Die Städte, Kreise und Gemeinden in Rheinland-Pfalz gehören seit Jahren zu den meist verschuldeten in Deutschland. In den Augen der Kommunen ist das Land Schuld daran. Es überweise ihnen zu wenig Geld, so der Vorwurf. Die Kommunen haben dazu in der Vergangenheit viele Gerichtsverfahren gegen das Land geführt, die sie meistens gewonnen haben. Finanziell geändert hat sich für sie aber kaum etwas.
Nach dem letzten Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz gab es Hoffnung. Das Land wurde gezwungen, die Finanzierung der Kommunen auf völlig neue Beine zu stellen. In der Folge bekamen sie 2023 laut Finanzministerium sogar 360 Millionen Euro mehr. Zudem brachte das Land ein Entschuldungsprogramm auf den Weg und nahm den Kommunen im Jahr 2024 insgesamt rund 3 Milliarden Euro an Kreditschulden ab.
Streit um Geld für Städte, Kreise und Gemeinden FAQ: Warum viele Kommunen immer tiefer in die Schulden rutschen
Erst 2023 hat das Land ein neues Finanzierungsmodell für die Städte, Kreise und Gemeinden eingeführt. Warum stecken trotzdem immer mehr Kommunen in finanziellen Schwierigkeiten? Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Geld reicht vorne und hinten nicht aus
Alles sah gut aus – in der Theorie. In der Praxis sieht es offensichtlich anders aus. Die Kommunen hätten zwar mehr Geld bekommen, sagen sie, doch die Ausgaben seien noch viel deutlicher gestiegen. Die Finanzierungslücke müsse durch Kredite gefüllt werden. Und so sei man wieder dort, wo man vor Jahren schon war - die Verschuldung werde weiter zunehmen, heißt es von den Kommunen.
Um das zu verhindern, wollen sie mehr Geld vom Land. Entsprechende Gespräche sind aber dem Vernehmen nach erfolglos geblieben. Deshalb sehen immer mehr Kommunen den einzigen Ausweg darin, das Land zu verklagen. Auffällig ist, dass es den Vorwurf aus mehreren Landesteilen und von mehreren kommunalen Ebenen gibt.
Kommunalbericht für RLP Landesrechnungshof prangert Geldverschwendung zu Lasten der Bürger an
Drei Geschäftsführer für 50 Mitarbeitende - das ist nur ein Fall, in dem kommunale Unternehmen laut Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz zu viel Geld ausgegeben haben.
26 Dörfer ziehen vor Gericht - und noch viel mehr Klagen drohen
Im Norden von Rheinland-Pfalz haben 26 Dörfer aus der Verbandsgemeinde Adenau im Kreis Ahrweiler im November jede für sich eine Klage beim Verwaltungsgericht Koblenz eingereicht. Ein einmaliger Vorgang. Wie die Verwaltungsgerichte im Land dem SWR mitteilen, sei es noch nie vorgekommen, dass so viele Gemeinden auf einmal das Land verklagt hätten. Auch der Gemeinde- und Städtebund teilt mit, ihm sei ein solcher Fall nicht bekannt.
Hohe Schulden vieler Gemeinden Kommunale Finanzpolitik in RLP: Hilferuf vom Bürgermeister in Bechtheim
Viele Kommunen in Rheinland-Pfalz sind hoch verschuldet. Tobias Perlick (SPD), Bürgermeister im Kreis Alzey-Worms ist sauer.
Den Weg einer Klage planen auch andere Kommunen. Im Süden von Rheinland-Pfalz zum Beispiel das Dorf Reichsthal in der Verbandsgemeinde Nordpfälzer Land im Donnersbergkreis. Dort hat der Gemeinderat kürzlich beschlossen, das Land zu verklagen. Im Landkreis Cochem-Zell, im Norden des Landes, hat der Kreistag ebenfalls einen solchen Beschluss gefasst. Landrätin Beilstein (CDU) teilte dem SWR mit, man sei dabei die Klage vorzubereiten und plane, sie in den kommenden Wochen einzureichen.
"Klagen sind ein Hilferuf"
Ähnliche Pläne gibt es auch im Süden des Landes im Landkreis Südwestpfalz. Die dortige Landrätin Ganster (CDU) hat die Kreistags-Fraktionen bereits darüber informiert, dass man klagen will. Am kommenden Montag, 16. Dezember, soll der Kreistag abstimmen. Der Städtetag Rheinland-Pfalz teilte dem SWR mit, dass man nicht ausschließe, dass auch Städte das Land wegen der desaströsen Finanzausstattung verklagen. Der Pirmasenser Oberbürgermeister Zwick (CDU) beschreibt die finanzielle Lage der Städte so: "So schlimm war es noch nie."
Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau, Guido Nisius (CDU), sagte dem SWR: „Die Gerichtsklagen der 26 Gemeinden, sind ein Hilferuf. Die betroffenen Bürgermeister haben keinen finanziellen Spielraum mehr, sie fühlen sich zur Untätigkeit verdammt. Eine Finanzpolitik des Landes die so weitergeht, drückt die Kommunen immer weiter gegen die Wand. Das Ergebnis sind noch schlechtere Straßen, noch schlechtere Brücken, noch schlechter ausgestattete Schulen und Kindergärten, weil den Kommunen immer häufiger das Geld für die Instandhaltung fehlt“.