Ein bisschen unerwartet war es schon für den Ausbilder Baris Aker, sich plötzlich mit dem Thema Demokratie beschäftigen zu müssen. Gerade mal drei Monate war er bei der EWR, als er eine Art Workshop für seine Azubis organisieren sollte. Thema: Demokratische Werte in der EWR - Wo sie zu finden sind und wie sie gelebt werden.
"Ich hatte mich bis dahin noch nicht sehr viel mit dem Thema Demokratie beschäftigt und Politikwissenschaften habe ich natürlich auch nicht studiert."
"Und ich kannte meine Azubis kaum, die auch noch alle länger im Betrieb waren, als ich", beschreibt Baris Aker rückblickend die Schwierigkeiten dieser Aufgabe. Aber - alles lief viel besser als gedacht und inzwischen ist er ganz offiziell der Demokratie-Botschafter im Unternehmen.
"Demokratie - das ist so gar nicht mein Thema"
Vor allem bei seinen Auszubildenden will er das Thema Demokratie voranbringen. Was nicht immer einfach ist. "Viele sagen, das ist einfach nicht mein Thema. Ich will hier alles rund um Elektrotechnik und Energieversorgung lernen. Oder viele setzen Demokratie mit Politik gleich und sagen: "Ich bin nicht politisch". Dabei begegnet uns Demokratie tagtäglich, auch hier im Betrieb."
Baris Aker meint damit zum Beispiel die Wahlen zum Betriebsrat oder der Jugendvertretung. "Die Wahlbeteiligung ist da nicht wirklich hoch. Aber wir hoffen, wenn die Azubis in anderen Abteilungen unterwegs sind, dass sie dann auch den Alteingesessenen im Betrieb klar machen können, dass sie zu solchen Wahlen gehen sollen."
Fake News in den sozialen Medien erkennen
Mit seinen Azubis besucht Baris Aker Landtagssitzungen, lässt sie zum Thema Demokratie recherchieren und spricht mit ihnen über Informationen aus den sozialen Medien. "Die Jungen sind ja viel auf TikTok oder Instagram unterwegs und holen sich dort ihre Informationen."
"Und wenn sie sich dann unterhalten, frage ich manchmal: Woher hast du diese Info und hast du mal geprüft, ob das auch stimmt?" In solchen Gesprächen gehe es dann nicht um richtig oder falsch, sondern vielmehr darum, darüber nachzudenken, woher die Informationen kommen und ob sie stimmen.
Müssen sich die Azubis auch noch damit beschäftigen?
Ganz unumstritten war das Engagement von Baris Aker im Unternehmen nicht. Am Anfang stand durchaus die Frage im Raum, ob die Azubis auch noch für dieses Thema Zeit investieren sollen, die Ausbildung sei anspruchsvoll genug.
Auch kam gelegentlich die Frage auf, ob man für eine solche Demokratie-Schulung Arbeitszeit zur Verfügung stellen sollte. Inzwischen ist das aber kein Thema mehr. Baris Aker sagt: "Wir haben zwei Aufgaben: zum einen die Fachkräfte für die Region auszubilden, aber auch, die jungen Menschen ins Leben zu begleiten und sie zu Bestandteilen demokratischer Prozesse werden zu lassen."
Mehr Interesse an Demokratie und Politik
Auch für Baris Aker selbst hat sich viel in den vergangenen zwei Jahren verändert. Er beschäftigt sich intensiver mit Demokratie und Politik. "Ich schaue mir inzwischen viel öfter politische Talkshows an. Einfach, weil es mich viel mehr interessiert."
Auf das Thema Bundestagswahl will er Anfang Februar mit seinen Azubis noch einmal intensiv eingehen. Vielleicht zusammen einmal den Wahl-O-Mat ausfüllen und sehen was herauskommt, das ist eine seiner Ideen.
Und den Job als Demokratie-Botschafter will er so schnell auch nicht aufgeben: "Wir haben jetzt nicht nur mehr eine Wahl und dann ist es das gewesen - zum Glück ist das so. Und letztlich ist es wichtig zu erkennen, dass ein demokratisches System davon lebt, dass man es pflegt und dass man daran teilnimmt."
Wormser Wirtschaftsbündnis für Demokratie
Grundlage des Projekts der Demokratie-Botschafter in Unternehmen ist die Charta Wormser Wirtschaftsbündnis für Demokratie. Dabei geht es darum, in den Betrieben die demokratischen Werte zu stärken. Die Demokratie-Botschafter sind dabei ein Mittel.
Rund 50 Wormser Unternehmen haben sich in diesem Bündnis zusammengeschlossen - deutschlandweit ein einmaliges Projekt. Unterstützt wird der Zusammenschluss vom Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. Mitte November besuchte auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) das Wormser Bündnis, um sich zu informieren und die Idee zu unterstützen.