund bewegen, die Augenbrauen hochziehen und den Kopf drehen können. Schon etwas gruselig!

Eine KI-Maus brabbelt vor sich hin

Ein Stockwerk höher hängt eines der berühmtesten Werke aus der Sammlung des Museumsgründers Frieder Burda: Die „Kerze“ von Gerhard Richter. Doch wer spricht denn da plötzlich? Unten am Boden steckt eine kleine, weiße Maus ihren Kopf aus einem Loch in der Wand und brabbelt vor sich hin.

„Um Aufmerksamkeit zu bekommen und damit Geld zu verdienen, ist es doch heute so, dass Du ständig in den sozialen Netzwerken präsent sein musst“, sagt der britische Künstler Ryan Gander, der die Maus erschaffen hat.

Wie man heute „Content kreiert"

Man müsse die Leute irgendwie für ein paar Sekunden packen. Und das nenne man dann „Content“, also Inhalt, sagt Gander.

„Künstler haben schon immer Inhalte gehabt, deswegen sind sie Künstler geworden, weil sie etwas zu sagen haben, sich ausdrücken möchten. Sie mussten niemals Inhalte suchen oder „machen“. Aber genau das tun heute ständig alle. Sie „kreieren Content“. Und die kleine Maus zeigt diesen Wahnsinn. Alle starren sie an und sie weiß: sie muss jetzt etwas sagen, obwohl sie nichts zu sagen hat.“

Die KI-Wesen bringen der Ausstellung keinen Mehrwert

Die kleine, weiße Maus wird sicher trotzdem der Publikumsliebling dieser Ausstellung. Keine Frage: diese künstlichen Wesen sind originell, aber sie in einer gemeinsamen Ausstellung mit hochkarätigen Kunstwerken zu zeigen, bringt keinen Mehrwert.

Der versprochene Dialog findet einfach nicht statt. Das Museum wird entscheiden müssen, ob es wirklich möchte, dass eine stotternde Maus einem Picasso oder Polke die Show stiehlt.

Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Kreativität und KI: Ist Maschinenkunst auch Kunst?

Programme wie Dall-E oder Midjourney revolutionieren die Art und Weise wie Kunst hergestellt wird. Es braucht nur noch eine Eingabe, einen Prompt, der das gewünschte Bild präzise beschreibt und in Windeseile spuckt der Algorithmus passende Darstellungen aus.
Gerade hat Google ImaGen vorgestellt, das bewegte Bilder herstellt, Videos zu bauen ist also auch kein Problem mehr. Schon lange gibt es automatische Textgeneratoren wie GPT-3. Die Zukunft ganzer Berufszweige der Kreativbranche scheint bedroht zu sein.
Der Künstler Mario Klingemann arbeitet schon lange mit KI. Jetzt, wo jede*r mithilfe von Programmen wie Dall-E Kunst erzeugen kann, wird es für ihn als Künstler immer schwerer wirklich Neues zu schaffen: „Das reine Erzeugen hübscher Bilder ist mir zu einfach. Ich versuche herauszufinden, was Kunst ausmacht“, sagt er uns.
Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani von der Uni Würzburg forscht unter anderem zu Literatur und Kunst, die auf Algorithmen basiert. Sie ist der Meinung, dass eine KI erst mal noch nicht den großen Roman schreiben wird.
Einen ganzen fiktionalen Text zu schreiben, das könnten Maschinen noch nicht besonders gut. Was Catani hingegen mehr interessiere, ist die Frage: „Welches kreative Potenzial steckt in der Maschine als Tool für Künstler*innen der Gegenwart? Denn das eigentlich Kreative ist, mit diesem Programm so umzugehen, dass etwas entsteht, was weiterdenkt.“

Unsere Kollegen vom NDR haben in ihrem Podcast „Die Idee“ auch eine Folge zum Thema Künstliche Intelligenz gemacht! Norbert Grundei spricht darin mit dem KI-Experten Prof. Peter Kabel darüber, ob Künstliche Intelligenz die Bestseller von morgen schreibt oder die Charthits, die wir hören. Er sagt: Ja! Denn für bestimmte Texte ist heute schon KI verantwortlich. Hört doch mal rein bei „Die Idee“:
https://www.ardaudiothek.de/episode/die-idee-mit-norbert-grundei/36-was-kann-die-kuenstliche-intelligenz-prof-peter-kabel/n-joy/12007465/

Weblinks zum Thema:
Dall-E 2: https://openai.com/dall-e-2/
Midjourney: https://www.midjourney.com/home/
Google KI-Video Genarator: https://imagen.research.google/video/
Mario Klingemann: https://quasimondo.com/
KI-Podcast Steve Jobs im Joe Rogan-Interview: https://share.transistor.fm/s/22f16c7f
SWR Wissenschaftspodcast "Fakt ab": https://www.ardaudiothek.de/episode/fakt-ab-eine-woche-wissenschaft/sie-hat-jetzt-einen-anwalt-eine-google-ki-macht-ernst/swr2/10625093/
Was geht - was bleibt? Die Debatte um LaMDA: https://www.ardaudiothek.de/episode/was-geht-was-bleibt-zeitgeist-debatten-kultur/debatte-um-lamda-haben-algorithmen-gefuehle/swr2/10588035/

Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de

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